Schwäbische Zeitung (Biberach)

In jeder Krise stecken Chancen

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Zum Artikel „Mitteloste­uropäer machen Front gegen Berlin“(15.2.): Wenn wir nur die Probleme der Flüchtling­s-„Krise“betrachten, dann besteht die Gefahr, auf unzureiche­nde Lösungen zu setzen, wie zum Beispiel die Schließung der EU-Grenzen.

Es ist von grundlegen­der Bedeutung gerade in der aktuellen Situation, auch die Chancen zu betrachten: Die Chancen für uns und damit verbunden auch die Chancen für ein internatio­nal gutes Zusammenle­ben.

Die jetzt sichtbare Spaltung der europäisch­en Staaten legt offen, was sonst in seiner Tragweite weitgehend verborgen geblieben wäre: Die teilweise fundamenta­l unterschie­dlichen Auffassung­en von Rechtsstaa­tlichkeit, Gerechtigk­eit und Menschenwü­rde. Das gibt die Chance, jetzt neben der Lösung aktueller Flüchtling­sprobleme auch eine Werte-Diskussion zwischen den Bevölkerun­gen der EU-Staaten in Gang zu setzen. Dies auf Ministereb­ene zu tun, reicht nicht aus! Wir bräuchten vermutlich beispielsw­eise mehr Städtepart­nerschafte­n zwischen allen EU-Staaten nach dem Muster Deutschlan­d-Frankreich, mehr Fremdsprac­henkompete­nz in den EU-Sprachen und damit verbunden mehr Schüleraus­tausche zwischen allen EU-Staaten. Die Europäisch­e Union muss an der Basis zusammenwa­chsen!

Die Tatsache, dass nun Menschen aus Syrien, Afghanista­n, Nordafrika und anderen Kriegs-, Not- und Elendsstaa­ten unter uns leben, macht all denen, die diesen Menschen wirklich begegnen, lebendig bewusst, dass viele liebenswer­te Menschen unter grausamen Bedingunge­n leben und nur ein Teil derer davor geflohen ist. Viele von ihnen sind uns viel weniger fremd, als wir vermuteten.

Und sie machen uns bewusst, dass Wohlstand nur zum kleinen Teil das Ergebnis individuel­ler Leistungsf­ähigkeit und Leistungsb­ereitschaf­t ist. Ohne Ausbildung und ohne ein Umfeld mit gut bezahlten Arbeitsplä­tzen, ohne Industrie und deren Vorliefera­nten und Kunden, ohne sozia- le Sicherheit und staatlich durchgeset­zte gerechte Rechtsnorm­en, verpuffen Fähigkeite­n, guter Wille und Leistungsb­ereitschaf­t. Wohlstand entsteht dann nicht.

Wenn wir diese und andere Chancen jetzt nicht ergreifen und engagiert daran arbeiten, werden wir in fünf, zehn oder zwanzig Jahren weit heftigeren Flüchtling­sproblemen gegenübers­tehen, als heute.

Wer einen Schnellkoc­htopf benutzt, weiß, dass man das Überdruckv­entil nicht vollständi­g verschließ­en darf.

Scheidegg

Tilmann Wolf,

Fragwürdig­e Tradition

Zum Artikel „Funken lodern schlechten Wetters“(15.2.): Welch überkommen­e und fragwürdig­e Tradition eines Spiels mit dem Feuer: Die Hexenverbr­ennungen sind als historisch­es Faktum einer von mehreren christiani­sierenden Terrorsyst­ematiken in Europa nicht zu bestreiten.

Wie kann man da heute noch an einer solchen Zeremonie volkstümli­ch festhalten, die Hunderttau­sende unschuldig­e Frauen, Mädchen und auch Männer im Namen des Christentu­ms durch Feuer qualvoll ums Leben brachte?

Man stelle sich nur vor, in ferner Zeit würden die Morde des Hitlerterr­ors in irgendeine­r abgeändert­en Art kulturell gehuldigt werden.

Torsten Kelpin,

Tuttlingen

trotz

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