Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Trauben hängen hoch

Augsburg und Liverpool werten das 0:0 als gutes Ergebnis

- Von Jürgen Schattmann

- Das Schöne an Jürgen Klopp ist: Er kann durch originelle Rhetorik selbst müdeste Fußballspi­ele retten, und das hat sich nicht verändert, ob er jetzt Trainer von Borussia Dortmund oder von Liverpool ist. „Brezn“vermisse er in England, hatte Klopp gesagt, also bekam er nach der Nullnummer in Augsburg von einer nervösen Betreuerin natürlich eine serviert, auf einem Silbertell­er. Auf der kaute der 48-Jährige anschließe­nd demonstrat­iv herum und machte sich einen Spaß daraus, immer wieder den Dolmetsche­r zu korrigiere­n. Klopp kann ja jetzt beide Sprachen, englisch und deutsch, nur die Redewendun­gen nicht, und als er erklärte, dass auch für Dortmund trotz des 2:0-Siegs in Porto „die Trauben hoch hängen“würden, grinste er den Übersetzer an. „Jetzt bin ich mal gespannt“, meinte er – um sich prompt darüber zu beklagen, dass der die hohen Trauben mit „Daydream“übersetzte.

Es war eine durchaus unterhalts­ame Pressekonf­erenz nach dem Achtelfina­lhinspiel in der Europa Lea-

AUGSBURG

gue, sportlich aber gab sie nicht viel her. Klopp räumte ein, Liverpool könne besser spielen, „aber ein 0:0 ist ein wunderbare­s Resultat, ein besseres als die meisten, die ich auswärts bisher hatte. Wer glaubt, dass wir hier 5:0 gewinnen, sollte mehr Respekt vor der Bundesliga haben. Hier sind alle Teams taktisch extrem stark, können exzellent verteidige­n und Lücken schließen. Ein 5:0 ist schlicht nicht möglich. Und auch ein 2:0 hätte nichts daran geändert.“Daran nämlich, dass die Liverpoole­r auch im Rückspiel Vollgas geben müssen, obwohl sie drei Tage später im Ligapokal-Finale in Wembley auf Manchester City treffen.

Noch ist der Premier-LeagueAcht­e weit davon entfernt, ein internatio­nales Spitzentea­m zu sein, allzu selbstkrit­isch ging Klopp aber nicht mit seinem Team um, das gegen den Außenseite­r Augsburg zwar ab und an passabel kombiniert­e, sich aber nur wenige gute Chancen erarbeitet­e. Den kritischen Part übernahm dafür Mittelfeld­spieler Emre Can. „Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, war nicht gut“, sagte der Ex-Bayer. „Da müssen wir auf jeden Fall eine Schippe drauflegen. Es war alles zu langsam. Wir waren nicht in den Zweikämpfe­n. Wir müssen in jedem Spiel die Qualität zeigen, und das schaffen wir nicht immer.“

Mehr Gründe, stolz zu sein, hatte dagegen der FC Augsburg. Das größte Spiel der Klubgeschi­chte war zwar nicht das stärkste des Bundesliga­Vierzehnte­n, aber ein wackeres, eine Kampfansag­e. Durch Kompakthei­t und Laufkraft machte Augsburg die Ausfälle seiner zwei Besten Daniel Baier und Raul Bobadilla wett, der nach 23 Minuten mit einem Faserriss im Oberschenk­el ausschied und wohl auch im Rückspiel fehlen wird.

Hannover ist wichtiger

Selbst ein Sieg wäre möglich gewesen, hätten Alexander Esswein (45. Minute) oder Ji Dong-Won (86.) ihre guten Chancen genutzt. Markus Weinzierl hatte also Grund, stolz zu sein. „Es war ein Super-Spiel von uns“, lobte der Trainer, „wir waren sehr gut organisier­t, haben gefightet und waren laufstark.“Auch mit dem Ergebnis war Weinzierl zufrieden, denn: „Wenn wir in Liverpool ein Tor schießen, müssen die schon zwei machen – auch wenn dort natürlich die Trauben hoch hängen.“

Die Wiedervorl­age der WinzerWeis­heit – Klopp war längst weg - trug natürlich zur allgemeine­n Belustigun­g bei, was den nichtsahne­nden Weinzierl ein wenig irritierte, sein Selbstvers­tändnis aber nicht schmälern dürfte. Der 41-Jährige war der eigentlich­e Sieger der Nacht. In Tobias Werner und Halil Altintop hatte er zwei Spieler nach langen Pausen integriert, ohne dass ein Bruch im Spiel war, mehr Luft schien sein Team der Namenlosen außerdem zu haben. „Das Ziel war es, zu null zu spielen. Das haben wir geschafft“, resümierte er. „Für Liverpool ist es ein gefährlich­es Ergebnis.“

Für Augsburg könnte es der besondere Abend sein, denn in der Bundesliga steht gleich am Sonntag (17.30 Uhr/Sky) wieder der graue Alltag an, das Kellerduel­l bei Schlusslic­ht Hannover. Gut, dass der FCA, der nur einen Punkt vor Rang 16 liegt, ein Meister der Demut ist. Werner erwartet „ein brutal anstrengen­des Spiel“, Weinzierl auch: „Jeder von uns weiß, dass Hannover wichtiger ist.“

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FOTO: DPA Winzerweis­heitskenne­r: die Fußballleh­rer Markus Weinzierl (rechts) und Jürgen Klopp.

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