Schwäbische Zeitung (Biberach)
Schrubben, saugen, abstauben – Muss der Frühjahrsputz sein?
Geht es um das Thema Putzen, kann man bei den Weltreligionen anfangen oder bei der schwarzen Socke. Also, die Weltreligionen. Mönche in hiesigen Gefilden genauso wie in Fernost und anderswo wissen um die beseelende Wirkung der Reinigung. Putzen gilt ihnen seit Jahrhunderten als spirituelles und meditatives Ritual verbunden mit der Erkenntnis: Wer den Boden reinigt, reinigt auch sein Bewusstsein. Wer putzen lässt, verpasst diese Chance. Der Frühjahrsputz lässt sich in diesem Zusammenhang als Feiertag verstehen, eine Generalüberholung – des Äußeren wie des Inneren.
Und nun zur schwarzen Socke. Diese, und nicht selten ihr Pendant, bleibt bei mir bisweilen etwas länger auf dem Boden liegen als nötig. Und der Abwasch muss auch nicht immer sofort nach dem letzten Bissen erledigt werden. Noch heute träume ich davon, dass mir jemand zum Geburtstag statt Büchern und Selbstgebasteltem einen Tischgeschirrspüler schenkt. Weil mir Aufräumen (eine Spielart des Putzens) und Saubermachen deutlich mehr Last als Lust sind. Bei dieser Gefühls- und Gemengelage helfen nur Rituale und Korrektive. Ein wichtiges, weil beglückend: der Frühjahrsputz. Damit es wieder stimmt: das Außen und das Innen.
So viel vorweg: Ich liebe es, wenn die Wohnung sauber ist. Und genau deshalb habe ich die Verantwortung dafür abgegeben. Denn ich hasse putzen. Es ist mehr als eine Abneigung oder eine Last. Zwei Gründe gibt es für diese Abscheu: meine Art zu leben und eine tief in mir verwurzelte Sorgfalt.
Blick zurück: Ich habe seit meiner Studentenzeit (und auch noch Jahre danach) in Wohngemeinschaften gelebt. Eine Erkenntnis aus all den Jahren ist, dass jeder Mensch ein völlig anderes Schmutzempfinden hat. Während der eine die Wollratten in den Ecken noch nicht einmal bemerkt, stört sich der andere schon am einzelnen Staubkorn. Ich bin irgendwo zwischendrin, war aber immer mit Abstand die akribischste Reinemacherin, wenn ich laut Kalender Putzdienst hatte, während die anderen nur mal schnell feucht durchwischten. Für mich war also einmal im Monat Frühjahrsputz. Ich habe nach und nach einen Hass entwickelt auf diese zeitraubende Arbeit. Bis ich irgendwann dem Rat der deutschen Rockband Tocotronic gefolgt bin. In einem Lied heißt es: „Was du auch machst, mach es nicht selbst!“Seitdem habe ich eine Putzfrau. Und sie macht mich sehr glücklich. Weil sie fast so gründlich ist, wie ich mir das wünsche, ist ein Frühjahrsputz gar nicht mehr nötig.
Von Dirk Grupe
Von Kara Ballarin