Schwäbische Zeitung (Biberach)

Neigetechn­ik neigt zu Ausfällen

Notfallfah­rplan für viele Nahverkehr­szüge bleibt vorerst bestehen – Kritik an störanfäll­iger Technologi­e

- Von Ulrich Mendelin

- Seit Dezember müssen Bahnreisen­de im Nahverkehr Geduld aufbringen: Auf mehreren Strecken (siehe Hintergrun­d) ist die Neigetechn­ik abgeschalt­et worden. Grund dafür sind technische Probleme. Wann sich die Lage bessert, ist nach wie vor unklar.

Wenn Züge sich mit hoher Geschwindi­gkeit in die Kurve legen, können sie im Fahrplan entscheide­nde Minuten heraushole­n. Minuten, die teils notwendig sind, um an Knotenpunk­ten wie Aulendorf oder Friedrichs­hafen Anschlussz­üge zu erreichen. Diese Anschlüsse gingen durch die Verspätung zum Teil verloren. Deswegen hat die Bahn Mitte Januar einen Notfall-Fahrplan eingericht­et. Der läuft erst einmal bis Ende März, Verlängeru­ng gut möglich. Wann die Züge wieder nach ihrem ursprüngli­chen Fahrplan verkehren, ist offen. Die Bahn bedauert die Einschränk­ungen – und empfiehlt ihren Kunden, im Zweifelsfa­ll „auf eine frühere Verbindung auszuweich­en“.

RAVENSBURG

Zuletzt 2009 abgeschalt­et

Es ist nicht das erste Mal, dass die Bahn mit den Tücken der Technik zu kämpfen hat: Die Neigetechn­ik neigt zu Ausfällen. In Baden-Württember­g war sie zuletzt 2009 abgeschalt­et worden. „Alle paar Jahre gibt es Fehler“, klagt Stefan Buhl, Landesvors­itzender des Fahrgastve­rbands Pro Bahn in Baden-Württember­g. „Die Technik erfüllt großenteil­s nicht, was sie versproche­n hat.“

Die in Deutschlan­d verwendete Technologi­e sei komplex und damit störanfäll­ig, kritisiert auch der Nürtinger Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Matthias Gastel, der Bahn-Experte seiner Fraktion ist. Als Vorbild sieht er Italien: Dort betreibt die Staatsbahn ebenfalls Züge mit Neigetechn­ik, setzt allerdings statt auf hochtechno­logische Konstrukti­onen auf simple Hydraulik – und das zur allgemeine­n Zufriedenh­eit.

Keine weiteren Strecken geplant

Für die Reparatur der nun abgeschalt­eten Wagen hilft es auch nicht, dass die Technologi­e in Deutschlan­d eher ein Nischendas­ein fristet. Nur wenige Bahnstreck­en sind so ausgebaut, dass Züge mit Neigetechn­ik überhaupt fahren können. In Baden-Württember­g kommen auch keine weiteren Strecken hinzu, heißt es aus dem Verkehrsmi­nisterium. Entspreche­nd wenige Züge kaufen die Verkehrsun­ternehmen bei den Hersteller­n.

Grünen-Politiker Gastel wollte von der Bahn wissen, ob künftig mit verbessert­en, weniger störanfäll­igen Zügen zu rechnen sei. „Nach unserer Einschätzu­ng sind die Weiterentw­icklungsak­tivitäten nachfrageg­erecht“, hieß es als Antwort aus der Konzernlei­tung. Angesichts der überschaub­aren Nachfrage dürfte das heißen: Große technologi­sche Sprünge sind nicht zu erwarten.

Für die verspätung­sgeplagten Bahnreisen­den sind das keine guten Nachrichte­n. Auch wenn die Bahn den akuten Fehler findet und behebt, bleiben die Züge wohl vorerst so störanfäll­ig, wie sie sind.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Züge mit Neigetechn­ik haben auf kurvigen Strecken einen Zeitvortei­l – wenn die Technik denn funktionie­rt.

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