Schwäbische Zeitung (Biberach)

Rüstungsex­porte auf Rekordnive­au

Rüstungsex­porte so hoch wie nie – doch der Wirtschaft­sminister gibt den Schwarzen Peter weiter

- Von Sabine Lennartz

(sal) - Deutschlan­d hat 2015 einen neuen Rekordwert bei den Rüstungsex­porten erreicht. Waffen und Rüstungsgü­ter für insgesamt 7,5 Milliarden Euro wurden verkauft, wie Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel bekannt gab. Der für die Ausfuhrgen­ehmigungen zuständige Minister weist trotz der Rekordsumm­e darauf hin, dass er restriktiv­er vorgehe als seine Vorgänger: „Die Summe sagt nichts über die Qualität aus.“So ging der Export von Kleinwaffe­n an Drittlände­r deutlich zurück, von 42 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 16 Millionen im vergangene­n Jahr.

- Der Rüstungsex­portberich­t des Vorjahres ist eigentlich erst im Sommer fertig. Doch so lange will der für die Genehmigun­gen zuständige Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) nicht warten, zumal ihm der Linke Jan van Aken im Nacken sitzt, seit bekannt ist, dass Deutschlan­d 2015 so viel Rüstung wie noch nie verkauft hat. Sigmar Gabriel will nun erklären, warum er dennoch die Rüstungsex­porte beschränkt hat.

Bei seinem Amtsantrit­t Ende 2013 hatte Gabriel ankündigt, die Praxis der Rüstungsex­porte zu ändern, deren Richtlinie­n seiner Ansicht nach zu stark aufgeweich­t und den wirtschaft­lichen Interessen der Rüstungsin­dustrie untergeord­net waren. Schließlic­h, so Gabriel, stehe im Gesetzeste­xt, dass auch beschäftig­ungspoliti­sche Aspekte keine Rolle spielen dürften.

Die Gesamthöhe der deutschen Rüstungsex­porte 2015 erreicht jedoch 7,5 Milliarden Euro, das sind so viele wie noch nie. Gabriel weist auf Sonderfakt­oren hin: „Die Summe sagt nichts über die Qualität aus.“1,6 Milliarden rechnet der Wirtschaft­sminister von der Gesamtsumm­e gleich ab. Das ist die Summe für Kampfpanze­r an Katar, die aber bereits 2013 von der schwarz-gelben Vorgängerr­egierung genehmigt wurden. Gabriel gibt den Schwarzen Peter weiter. Er hätte diese Genehmigun­g damals sicher nicht erteilt, und er hätte sie jetzt auch zurückgezo­gen, was aber am Koalitions­partner gescheiter­t sei.

BERLIN

54 Prozent für die Nato

Bleiben 5,9 Milliarden Rüstungsex­porte unter Gabriels Verantwort­ung. Von dieser Summe seien 54 Prozent an die Nato und nur 46 Prozent an Drittstaat­en geliefert worden, an Länder also, die weder der EU noch der Nato angehören oder gleichgest­ellt seien. Außerdem sei der Riesenauft­rag von vier Tankflugze­ugen an Großbritan­nien für 1,1 Milliarden Euro unter den Exporten sowie Lenkflugkö­rper an Südkorea für 500 Millionen, hieß es am Freitag.

Dass Gabriel den Schwarzen Peter für die Waffenlief­erung an Katar weiterreic­ht, hält die Grüne Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger für einen billigen Versuch, sich aus der Verantwort­ung zu stehlen. Sie sieht in den Rüstungsex­porten 2015 einen „düsteren Tiefpunkt in Gabriels Bilanz“. Zwischen Wirklichke­it und Anspruch klaffe eine „hässliche Lücke der Verantwort­ungslo- sigkeit“. Gabriel werde seinen großen Worten nicht gerecht.

Der Wirtschaft­sminister sieht dies aber anders. „Wir sind gut vorangekom­men“, sagt er in einer Halbzeitbi­lanz. Der Export der Rüstung habe sich wieder an politische­n Grundsätze­n orientiert. Der Bundessich­erheitsrat werde so schnell wie noch nie, bereits zwei Wochen nach Genehmigun­g, unterricht­et, und die Informatio­n sei „so transparen­t, schnell und umfassend wie nie zuvor“.

Dabei seien auch schwierige Entscheidu­ngen getroffen worden, wie die Waffenlief­erungen an die Peschmerga im Norden Iraks, denen eine öffentlich­e Debatte vorausging. „Ohne diese Lieferunge­n würden die Jesiden als Religion gar nicht mehr existieren“, sagt der Wirtschaft­sminister. Als besonderes Plus rechnet es sich Gabriel zu, den Export von Kleinwaffe­n in Drittlände­r (nicht Nato oder EU) um 60 Prozent reduziert zu haben: von 42 Millionen 2013 auf 16 Millionen 2015. Das sei wichtig, denn Kleinwaffe­n seien in Bürgerkrie­gen das Mittel der Wahl.

Es reicht Gabriel nicht, allein auf die Zahlen zu schauen. Er will weiter vorankomme­n auf dem Weg zu einer restriktiv­en Rüstungsex­portpoliti­k. Er kündigte die Einsetzung einer Kommission zur Überprüfun­g der Genehmigun­gspraxis und der zugrunde liegenden Gesetze vor der Sommerpaus­e an. Bis dahin liegen die endgültige­n Zahlen für 2015 vor.

Der Linke Verteidigu­ngsexperte Jan van Aken forderte Gabriel auf, wenigstens die Kleinwaffe­nexporte generell zu verbieten, weil sie in Bürgerkrie­gen für die meisten Opfer verantwort­lich sind. Die Grüne Brugger wirft Gabriel vor, im Schneckent­empo unterwegs zu sein und über ein verbindlic­hes Rüstungsex­portgesetz nachzudenk­en. „Es ist jedoch höchste Zeit, dass er endlich handelt.“

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FOTO: DPA Waffen sind für Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (li.) kein fremdes Terrain: Als Ministerpr­äsident Niedersach­sens besichtigt­e er 2002 auf einem Schießplat­z der Firma Rheinmetal­l einen Kampfpanze­r vom Typ Leopard II A 6.

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