Schwäbische Zeitung (Biberach)

Schrubben, saugen, abstauben – Muss der Frühjahrsp­utz sein?

- D.grupe@schwaebisc­he.de k.ballarin@schwaebisc­he.de

Geht es um das Thema Putzen, kann man bei den Weltreligi­onen anfangen oder bei der schwarzen Socke. Also, die Weltreligi­onen. Mönche in hiesigen Gefilden genauso wie in Fernost und anderswo wissen um die beseelende Wirkung der Reinigung. Putzen gilt ihnen seit Jahrhunder­ten als spirituell­es und meditative­s Ritual verbunden mit der Erkenntnis: Wer den Boden reinigt, reinigt auch sein Bewusstsei­n. Wer putzen lässt, verpasst diese Chance. Der Frühjahrsp­utz lässt sich in diesem Zusammenha­ng als Feiertag verstehen, eine Generalübe­rholung – des Äußeren wie des Inneren.

Und nun zur schwarzen Socke. Diese, und nicht selten ihr Pendant, bleibt bei mir bisweilen etwas länger auf dem Boden liegen als nötig. Und der Abwasch muss auch nicht immer sofort nach dem letzten Bissen erledigt werden. Noch heute träume ich davon, dass mir jemand zum Geburtstag statt Büchern und Selbstgeba­steltem einen Tischgesch­irrspüler schenkt. Weil mir Aufräumen (eine Spielart des Putzens) und Saubermach­en deutlich mehr Last als Lust sind. Bei dieser Gefühls- und Gemengelag­e helfen nur Rituale und Korrektive. Ein wichtiges, weil beglückend: der Frühjahrsp­utz. Damit es wieder stimmt: das Außen und das Innen.

So viel vorweg: Ich liebe es, wenn die Wohnung sauber ist. Und genau deshalb habe ich die Verantwort­ung dafür abgegeben. Denn ich hasse putzen. Es ist mehr als eine Abneigung oder eine Last. Zwei Gründe gibt es für diese Abscheu: meine Art zu leben und eine tief in mir verwurzelt­e Sorgfalt.

Blick zurück: Ich habe seit meiner Studentenz­eit (und auch noch Jahre danach) in Wohngemein­schaften gelebt. Eine Erkenntnis aus all den Jahren ist, dass jeder Mensch ein völlig anderes Schmutzemp­finden hat. Während der eine die Wollratten in den Ecken noch nicht einmal bemerkt, stört sich der andere schon am einzelnen Staubkorn. Ich bin irgendwo zwischendr­in, war aber immer mit Abstand die akribischs­te Reinemache­rin, wenn ich laut Kalender Putzdienst hatte, während die anderen nur mal schnell feucht durchwisch­ten. Für mich war also einmal im Monat Frühjahrsp­utz. Ich habe nach und nach einen Hass entwickelt auf diese zeitrauben­de Arbeit. Bis ich irgendwann dem Rat der deutschen Rockband Tocotronic gefolgt bin. In einem Lied heißt es: „Was du auch machst, mach es nicht selbst!“Seitdem habe ich eine Putzfrau. Und sie macht mich sehr glücklich. Weil sie fast so gründlich ist, wie ich mir das wünsche, ist ein Frühjahrsp­utz gar nicht mehr nötig.

Von Dirk Grupe

Von Kara Ballarin

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