Schwäbische Zeitung (Biberach)
Sexualmoral jetzt diskutieren
Papst Franziskus bleibt bei seiner Linie: Er entscheidet aus der Situation heraus, als Seelsorger, mit Blick auf die Menschen. Mit der Lockerung des kirchlichen Verbots, künstliche Verhütungsmittel zu benutzen, hat er keinen Bruch mit der Lehre eingeleitet. Es geht ihm um den konkreten Fall, keinen generellen Kurswechsel: Um angesichts der Zika-Epidemie Abtreibungen zu verhindern, sei der Gebrauch von Präservativen und der Antibabypille „kein absolutes Übel“, sagt Franziskus. Mehr nicht.
Und doch lohnt ein genauerer Blick. Denn anders als seine Vorgänger – besonders Johannes Paul II. war als Rigorist in Fragen der Moraltheologie bekannt – verteufelt Franziskus den Gebrauch von Pille und Kondom nicht von vornherein. Vor diesem Hintergrund, so ist zu hoffen, wird jetzt ein an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientierter Dialog über Sexualmoral möglich. Seit der Enzyklika „Humanae vitae“, die Paul VI. 1968 veröffentlichte, war dieser Dialog in der katholischen Kirche de facto unterbunden. Mit fatalen Folgen: Der Anspruch des Lehramtes und die gelebte Praxis selbst engagierter Christen klaffen stark auseinander.
Doch der Papst ist in Gefahr: Seine immer noch starken Gegner im Vatikan warten nur darauf, dass er die Linie des Lehramts zu stark aufweicht, dass er sich vom angeblich rechten Glauben entfernt. Eine Kirchenspaltung ist nicht undenkbar.