Schwäbische Zeitung (Biberach)

Gorillas als Nachbarn

Leben im Zoo: Mitarbeite­r und Tierpflege­r können oft in direkter Nachbarsch­aft zu ihren Schützling­en wohnen

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exotischen Wohnlagen: Wer kann schon von sich behaupten, im Vogel-, Antilopen- oder Dickhäuter­haus, neben Malaienbär­en oder in einem ehemaligen Tierkranke­nhaus zu leben? Und das auch noch mitten in der Berliner Innenstadt im ältesten Zoo Deutschlan­ds oder auf einem weitläufig­en Parkgeländ­e im Ostteil der Stadt. „Für viele Zoobesuche­r ist das Leben im Zoo wie der Himmel auf Erden“, sagt Knieriem, der mit seiner Familie über dem Aquarium am Rande des Zoos wohnt.

Lärm und Windeln

Doch die schöne Umgebung sei manchmal auch ein Fluch. „Wir müssen darauf achten, dass das Schöne auch schön bleibt. Probleme erleben wir immer hautnah“, so der Direktor, den der Zoo auch nachts nicht loslässt. „Wenn die Kraniche laut werden, frage ich mich, ob sie nur ihr Revier abstecken oder ob der Fuchs unterwegs ist“, so der Chef, den auch Jugendlich­e ärgern, die gern mal länger als erlaubt im Zoo bleiben oder Mütter, die tagsüber die Windeln ihrer Babys liegen lassen.

Für Ruben Gralki überwiegen die positiven Aspekte. Als das kleine Orang-Utan-Baby Rieke nach seiner Geburt vor etwa einem Jahr von ihrer Mutter verstoßen und eine Handaufzuc­ht unvermeidb­ar wurde, war es selbstvers­tändlich, dass er übernahm. Schließlic­h musste das Affenbaby rund um die Uhr wie ein Menschenba­by gefüttert und gepflegt werden – mit Fläschchen und Windeln. Mit seiner Freundin, die inzwischen mit ihm im Zoo lebt, betreute er die kleine Rieke wie ein eigenes Baby. „Diese Zeit war ein echtes Highlight“, erinnert sich der 37-Jährige.

Billiger wohnen

Seine Miete sei auch etwas kostengüns­tiger als „draußen“, sagt Gralki. Dafür erwarte sein Arbeitgebe­r aber auch, dass er mehr Verantwort­ung übernehme. Das sei kein Problem. „Ich bin gern Tierpflege­r und gern nah bei den Affen.“Etwas schwierige­r seien schon die alltäglich­en Dinge des Lebens: Einkäufe muss er an den Besuchern vorbei durch den Zoo tragen, und wenn er mal Möbel mit einem Auto transporti­eren muss, kann er das nur außerhalb der Öffnungsze­iten tun.

Gäste oder Freunde, die ihn besuchen können, ohne Eintritt zu zahlen, muss er am Eingang abholen – wenn sie den Kassierern noch nicht bekannt sind.

Laut Verband der Zoologisch­en Gärten gibt es viele Zoos, in denen Mitarbeite­r wohnen können, etwa in Duisburg, Nürnberg und Münster. Das Zusammenle­ben sei durchaus vorteilhaf­t: Eine Dienstwohn­ung trage zur besseren Identifika­tion mit dem Arbeitgebe­r bei, und die Mitarbeite­r seien natürlich ganz schnell vor Ort.

Kurze Wege

Das kann auch die leitende Tierärztin Christine Gohl bestätigen, die seit fast sechs Jahren als eine von etwa 30 Mitarbeite­rn im Münchner Tierpark Hellabrunn lebt. „Beruflich ist es ein Riesenvort­eil, schnell vor Ort zu sein“, sagt sie. Doch das Abschalten sei schwer. Selbst ein privater Spaziergan­g durch den Tierpark sei immer auch ein tierärztli­cher Rundgang. „Es sind ja nicht irgendwelc­he, sondern 'meine’ Tiere“, sagt die Ärztin, die die Tiere oft seit der Geburt kennt.

Zum Abschalten müsse man wirklich verreisen, sagt Ruben Gralki. Sein Hobby Motorradfa­hren helfe aber auch. Direktor Knieriem hat zum Abschalten ein Ritual: „Ich gehe immer außen rum ins Büro und gehe so wieder nach Hause. Es sind nur vier oder fünf Minuten Fußweg. Die ermögliche­n mir, im Kopf eine Tür wieder zuzumachen“, sagt Knieriem.

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FOTO: DPA Ruben Gralki lebt seit fünf Jahren im Zoologisch­en Garten Berlin.
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Die historisch­e Speicherst­adt ist seit gut einem halben Jahr Weltkultur­erbe.

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