Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Durchblick im Nebel“
Verklärung. Darin klärt Jesus, wer er wirklich ist. Drei Symbole sind es, die das Rätsel „Jesus“lösen helfen:
Da ist zunächst der Berg. Die Gipfel der Berge sind seit alters Orte Gottes. „Heilige Berge“gibt es im Alten Testament: Denken wir an den Sinai und an den Horeb. Berge verbinden Himmel und Erde. Berge krönen die Täler. Auf einem Berg spricht Christus mit seinem Vater; auf einem Berg wählt er seine Apostel aus; Bergpredigt wird ein wichtiger Teil des Neuen Testamentes genannt; und unser Erkennungszeichen, Jesu Kreuz, ist aufgerichtet auf einem Berg, Golgotha, Schädelhöhe genannt.
Dann hören wir vom weißen Ge- wand. Die Leute zur Zeit Jesu hatten Mut zur Farbe. Sie waren bunt gekleidet. Die Farbe „weiß“war Gott vorbehalten. Jesu Gewand wurde leuchtend weiß und das bedeutet: Gott selbst spricht sich aus in Jesus: „Dies ist mein auserwählter Sohn. Auf ihn sollt ihr hören“(Lk 9,35).
Schließlich die Wolke. Wann immer Gott handelt in der Geschichte Israels, taucht die Wolke auf: die Wolkensäule als ständige Begleiterin beim Auszug aus Ägypten; am Sinai die Wolke, als Mose die Zehn Gebote erhalten hat; bei der Taufe Jesu ist die Wolke Gottes „Lautsprecher“, und bei der Himmelfahrt nimmt sie Jesus auf, der zu seinem Vater heimkehrt. Die Wolke ist eine Art Tuch, hinter dem Gott sich verbirgt und zugleich da ist.
So unterschiedlich die drei Symbole auch sind, eines haben sie gemeinsam: Sie sagen uns, dass bei der Verklärung Gott selbst am Werk ist. Hier handelt Gott. Der Vater zeigt den Sohn in seiner eigentlichen Gestalt. Jesu Identität wird geklärt, transparent gemacht. Sie scheint durch. Die Schleier des Ungewissen werden gelüftet.
Kehren wir zum Urlaubserlebnis zurück. Es kann im Leben Situationen geben, wo am Fuß wie auf dem Gipfel des Berges dieselbe Stimmung wie beim Wetter herrscht: grau in grau, keine Perspektive, Sichtweite gleich Null. Doch Nebel und Nacht, Verschwommenheit und Undurchsichtigkeit haben nicht das letzte Wort. Das ist die Botschaft der Verklärung.
Ich lade Sie ein, besonders in dieser Fastenzeit, in Ihrem Leben Verklärungserlebnisse aufzuspüren und sich dankbar an sie zu erinnern. Wo gab es für mich Sternstunden, Momente, die plötzlich manches Undurchsichtige durchschaubar machten? Oft im Nachhinein gingen sie uns auf. Das habe ich nicht aus eigener Kraft geschafft. Da war einer mit am Werk. Davon dürfen wir zehren.
Diese Erfahrung der Gottesgemeinschaft sollten wir nicht für uns behalten, sondern weitergeben. Aus der Gemeinschaft mit dem Herrn erwächst für die Jünger der Auftrag für die Welt, aus Communio wird Missio. Wer in die vertraute Gemeinschaft mit Jesus eingetaucht ist, sollte auftauchen bei den Menschen. So verlängert sich der Weg der Jünger in unseren Weg hinein. Er liegt nicht offen vor uns wie eine breite Autobahn. Er ist bisweilen wie ein schmaler, dunkler Pfad, bei dem es Lichter braucht, um Schritt für Schritt sich nach vorne zu tasten.
Ich wünsche uns, dass wir uns gegenseitig den Weg ausleuchten. Und ich wünsche uns, dass wir immer wieder den Mut haben, uns auf ein Bergerlebnis einzulassen, selbst wenn auf dem Gipfel dicker Nebel herrscht. Wir wissen: Hinter den Wolken ist die Sonne. Und sollte unsere Mission zu einer gefährlichen Gratwanderung werden, wir stürzen nicht ab. Uns droht kein Salto mortale. Gott streckt uns seine offenen Arme entgegen, die tragen und halten.
Kirchen und Kapellen sind oft auf Bergen oder Hügeln errichtet worden. Dorthin dürfen wir uns immer wieder hinauf- und hineinwagen, gerade in „nebligen“und undurchschaubaren Zeiten. Vielleicht machen wir eine Tabor-Erfahrung, indem wir zur Ruhe kommen und in der Rückschau so manches für uns neu entdecken und deuten.