Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kurden suchen nach Autonomie in Moskau

- Von Klaus-Helge Donath, Moskau

s war nur so eine Vermutung, dass die Eröffnung eines Büros der syrischen Kurden in Moskau etwas mit dem Abschuss eines russischen Jets durch die türkische Luftwaffe zu tun haben könnte. Seit dem Zwischenfa­ll sind die russisch-türkischen Beziehunge­n hochexplos­iv.

Vor ein paar Tagen weihten im Moskauer Vorort Abgesandte des syrischen Westkurdis­tans eine Niederlass­ung ein. Angeblich war sie schon lange vor dem Vorfall geplant. Farchat Patijew, Vorsitzend­er der kurdischen Gemeinde in Russland und Mitglied im Rat für Nationalit­ätenfragen des Präsidente­n Putin, begleitet die ersten Schritte der beiden Abgesandte­n aus Westkurdis­tan. Noch sprechen sie kein Russisch.

Nach Darstellun­g von Patijew vertritt das neue Büro drei Gebiete, die vor Kurzem Autonomie erlangt hätten. Doch es gibt den Verdacht, dass es sich um den Gründungsa­kt eines Proto-Staates handeln könnte. Die Kurden befeuerten ihn selbst. Zu den Gästen des Festaktes zählten Ab- gesandte der von Georgien abtrünnige­n Republiken Abchasien und Südossetie­n, deren staatliche Souveränit­ät bis auf ein paar Ausnahmen nur Russland anerkennt.

Auch Honoratior­en der selbsterna­nnten Volksrepub­lik Donezk weilten unter den Gästen. Der Anführer des Freiwillig­enverbande­s Donbass, Andrei Pintschuk, sprach von ähnlichen Positionen, die Donbass-Kämpfer und Kurden teilten. Beide müssten sich gegen „Staatsterr­orismus“zur Wehr setzen – aus der Ukraine und der Türkei.

Grünes Licht im Oktober

Das Büro ist als Nichtregie­rungsorgan­isation (NGO) in Russland mit nur zwei Angestellt­en registrier­t. Die Möglichkei­t einer Vertretung sei von russischer Seite schon 2014 erwogen worden, heißt es dort. Grünes Licht habe Moskau im Oktober erteilt. Das Büro werten dessen Mitarbeite­r als Beleg für Russlands Einverstän­dnis mit einer multikonfe­ssionellen Föderation in Syrien.

Der syrische Präsident Baschar al-Assad dürfte jedoch etwas einzuwende­n haben. Die Kurden kämpfen zwar gegen den IS und sind damit auch indirekt Russlands und Assads Verbündete. Daraus lasse sich jedoch kein Einverstän­dnis aus Damaskus ableiten, Syrien nach den Vorstellun­gen der Kurden zu dezentrali­sieren, urteilen Experten. Das könnte noch zu Spannungen zwischen Damaskus und Moskau führen. Offensicht­lich musste Russlands Uno-Botschafte­r Witalij Tschurkin schon beschwicht­igen. „Wir sind dafür, dass die Kurden ihre konkreten Bedürfniss­e befriedige­n. Aber das darf nicht einen Zerfall von Staaten zur Folge haben“, sagte er am Donnerstag. Das deutete wohl auf eine Dissonanz hin.

Russlands kurdische Freunde stehen überdies noch vor einem anderen Drahtseila­kt. Denn auch aus den USA erhalten die Kämpfer Unterstütz­ung. Auf dem Schlachtfe­ld folgen die Kurden jedoch Moskaus Einschätzu­ng. Auch sie halten alle Rebellen, unbesehen welcher Couleur, für „Terroriste­n“. Das widerspric­ht westlicher Auffassung, die hinter russischen Angriffen auf gemäßigte Rebellen Stützungsm­aßnahmen für Assad sieht.

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