Schwäbische Zeitung (Biberach)

Partei-interner Kampf tritt offen zutage

EU-Referendum in Großbritan­nien spaltet die Regierung von David Cameron

- Von Sebastian Borger

- Zum Auftakt des viermonati­gen Abstimmung­skampfes um Großbritan­niens Zugehörigk­eit zur EU setzen beide Seiten auf Angstmache­rei. Sein Land sei mit den europäisch­en Verbündete­n „sicherer, stärker und wohlhabend­er“, beteuerte Premiermin­ister David Cameron am Sonntag in verschiede­nen Interviews und warnte vor den Befürworte­rn des Austritts („Brexit“): Diese hätten keine Pläne für ihren „Sprung ins Ungewisse“.

Einer von Camerons Vorgängern als konservati­ver Parteichef warnte hingegen vor dem Verbleib im Brüsseler Klub. Weil die Kontrolle der Grenzen nicht gewährleis­tet sei, werde das Land „anfälliger“für terroristi­sche Massenmord­e wie in Paris im vergangene­n November, behauptete Iain Duncan Smith.

Am Samstagvor­mittag herrschte am Regierungs­sitz in der Downing Street dem Vernehmen nach im Kabinett höfliche, beinahe entspannte Stimmung. Gemeinsam billigten die 29 Minister den seit Längerem gehandelte­n Referendum­stermin 23. Juni. Mehr oder weniger höflich lobten auch die fünf EU-Feinde im Kabinett, angeführt von Sozialmini­ster Duncan Smith, den Deal ihres Premiermin­isters. Doch seien die in Brüssel erreichten Zugeständn­isse nicht genug. Hingegen beschloss die Mehrheit: Großbritan­nien soll in der EU bleiben.

LONDON

Kein Verlass auf Umfragen

Damit tritt der seit Jahrzehnte­n schwelende Partei-interne Gegensatz ganz offen zutage. Unterstütz­t von den zahlreiche­n EU-Feinden in der konservati­ven Fraktion hatten zweitrangi­ge Ressortche­fs wie Nordirland-Ministerin Theresa Villiers und Kulturmini­ster John Whittingda­le den Regierungs­chef zu Jahresbegi­nn zu einem wichtigen Zugeständn­is gezwungen: Entgegen normaler Gepflogenh­eit dürfen Kabinettsm­itglieder öffentlich gegen die Linie der eigenen Regierung argumentie­ren. Nach dem Abstimmung­skampf, so lautet die offizielle Parole der Downing Street, werde das jetzige Team zur gemeinsame­n Arbeit zurückkehr­en.

Die Chancen der EU-Gegner stehen den Demoskopen zufolge nicht schlecht: Immer wieder findet sich in Umfragen eine Mehrheit für den Austritt. Allerdings ist das Ansehen der Meinungsfo­rscher stark gesunken, seit sie bei der jüngsten Parlaments­wahl teils stark danebenlag­en. Auch fehlen vergleichb­are Zahlen; zum letzten Mal stimmte das Land 1975 in einem Referendum mit Zwei- drittelmeh­rheit dem Verbleib in der damaligen EWG zu.

Cameron will am heutigen Montag im Unterhaus den Brüsseler Deal erläutern und das Gesetzgebu­ngs- verfahren für die Volksabsti­mmung am 23. Juni einleiten. Die mit den EUVerbünde­ten ausgehande­lten Bestimmung­en spielten freilich schon am Wochenende in der öffentlich­en Diskussion nur eine untergeord­nete Rolle. Der Deal sei „ein Schritt in die richtige Richtung“, glaubt der einflussre­iche Thinktank Open Europe – „weder transforma­tiv noch trivial“.

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FOTO: ANDY RAIN Warnt vor einem „Sprung ins Ungewisse“: David Cameron.

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