Schwäbische Zeitung (Biberach)
Gönners langer Abschied
Nach 24 Jahren verlässt das Ulmer Stadtoberhaupt die politische Bühne
ULM(
sz) - Wenn jeder Abschied wirklich wie ein kleiner Tod ist, muss es Ivo Gönner derzeit dreckig gehen: Jeden Tag macht der 64-jährige Ulmer Oberbürgermeister, der Ende des Monats nach 24 Jahren aus dem Amt scheidet, irgendetwas zum letzten Mal. Am Mittwoch leitete Gönner zum letzten Mal eine Sitzung des Ulmer Gemeinderats. Eine Statistik, bei wie vielen Sitzungen Gönner in 24 Jahren den Vorsitz hatte, wird von der Stadtverwaltung nicht geführt. In Anbetracht von meist elf Sitzungen per annum bei 24 Dienstjahren dürfte 264 aber ziemlich genau hinkommen. Bei – über den Daumen – zwölf Tagesordnungspunkten im Schnitt läutete der Schwabe so 3168-mal die Glocke. Und sagte vermutlich 6000-mal im sonoren Ton „Ruuuhe“.
Der vorvorletzte Tagesordnungspunkt seiner Politkarriere besiegelt das Endes eines jahrzehntelangen Tuns in sämtlichen Aufsichtsräten städtischer Gesellschaften. Von den Entsorgungsbetrieben, der Projektentwicklungsgesellschaft über die Sanierungstreuhand, den Stadtentwick- lungsverband, die Stadtwerke über die Ulm-Messe zur Parkbetriebsgesellschaft und der Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft. Überall saß oder sitzt Gönner im Kontrollgremium und wurde oder wird jeweils bei einem Abendessen verabschiedet. Bereits hinter sich hat er das Donau-Kapitel: Als Präsident des erweiterten Exekutivkomitees des Rats der Donaustädte und -regionen reiste er jüngst nach Bratislava, um die Amtsgeschäfte an das dortige Stadtoberhaupt Ivo Nesrovnal abzugeben.
Viele Posten und Pöstchen
Doch der Abschied geht noch weiter, die Liste an Posten und Pöstchen, die Gönner nun an den Nagel hängen muss, ist lang: Er sitzt in Gremien der Sparkasse, der Bürgerstiftung, der Bio-Region, des Zweckverbands Landeswasserversorgung, des Regionalverbands Donau-Iller, des Münsterbauvereins, der Solarstiftung, bei der Lokalen Agenda, bei Pro Ulma, im HfG-Stiftungsrat und bei der Energieagentur. Und so weiter. Warme Abschiedsworte sind bei jedem Ab- schied inklusive, was Gönner jüngst bei der Präsentation des SWR-Abschiedsfilms spitzbübisch beklagte: Er sehne den ersten März herbei. „Das geht mir schon langsam alles ziemlich auf den Wecker.“
Ganz offensichtlich erfolgreich ließ Gönner seine zahlreichen Verabschieder wissen, dass er nichts von Abschiedsgeschenken halte, und sich lieber mit Spendenschecks für einen guten Zweck fotografieren lasse. Der gute Geist des OB-Vorzimmers, Claudia Schenk, die noch unter Ernst Ludwig als Sekretärin anfing, zählte bislang keinen einzigen Blumenstrauß. Und auch ein extra Beistelltisch, um einer Geschenkeflut Herr zu werden, sei bislang nicht nötig gewesen.
Letzte eiserne Hochzeit
Wer Ivo Gönner kennt, der weiß, dass er seine allerletzte Amtshandlung nicht zu dieser Kategorie zählt: Nächsten Dienstag besucht der OB auf Abschiedstournee zum allerletzten Mal ein Paar, das eiserne Hochzeit feiert. Kleine Geschenke, ein Gläschen Sekt, das obligatorische Foto. Gönner hat Erfahrung mit dem Besuch von Jubilaren. Auf 600 schätzt die Ulmer Pressesprecherin Marlies Gildehaus die Zahl derartiger Besuche des Stadtoberhaupts in den vergangenen 24 Jahren.
Sechs Tage später ist dann endgültig Schluss: Am Montag, 29. Februar, tritt der Gemeinderat in einer Sondersitzung zusammen, um den Wechsel im Amt des Oberbürgermeisters mit der Vereidigung und Verpflichtung von Gunter Czisch, dem neuen Oberbürgermeister, zu vollziehen. Einen Tag vorher ist noch einmal bei einem Abschiedsgottesdienst im Münster der große Bahnhof angesagt. Dann ist der Oberbürgermeister im Ruhestand.