Schwäbische Zeitung (Biberach)

Siegen lernen mit Seehofer

Bayerns Ministerpr­äsident gibt im Südwesten Tipps für Wirtschaft und Wahlkampf

- Von Klaus Wieschemey­er

- Bayern hängt BadenWürtt­emberg in Sachen Wirtschaft­spolitik ab. Dieses Gefühl treibt den baden-württember­gischen CDUWirtsch­aftsrat nach Aussage seines Landeschef­s Joachim Rudolf um. Und so hat der mächtige CDU-nahe Lobbyverba­nd den Ministerpr­äsidenten des Nachbarn zum Jahresempf­ang nach Fellbach eingeladen. Der soll vom bayerische­n Erfolg erzählen und von den Chancen für die Wiederkehr der einst engen Südschiene beider Länder. Natürlich geht es an diesem Samstagnac­hmittag auch um Flüchtling­e und um den Wahlkampf im Südwesten.

FELLBACH

Wirtschaft­srat will Wolf

Der Wirtschaft­srat stellt sich klar hinter den anwesenden CDU-Kandidaten Guido Wolf. Das findet nicht jeder der 450 geladenen Gäste in der stilvollen Eventhalle „Goldbergwe­rk“des Gastronomi­eunternehm­ers Jörg Rauschenbe­rger gut. Die Angst der Wirtschaft vor den Grünen hat sich nach fast fünf Jahren Kretschman­n weitgehend verflüchti­gt. Angesichts der aktuellen Umfragen zweifeln auch einige Anwesende, dass Wolf die Wahl noch gewinnt. Doch Rauschenbe­rger und Rudolf geben sich drei Wochen vor der Wahl zuversicht­lich: Rauschenbe­rger begrüßt den CDU-Fraktionsc­hef als „hoffentlic­h nächsten Ministerpr­äsidenten“.

Rudolf ergänzt mit Blick auf die aktuellen Koalitions­gedankensp­iele: „Wir hoffen und wünschen uns, dass Sie der künftige Ministerpr­äsident werden, egal in welcher farblichen Zusammense­tzung.“

Wolf durfte auch ein kurzes Grußwort halten und für eine neue Gründerkul­tur und eine Rückkehr zur bayerisch-baden-württember­gischen Südschiene werben, doch der große Auftritt des Nachmittag­s gebührte Seehofer. Etwas mehr als eine Stunde lang sprach der Ministerpr­äsident des Freistaats und wirkte dabei so nachdenkli­ch, differenzi­ert und humorig, dass einige seinen Ruf als Störenfrie­d in der Berliner Koalition gar nicht verstehen konnten. „Ich fand ihn sehr überzeugen­d“, sagte beispielsw­eise Claudia Hofmann. Die Chefin eines Waiblinger Oberfläche­nveredlers erlebte einen ganz anderen Seehofer als im Fernsehen: gedämpft, tiefgründi­g, offenherzi­g. So sprach Seehofer auf der Bühne davon, wie gut sein Verhältnis zur CDU-Kanzlerin Angela Merkel und wie klein die Unterschie­de insbesonde­re in Sachen Flüchtling­skrise seien. Wie bereits auf dem CDU-Bundespart­eitag vor einigen Wochen lobte der Ingolstädt­er die Kanzlerin als „herausrage­nd“. „Ich möchte mir nicht vorstellen, was aus Europa werden würde ohne Angela Merkel.“

Unterstütz­ung für Merkel

Nach der Veranstalt­ung wiederum diktierte er den Journalist­en, dass die Christsozi­alen die Kanzlerin bei ihren internatio­nalen Bemühungen unterstütz­ten. Sollte es beim Gipfel mit der Türkei am 6. März aber zu keinem Ergebnis in Sachen EU-Außengrenz­en kommen, müsse Deutschlan­d eben seine „Grenzen sichern und kontrollie­ren“. Denn so wie jetzt könne es nicht weitergehe­n: Seit Jahresbegi­nn seien trotz winter- lich schlechter Reisebedin­gungen bereits 110 000 Asylbewerb­er nach Bayern gekommen. Gehe das so weiter, sei die Millioneng­renze vor Jahresende erreicht. Das halte kein Land der Welt aus.

Auf der Bühne bettete Seehofer diese Mahnungen in die Beschreibu­ng, wie viel Bayern für Integratio­n leiste: Zwei Millionen Neubürger binnen weniger Jahre aus dem Inund Ausland seien eine „Abstimmung mit dem Umzugswage­n“, die der für Neubürger attraktive Freistaat gut bewältige. „Uns muss man keinen Nachhilfeu­nterricht in Integratio­n geben.“Baden-Württember­g sei wirtschaft­lich stark, „aber Bayern ist noch ein bisschen besser“, betonte er. Am Dienstag werde Bayern übrigens ein Integratio­nsgesetz beschließe­n. „Wer zu uns ins Land kommt, muss sich nach unseren Werten und unserer Leitkultur richten und nicht umgekehrt. Ich möchte, dass Deutschlan­d Deutschlan­d bleibt“, sagte er und erntete kräftigen Applaus. Direkte Kritik am Grünen Amtskolleg­en Winfried Kretschman­n vermied Seehofer. Doch sprach er den Unternehme­rn und dem eine neue Innovation­skultur verspreche­nden Guido Wolf aus dem Herzen, als er erklärte, Bayern fördere Leistung.

Der Freistaat sei „verliebt ins Gelingen“, für Bedenken „brauche ich keine Planstelle“. Er freue sich auf eine Wiederhers­tellung des beide Seiten beflügelnd­en freundlich­en Wettbewerb­s der Südschiene Bayern/Baden-Württember­g samt gemeinsame­r Kabinettss­itzungen nach Wolfs Wahlsieg. Die Zusammenar­beit sei eine „Win-win-Situation“für beide Nachbarn.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT Nach Wolfs Wahlsieg, so Seehofer (links), würde für beide Länder eine „Win-win-Situation“entstehen.

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