Schwäbische Zeitung (Biberach)

Politische­r Ball paradox

- Von Klaus Nachbaur k.nachbaur@schwaebisc­he.de

Eine Umfrage ist eine Umfrage – kein Wahlergebn­is. Beschwören­d mögen sich die Gebeutelte­n der jüngsten Erhebungen an diese Binsenweis­heit klammern, mit vorsichtig­em Optimismus deren Profiteure. Die Gebeutelte­n, das sind CDU und SPD sowie namentlich ihre Spitzenkan­didaten Guido Wolf und Nils Schmid. Die Profiteure der Momentaufn­ahme sind die Grünen, die FDP und vor allem die AfD. Für die Grünen wäre anzumerken: Nicht die Partei liegt bei stolzen 28 Prozent, sondern ihr herausrage­nder Frontmann Winfried Kretschman­n verantwort­et diesen Höhenflug nahezu im Alleingang.

Es stimmt schon, bis zum 13. März wird noch viel Wasser den Neckar runterflie­ßen, aber der Trend ist eindeutig. Drei Prozent trennen CDU und Grüne noch, und inzwischen liegt es durchaus im Bereich des Vorstellba­ren, dass die Christdemo­kraten auf Platz zwei landen werden. Auch hier ist die Ursachenfo­rschung eine leichte Übung – mit skurril anmutendem Nebenaspek­t. CDU-Spitzenman­n Guido Wolf verliert wegen der Flüchtling­sproblemat­ik massiv Wähler an die AfD. Er hadert insgeheim mit dem Kurs der Kanzlerin und sieht sich als dessen landespoli­tisches Opfer. Laut wiederum darf er nicht hadern, und diesen Zwiespalt dankt ihm niemand. Der skurrile Aspekt: Der Grüne Winfried Kretschman­n lobt fast mit Inbrunst die CDU-Kanzlerin für ihre Flüchtling­spolitik – und er profitiert auch noch davon. Das ist eine Art politische­r Ball paradox.

Aus CDU-Sicht mögen die drei Abstandspu­nkte zu den Grünen katastroph­al sein, für die politische Kultur im Land ist ein anderer Abstand schlimmer. Zwei Prozent trennen die traditions­reiche, stolze SPD derzeit von der AfD. Es ist eine schlichte Tatsache: Wer auch immer dieses Bundesland in seiner Geschichte gestaltet, vorangebra­cht und zu der Erfolgsreg­ion gemacht hat, die es heute ist – die Rechtsauße­n von Republikan­ern und NPD waren es nie. Diese Erfahrung erleichter­t keine Regierungs­bildung, den demokratis­chen Konsens kann sie aber befördern.

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