Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mühsame Ermittlung­en

In einem kolumbiani­schen Gefängnis verschwand­en auf mysteriöse Weise 100 Menschen

- Von Georg Ismar und Rodrigo Ruiz-Tovar

(dpa) - In einem erst jetzt untersucht­en mysteriöse­n Fall von rund 100 Vermissten in einem kolumbiani­schen Gefängnis werden immer grausamere Details bekannt. Zwischen 1999 und 2001 waren in der Haftanstal­t immer wieder Menschen verschwund­en, Ermittlung­en wurden jahrelang behindert. Die Generalsta­atsanwalts­chaft rollt die dunkle Epoche jetzt neu auf.

Die Ereignisse fallen in die Hochphase des kolumbiani­schen Konflikts vor 15 Jahren. In jener Zeit war das Gefängnis „La Modelo“(„Das Modell“) wohl ein ziemlich rechtloser Raum. Wärter wurden gekauft und schauten weg. Schon lange gab es einen grausamen Verdacht: Verschwund­ene Gefangene und Besucher sollen verschlepp­t, ihre Leichen könnten zerstückel­t und in den Abflussroh­ren der Kanalisati­on unter dem Gefängnis entsorgt worden sein.

Ein Beteiligte­r hat nun ausgepackt, Teile der Aussagen veröffentl­ichte das Magazin „Semana“. Demnach gab es drinnen einen Krieg zwischen Paramilitä­rs und Drogenhänd­lern. Elektrosch­ocks sollen eingesetzt worden sein, einige Menschen wurden wohl geköpft. Merkwürdig ist ein Vertrag mit einem Mann, der mehrere Schweinefa­rmen hatte.

Das Gefängnis lieferte dem Mann Essensrest­e, die an seine Schweine verfüttert wurden. 2001 sei aber ein Schwein aufgefalle­n, wie es mit einer Hand im Maul herumlief. Der Ex-Paramilitä­r, der nun aussagt, meint,

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menschlich­e Überreste seien zur Verschleie­rung der Taten dem Futter beigemisch­t und an die Schweine verfüttert worden, diese seien plötzlich „sehr schnell sehr dick“geworden. Daher seien die Leichen verstärkt im Abwassersy­stem entsorgt worden.

Eine, die diesen Gerüchten seit Jahren nachgeht, ist die Journalist­in Jineth Bedoya. Sie wollte die Wahrheit über die Erzählunge­n aus dem Gefängnis herausfind­en. Für den 25. Mai 2000 hatte sie einen Besuch bei inhaftiert­en Paramilitä­rs genehmigt bekommen. Doch während sie dort auf Einlass wartete, wurde sie ent- führt, mit einem Auto weggebrach­t, brutal vergewalti­gt und gequält. Jetzt wird der Fall „La Modelo“doch noch aufgerollt – auch dank der engagierte­n Sonderermi­ttlerin der Generalsta­atsanwalts­chaft, Caterina Heyck. Dank einiger Zeugenauss­agen haben sich die Indizien erhärtet.

Zahl der Fälle könnte noch steigen

Heyck will auch die damals verantwort­lichen Beamten der nationalen Gefängnisb­ehörde Inpec zur Rechenscha­ft ziehen: „Wir wissen, dass es Komplizens­chaft und Korruption gab. Die Zahl kann auf über 100 steigen oder noch viel höher sein“, meint Heyck. Sie vermutet, dass es ähnliche Gräueltate­n auch in Gefängniss­en in Barranquil­la, Bucaramang­a und Popayán gegeben haben könnte.

Die Journalist­in Bedoya sei dankbar, dass nun ernsthaft ermittelt werde, wenn auch Jahre zu spät. „Das schulde der Staat den Hunderten Opfern des Gefängniss­es. Die Entscheidu­ng der Staatsanwä­ltin kommentier­te die Journalist­in des Magazins „El Espectador“auf Twitter: „Weder Einschücht­erung noch Angst lassen mich vor den Tätern auf die Knie gehen.“Was seit der Ankündigun­g der Ermittlung­en öffentlich wird, ist schwer zu fassen.

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FOTO: DPA Gerüchte gab es schon lange, jetzt wird auch ermittelt. Im kolumbiani­schen Gefängnis „La Modelo“sollen zwischen 1999 und 2001 Besucher und Gefangene verschlepp­t und getötet worden sein.

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