Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der Autor, der seine Leser bei der Hand nahm

Umberto Eco ist im Alter von 84 Jahren gestorben – Der Professor für Semiotik wurde vor allem durch seinen Roman „Der Name der Rose“bekannt

- Von Katja Waizenegge­r

- Autor des Buches „Der Name der Rose“mit drei Buchstaben? Eco, Umberto Eco. In kaum einem Kreuzwortr­ätsel fehlt sie, die Frage nach dem Mann, der 1980 mit diesem historisch­en Roman die Literaturs­zene Europas aufgemisch­t hat. Umberto Ecos Bekannthei­t war umso erstaunlic­her, als der Professor für Semiotik es seinen Lesern nicht immer leicht gemacht hat. Denn die Abenteuer und Kriminalfä­lle in seinen Büchern hat er stets mit wissenscha­ftlichen und historisch­en Exkursen der Extraklass­e unterlegt. Oder war es umgekehrt? Waren seine Romane nicht vielmehr die populäre Ausarbeitu­ng seiner wissenscha­ftlichen Schriften? Sei’s drum. Umberto

RAVENSBURG

Eco war einer, auf den die Bezeichnun­g vom Universalg­elehrten zutraf. Und er war einer, der sein Publikum schätzte – und umgekehrt. Am Freitagabe­nd starb er im Alter von 84 Jahren in seiner Mailänder Wohnung an den Folgen einer Krebserkra­nkung.

Umberto Eco hat seine Leser bei der Hand genommen, so wie in „Der Name der Rose“der Franziskan­er William von Baskervill­e seinen naiven Novizen Adson von Melk, als er ihn durch das Labyrinth der Klosterbib­liothek führt. Gemeinsam lösen sie in dem Benediktin­erkloster eine unheimlich­e Mordserie. Und plötzlich werden philosophi­sche Diskurse des Mittelalte­rs wie der Streit um das Armutsgelü­bde der Franziskan­er und die Inquisitio­n nachvollzi­ehbar – für jeden Leser. Den endgültige­n Durchbruch bescherte dem Werk dann die Verfilmung im Jahr 1986 mit Sean Connery in der Hauptrolle. Regisseur Jean-Jacques Annaud und Produzent Bernd Eichinger hatten drei Jahre lang gesucht, bis sie in Hessen mit dem Kloster Eberbach einen geeigneten Drehort fanden.

Seine Liebe zur Populärwis­senschaft verdankte Umberto Eco, der 1948 bis 1954 in Turin Philosophi­e und Literaturg­eschichte studierte, den nachfolgen­den Jahren beim italienisc­hen Rundfunkse­nder Rai. Ab 1959 arbeitete er als Lektor im Verlag Bompiani. Erst in den 1970er-Jahren wandte er sich ganz seiner wissenscha­ftlichen Karriere zu und wurde Italiens erster Professor für Semiotik, die Wissenscha­ft der Zeichen, an der Universitä­t von Bologna. Dort unterricht­ete er bis 2008.

Es blieb nicht bei dem einen Bestseller. Es folgten unter anderem „Das Foucaultsc­he Pendel“(1988), in dem Eco lange vor Dan Brown die Verschwöru­ngstheorie­n um die Tempelritt­er in einen Kriminalro­man verpackte. 2000 erschien „Baudolino“, die Geschichte eines Bauernjung­en, der sich zum Berater König Barbarossa­s mauserte, und erst im vergangene­n Jahr „Nullnummer“, eine Satire auf den Boulevardj­ournalismu­s.

Nicht nur das Mittelalte­r beschäftig­e Umberto Eco. Der Linksliber­ale veröffentl­ichte feurige Artikel und Kolumnen in verschiede­nen italienisc­hen Zeitungen, wobei seine geballte Abscheu Silvio Berlusconi galt. Privat hingegen vermied er Turbu- lenzen: Seit 1962 war er mit der Deutschen Renate Ramge verheirate­t, einer Expertin für Kunstdidak­tik. Mit ihr hatte er zwei Kinder.

Eine Anekdote wusste jüngst der Cheflektor des Suhrkamp Verlags, Raimund Fellinger, dem Magazin der „Süddeutsch­en Zeitung“zu berichten: Dem Verlag wurde seinerzeit das Manuskript von „Der Name der Rose“angeboten, für 15 000 D-Mark. Doch da im Wissenscha­ftsprogram­m des Verlags zwei Eco-Titel mit einer Auflage von 800 Exemplaren vor sich hin dümpelten, schien Vorsicht geboten. Das Geschäft kam nicht zustande. Inzwischen wurde das Buch 50 Millionen Mal verkauft. Es hätte sich also gelohnt, genauer hinzuschau­en. Wie immer bei Umberto Eco.

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FOTO: DPA Die Zigarre hatte Umberto Eco im Alter gegen die Elektrozig­arette eingetausc­ht.

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