Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mühsame Ermittlungen
In einem kolumbianischen Gefängnis verschwanden auf mysteriöse Weise 100 Menschen
(dpa) - In einem erst jetzt untersuchten mysteriösen Fall von rund 100 Vermissten in einem kolumbianischen Gefängnis werden immer grausamere Details bekannt. Zwischen 1999 und 2001 waren in der Haftanstalt immer wieder Menschen verschwunden, Ermittlungen wurden jahrelang behindert. Die Generalstaatsanwaltschaft rollt die dunkle Epoche jetzt neu auf.
Die Ereignisse fallen in die Hochphase des kolumbianischen Konflikts vor 15 Jahren. In jener Zeit war das Gefängnis „La Modelo“(„Das Modell“) wohl ein ziemlich rechtloser Raum. Wärter wurden gekauft und schauten weg. Schon lange gab es einen grausamen Verdacht: Verschwundene Gefangene und Besucher sollen verschleppt, ihre Leichen könnten zerstückelt und in den Abflussrohren der Kanalisation unter dem Gefängnis entsorgt worden sein.
Ein Beteiligter hat nun ausgepackt, Teile der Aussagen veröffentlichte das Magazin „Semana“. Demnach gab es drinnen einen Krieg zwischen Paramilitärs und Drogenhändlern. Elektroschocks sollen eingesetzt worden sein, einige Menschen wurden wohl geköpft. Merkwürdig ist ein Vertrag mit einem Mann, der mehrere Schweinefarmen hatte.
Das Gefängnis lieferte dem Mann Essensreste, die an seine Schweine verfüttert wurden. 2001 sei aber ein Schwein aufgefallen, wie es mit einer Hand im Maul herumlief. Der Ex-Paramilitär, der nun aussagt, meint,
BOGOTÁ
menschliche Überreste seien zur Verschleierung der Taten dem Futter beigemischt und an die Schweine verfüttert worden, diese seien plötzlich „sehr schnell sehr dick“geworden. Daher seien die Leichen verstärkt im Abwassersystem entsorgt worden.
Eine, die diesen Gerüchten seit Jahren nachgeht, ist die Journalistin Jineth Bedoya. Sie wollte die Wahrheit über die Erzählungen aus dem Gefängnis herausfinden. Für den 25. Mai 2000 hatte sie einen Besuch bei inhaftierten Paramilitärs genehmigt bekommen. Doch während sie dort auf Einlass wartete, wurde sie ent- führt, mit einem Auto weggebracht, brutal vergewaltigt und gequält. Jetzt wird der Fall „La Modelo“doch noch aufgerollt – auch dank der engagierten Sonderermittlerin der Generalstaatsanwaltschaft, Caterina Heyck. Dank einiger Zeugenaussagen haben sich die Indizien erhärtet.
Zahl der Fälle könnte noch steigen
Heyck will auch die damals verantwortlichen Beamten der nationalen Gefängnisbehörde Inpec zur Rechenschaft ziehen: „Wir wissen, dass es Komplizenschaft und Korruption gab. Die Zahl kann auf über 100 steigen oder noch viel höher sein“, meint Heyck. Sie vermutet, dass es ähnliche Gräueltaten auch in Gefängnissen in Barranquilla, Bucaramanga und Popayán gegeben haben könnte.
Die Journalistin Bedoya sei dankbar, dass nun ernsthaft ermittelt werde, wenn auch Jahre zu spät. „Das schulde der Staat den Hunderten Opfern des Gefängnisses. Die Entscheidung der Staatsanwältin kommentierte die Journalistin des Magazins „El Espectador“auf Twitter: „Weder Einschüchterung noch Angst lassen mich vor den Tätern auf die Knie gehen.“Was seit der Ankündigung der Ermittlungen öffentlich wird, ist schwer zu fassen.