Schwäbische Zeitung (Biberach)
Siegen lernen mit Seehofer
Bayerns Ministerpräsident gibt im Südwesten Tipps für Wirtschaft und Wahlkampf
- Bayern hängt BadenWürttemberg in Sachen Wirtschaftspolitik ab. Dieses Gefühl treibt den baden-württembergischen CDUWirtschaftsrat nach Aussage seines Landeschefs Joachim Rudolf um. Und so hat der mächtige CDU-nahe Lobbyverband den Ministerpräsidenten des Nachbarn zum Jahresempfang nach Fellbach eingeladen. Der soll vom bayerischen Erfolg erzählen und von den Chancen für die Wiederkehr der einst engen Südschiene beider Länder. Natürlich geht es an diesem Samstagnachmittag auch um Flüchtlinge und um den Wahlkampf im Südwesten.
FELLBACH
Wirtschaftsrat will Wolf
Der Wirtschaftsrat stellt sich klar hinter den anwesenden CDU-Kandidaten Guido Wolf. Das findet nicht jeder der 450 geladenen Gäste in der stilvollen Eventhalle „Goldbergwerk“des Gastronomieunternehmers Jörg Rauschenberger gut. Die Angst der Wirtschaft vor den Grünen hat sich nach fast fünf Jahren Kretschmann weitgehend verflüchtigt. Angesichts der aktuellen Umfragen zweifeln auch einige Anwesende, dass Wolf die Wahl noch gewinnt. Doch Rauschenberger und Rudolf geben sich drei Wochen vor der Wahl zuversichtlich: Rauschenberger begrüßt den CDU-Fraktionschef als „hoffentlich nächsten Ministerpräsidenten“.
Rudolf ergänzt mit Blick auf die aktuellen Koalitionsgedankenspiele: „Wir hoffen und wünschen uns, dass Sie der künftige Ministerpräsident werden, egal in welcher farblichen Zusammensetzung.“
Wolf durfte auch ein kurzes Grußwort halten und für eine neue Gründerkultur und eine Rückkehr zur bayerisch-baden-württembergischen Südschiene werben, doch der große Auftritt des Nachmittags gebührte Seehofer. Etwas mehr als eine Stunde lang sprach der Ministerpräsident des Freistaats und wirkte dabei so nachdenklich, differenziert und humorig, dass einige seinen Ruf als Störenfried in der Berliner Koalition gar nicht verstehen konnten. „Ich fand ihn sehr überzeugend“, sagte beispielsweise Claudia Hofmann. Die Chefin eines Waiblinger Oberflächenveredlers erlebte einen ganz anderen Seehofer als im Fernsehen: gedämpft, tiefgründig, offenherzig. So sprach Seehofer auf der Bühne davon, wie gut sein Verhältnis zur CDU-Kanzlerin Angela Merkel und wie klein die Unterschiede insbesondere in Sachen Flüchtlingskrise seien. Wie bereits auf dem CDU-Bundesparteitag vor einigen Wochen lobte der Ingolstädter die Kanzlerin als „herausragend“. „Ich möchte mir nicht vorstellen, was aus Europa werden würde ohne Angela Merkel.“
Unterstützung für Merkel
Nach der Veranstaltung wiederum diktierte er den Journalisten, dass die Christsozialen die Kanzlerin bei ihren internationalen Bemühungen unterstützten. Sollte es beim Gipfel mit der Türkei am 6. März aber zu keinem Ergebnis in Sachen EU-Außengrenzen kommen, müsse Deutschland eben seine „Grenzen sichern und kontrollieren“. Denn so wie jetzt könne es nicht weitergehen: Seit Jahresbeginn seien trotz winter- lich schlechter Reisebedingungen bereits 110 000 Asylbewerber nach Bayern gekommen. Gehe das so weiter, sei die Millionengrenze vor Jahresende erreicht. Das halte kein Land der Welt aus.
Auf der Bühne bettete Seehofer diese Mahnungen in die Beschreibung, wie viel Bayern für Integration leiste: Zwei Millionen Neubürger binnen weniger Jahre aus dem Inund Ausland seien eine „Abstimmung mit dem Umzugswagen“, die der für Neubürger attraktive Freistaat gut bewältige. „Uns muss man keinen Nachhilfeunterricht in Integration geben.“Baden-Württemberg sei wirtschaftlich stark, „aber Bayern ist noch ein bisschen besser“, betonte er. Am Dienstag werde Bayern übrigens ein Integrationsgesetz beschließen. „Wer zu uns ins Land kommt, muss sich nach unseren Werten und unserer Leitkultur richten und nicht umgekehrt. Ich möchte, dass Deutschland Deutschland bleibt“, sagte er und erntete kräftigen Applaus. Direkte Kritik am Grünen Amtskollegen Winfried Kretschmann vermied Seehofer. Doch sprach er den Unternehmern und dem eine neue Innovationskultur versprechenden Guido Wolf aus dem Herzen, als er erklärte, Bayern fördere Leistung.
Der Freistaat sei „verliebt ins Gelingen“, für Bedenken „brauche ich keine Planstelle“. Er freue sich auf eine Wiederherstellung des beide Seiten beflügelnden freundlichen Wettbewerbs der Südschiene Bayern/Baden-Württemberg samt gemeinsamer Kabinettssitzungen nach Wolfs Wahlsieg. Die Zusammenarbeit sei eine „Win-win-Situation“für beide Nachbarn.