Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kampf ums Überleben: Der Marsianer
Dass es für den „Marsianer“Nominierungen und Auszeichnungen gehagelt hat, war wenig überraschend – einige der Kategorien waren es dagegen schon: So gewann der Film einen „Golden Globe“als „Bestes Musical oder Komödie“. Nun mangelt es dem Science-Fiction-Film von Altmeister Ridley Scott nicht an Humor, und Discomusik spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Die wesentlichen Stärken der Buchverfilmung liegen aber sicher in dem Fokus auf menschlichen Erfindergeist und Überlebenswillen sowie der beeindruckenden Darstellung des (Über-)Lebens auf dem Mars. Darüber hinaus liefert der Film auch beste Werbung für die Nasa – die amerikanische Raumfahrtbehörde revanchierte sich mit technischer Unterstützung und veröffentlichte wenige Tage vor dem Filmstart erstmals Aufnahmen, die Wasser auf dem Planeten zeigen. Bis auf einige künstlerische Freiheiten absolviert der „Marsianer“seine Herausforderungen auch weitgehend realitätsnah. Und Herausforderungen gibt es reichlich für Mark Watney (Matt Damon), denn der Astronaut wurde von seinem Team irrtümlich für tot gehalten und allein auf dem Roten Planeten zurückgelassen. Eine lebensfeindliche Umgebung, begrenzte Vorräte, kein Kontakt zur Erde, kaum Aussicht auf Rettung – von all dem lässt sich Mark keineswegs entmutigen. Mit reichlich Galgenhumor macht sich der Botaniker ans Werk, um das Überleben zu sichern. Und als man auf der Erde feststellt, dass der Weltraum-Robinson-Crusoe wider Erwarten noch am Leben ist, zerbricht sich die Nasa vor den Augen der Weltöffentlichkeit den Kopf darüber, wie man Watney retten kann.
Die Buchvorlage von Andy Weir erschien zunächst in Episodenform auf der Webseite des Autors, der sich auch mit den Lesern über wissenschaftlich möglichst akkurate Lösungen austauschte. Aus dieser Suche bezieht der Film dann auch einen Großteil seiner Spannung und verzichtet auf erwartbare Dramatik: Watney hat keine eigene Familie, und auch seine Eltern werden nur am Rande erwähnt. Das ist erfrischend, andererseits bleibt einem durch seine fast ungebrochene „Ich schaffe das“-Attitüde das Innenleben des Hauptdarstellers eher fremd. Die Mars-Landschaften wirken in der 3-D-Fassung besonders beeindruckend. Als Extras gibt es zahlreiche kürzere Dokus, darunter „Vom Buch zum Film“. 12 Jahre
DVD 15 Euro, Blu-Ray 18 Euro, Blu-Ray 3-D 30 Euro
Tiemo Hauer hat mit „Vernunft, Vernunft“(Green Elephant Records) am gestrigen Freitag sein viertes Album veröffentlicht. Christiane Wohlhaupter hat mit dem 26-jährigen Stuttgarter über Bauchgefühl, Plan B und Verantwortung gesprochen.
Tiemo, verstehst du dein viertes Album als endgültigen Abschied von den Singer-Songwriter-Tagen?
Ich singe noch und schreibe noch Songs. Aber klar, das, was man sich klassisch unter Singer-Songwriter vorstellt, mache ich jetzt nicht mehr. Die Musik, die mich gerade bewegt, ist nicht mehr dieser typische Singer-Songwriter-Stil. Ich versuche, mehr zu experimentieren und auszubrechen. Ich würde vermutlich durchdrehen, wenn ich immer nur ruhige Songs am Klavier spielen müsste.
Bei den doch sehr unterschiedlichen Stücken auf dem neuen Album ist dieses Experimentieren leicht herauszuhören.
Ich habe auf jeden Fall mehr experimentiert. Ich habe mich auch stärker mit anderen Musikrichtungen auseinandergesetzt. Deshalb habe ich hier und da in eine andere Kiste gegriffen als bisher.
Wie stößt du auf neue Musik?
Ich habe mich mit anderen Musikern und Freunden über Musik unterhalten. Die hören viel elektronische Musik. Mein Schlagzeuger mag souligen Hip-Hop, mein Bassist ist ein totaler Metalhead, der komplette KrachMucke mag. Die deutsche Band Hundreds finde ich großartig, Jack Garratt macht auch tolle Mucke.
