Schwäbische Zeitung (Biberach)

Weniger Kontrollen gegen Schwarzarb­eit

Trotz Einführung des Mindestloh­ns 600 Planstelle­n für Kontrolleu­re nicht besetzt

-

(AFP) - Trotz Einführung des gesetzlich­en Mindestloh­ns hat die Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit (FKS) im vergangene­n Jahr weniger Betriebe kontrollie­rt als im Vorjahr. Die Zahl der Prüfungen ging von 63 000 im Jahr 2014 zurück auf knapp 44 000 im Jahr 2015. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf eine Grünen-Anfrage hervor.

„Es ist absurd“, kritisiert­e die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Beate Müller-Gemmecke am Freitag in Berlin den Rückgang der Kontrollen. „Das Gegenteil hätte der Fall sein müssen.“Mindestlöh­ne auf dem Papier reichten nicht aus: Wer den gesetzlich­en Mindestloh­n durchsetze­n wolle, müsse ihn von Anfang an effektiv und großflächi­g kontrollie­ren.

Ein Sprecher des Finanzmini­steriums sagte, entscheide­nd sei nicht die Zahl der Prüfungen an sich und auch nicht die Zahl der Personenbe­fragungen. „Entscheide­nd ist, dass Sie die dicken Fische kriegen.“

BERLIN

128 000 Verfahren

Daher sei die FKS zu Beginn des Jahres 2015 umgestellt worden auf einen „risikoorie­ntierten Ansatz“. Ziel sei, möglichst die großen Betrugsfäl­le aufzudecke­n. Dafür würden die Ressourcen effizient eingesetzt. Gestiegen sei die Summe der festgesetz­ten Geldbußen, betonte der Sprecher von Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Laut Antwort des Ministeriu­ms auf die Grünen-Anfrage betrug diese Summe im vergangene­n Jahr insgesamt rund 43,4 Millionen Euro – allein 15 Millionen Euro kassierte der Staat demnach wegen Verstößen gegen den gesetzlich­en Mindestloh­n oder einen in einer Branche tariflich festgelegt­en Mindestloh­n. Die Zahl der entspreche­nden Fälle betrug nur rund 2800 – bei insgesamt rund 128 000 Verfahren.

Müller-Gemmecke machte auch fehlendes Personal für den Rückgang der Kontrollen verantwort­lich. Aus der Regierungs­antwort geht hervor, dass von den für 2015 vorgesehen­en 6865 Planstelle­n 600 nicht besetzt waren. Rund 1600 Planstelle­n, die es wegen der Einführung des Mindestloh­ns geben soll, werden demnach erst in den Haushaltsj­ahren 2017 bis 2022 zur Verfügung gestellt.

Die Industrieg­ewerkschaf­t BauenAgrar-Umwelt forderte Schäuble auf, die Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit „umgehend“zu stärken. Die viel zu geringe Kontrolldi­chte sei geradezu eine Einladung für betrügeris­che Betriebe, ihre Beschäftig­ten illegal im Lohn zu drücken.

Der Ministeriu­mssprecher dagegen sagte, unbesetzte Planstelle­n seien „kein gravierend­es Problem“. Und bei den 247 Mitarbeite­rn, die derzeit an die Bundespoli­zei und das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e ausgeliehe­n seien, handle es sich um „zusätzlich geplantes Personal“. Der Stellenauf­bau verzögere sich daher. Jedoch: „Man muss natürlich Prioritäte­n setzen. Wenn die Flüchtling­sherausfor­derung die nunmal größte Herausford­erung ist, der wir gerade gegenüber stehen, muss man mit den begrenzten Ressourcen eben so umgehen, dass sie für diese höchsten Prioritäte­n eingesetzt werden können.“Die Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit ist berechtigt, Betriebe mit mindestens einem Beschäftig­ten auf Einhaltung des Mindestloh­ngesetzes zu kontrollie­ren – in Deutschlan­d sind das den Regierungs­angaben zufolge rund knapp 1,95 Millionen Firmen mit geschätzt knapp 34 Millionen Beschäftig­ten.

Geprüft wurde vor allem in Branchen, in denen laut Tarifvertr­ag Mindestlöh­ne gelten, wie auf dem Bau, in der Abfallwirt­schaft, der Gebäuderei­nigung oder in der Fleischwir­tschaft. „Besser wäre es, die Kontrollen auf Branchen auszuweite­n, in denen keine Tarifvertr­äge gelten“, sagte Müller-Gemmecke. Nur so könne es gelingen, die Beschäftig­ten vor Lohndumpin­g und die Betriebe vor „Schmutzkon­kurrenz“zu schützen.

Sprecher des Finanzmini­steriums

„Entscheide­nd ist, dass Sie die dicken Fische

kriegen.“

 ?? FOTO: DPA ?? 15 Millionen Euro hat der Staat 2015 wegen Verstößen gegen den Mindestloh­n kassiert. Gewerkscha­ften fordern mehr Kontrolleu­re.
FOTO: DPA 15 Millionen Euro hat der Staat 2015 wegen Verstößen gegen den Mindestloh­n kassiert. Gewerkscha­ften fordern mehr Kontrolleu­re.

Newspapers in German

Newspapers from Germany