Kommt man 2016 nicht an elektronischen Einsprengseln vorbei?
Trends sind mir egal, aber es ist das, was mich gepackt hat.
Was ist dir das Wichtigste bei deiner schöpferischen Tätigkeit?
Das ist ein Zusammenspiel aus verschiedenen Bedürfnissen: Ich fange an, Songs zu schreiben, weil ich ein Gefühl – egal ob positiv oder negativ – verarbeiten will. Schön ist es, wenn es meinen Freunden und den Fans gefällt. Ich will aber auch nicht stecken bleiben und immer nur das Gleiche machen.
Macht es dich verletzlich, wenn du die Gefühle so offen in die Welt trägst?
Ich mache mich auf jeden Fall angreifbar. Aber wenn ich die Gefühle verstecken oder Sachen nur hinter vorgehaltener Hand ausdrücken würde, könnte ich auch niemanden damit berühren. Ich will meine Geschichte teilen, sodass sich der Zuhörer in einem Moment vielleicht verstanden fühlt, im anderen mich aber auch für einen Idioten halten darf.
Du singst „Das ist doch gar nicht unser Stil. Vernunft, Vernunft.“Was meinst du damit?
Man wird älter und muss an manchen Stellen vernünftiger sein als mit 18 Jahren. Aber man sollte sich nicht komplett von der Vernunft beherrschen lassen.
Trotzdem trägt dein Album den Titel „Vernunft, Vernunft“.
Der Titel ist ironisch gemeint. Es wird dauernd gesagt: „Wir müssen vernünftig sein.“Aber wenn ich ein vernünftiger Mensch wäre, wäre ich nicht Musiker.
Was hätten sich Mama und Papa stattdessen gewünscht?
Ach, die finden das ganz cool, weil es das ist, was ich machen möchte. Ich hätte studieren können. Psychologie hat mich schon immer interessiert.
Ist Vernunft also überbewertet?
Das kommt ganz darauf an, was man sich vom Leben erhofft. Wenn man kreativ sein will und etwas Besonderes schaffen möchte, dann darf man nicht nur auf die Vernunft hören. Da schränkt man sich nur ein. Wenn ich nur auf die Vernunft hören würde, würde ich analysieren, was Popmusik erfolgreich macht und nach diesem Prinzip schreiben. Und ich könnte weitgehend vorausberechnen, wie erfolgreich ein Song wird. Aber ich will ja den Zuhörern das geben, was ich in einem Moment empfinde.
Wo hat die Vernunft dennoch Einfluss auf dein aktuelles Album genommen?
Zusammen mit meinem Manager betreibe ich das Label „Green Elephant Records“. Da ist es schon wichtig, Vernunft an den Tag zu legen und geschäftlich zu denken. Aber ich meine, es ganz gut trennen zu können. Wenn ich im Label arbeite und quasi einen Bürojob mache, da ist es wichtig, vernünftig zu sein. In der Albumentstehung hat die Vernunft aber keine große Rolle gespielt.
Wie unterscheiden sich Label-Tiemo und Musiker-Tiemo?
Was uns komplett unterscheidet: Musiker-Tiemo steht auf Tour nicht früh auf und ist nicht pünktlich. Wenn ich aber beim Label die Verantwortung für andere habe, geht das nicht. Ich bin aber auch froh, wenn der Geschäftsmann wieder Pause hat.
Auf deinem Album besingst du auch die „Nostalgie“. Wann warst du zuletzt nostalgisch?
Das bin ich oft. Inzwischen ist es ja schon nostalgisch, wenn man seine Freunde tatsächlich trifft – und nicht nur über das Handy mit ihnen kommuniziert. Ich bin im Winter immer im Allgäu auf einem alten Bauernhof, wo ich als Kind schon mit meinen Eltern war. Da bin ich nostalgisch. Vinyl zu hören, ist inzwischen ja schon nicht mehr nostalgisch, sondern Trend. Aber ich war schon immer ein großer Vinyl-Fan und habe mit den Platten meines Vaters viel Spaß gehabt. Ich habe einerseits nichts dagegen, dass sich Dinge weiterentwickeln, aber ich will auch die schönen Sachen von früher nicht vergessen.