Schwäbische Zeitung (Biberach)
Rumpelschmidtchen und Rudi Wüterich
Es ist an der Zeit, eine Lanze zu brechen – für die Werksklubs und ihre Angestellten oder Mäzene! Zu wenig Emotionen, zu wenig Bindung zum Klub – diese Vorwürfe müssen sich Vereine wie die TSG Hoffenheim oder Bayer Leverkusen samt all ihrer Angestellten von jeher gefallen lassen. Und nun das! „Schmidt-Gate“nennt der Sportinformationsdienst den Eklat vom Sonntagsspiel der Werkself gegen Dortmund. Tatsächlich ließ der Auftritt von Bayers Trainer alle anderen Aspekte des mit 0:1 verlorenen Spiels zu Belanglosigkeiten schrumpfen. Der gute Mann war derart in Rage, dass ihn wohl auch das komplette Beruhigungsmittelsortiment des geldgebenden Konzerns nicht hätte beruhigen können, Referee der ohne chemische Hilfsmittel auskommen musste, schon gar nicht.
Roger Schmidt
bameyang
Sven Bender
Felix Zwayer,
Was also war passiert? BVB-Ausnahmestürmer
hatte in Minute 64 ein Tor erzielt. Darüber kann man sich als Bayer-Trainer schon mal ärgern, doch Schmidt passte vor allem nicht, was direkt davor passiert war: Leverkusens Stürmer hatte Dortmunds Spielaufbau mit einem Foul an unterbrochen, die Gäste jedoch führten den fälligen
Pierre-Emerick Au-
Stefan Kießling
Freistoß schnell und – jedenfalls nach Ansicht der Bayer-Entourage – drei, vier Meter zu weit vorne aus. Ein geradezu lächerliches Vergehen, doch Schmidt tobte an der Seitenlinie wie einst der unbezähmbare 1860-Coach In der Wortwahl allerdings blieb Schmidt moderat und sagte: „Das war irregulär!“Lorant hätte wohl klarere Worte parat gehabt. So weit, so amüsant.
Werner Lorant.
Referee Zwayer schickte Rumpelschmidtchen daraufhin – zurecht – auf die Tribüne, das heißt: er versuchte es zumindest. Denn der Mann im blauen Sakko schimpfte weiter, er haderte, er verlangte eine Erklärung und weigerte sich, den Innenraum zu verlassen. Zwayer schickte auch noch Bayer-Kapitän Kießling, um die Botschaft zu überbringen, doch Schmidt blieb stur. Nun wurde es skurril: Der Unparteiische sah sich gezwungen, das Spiel zu unterbrechen. Das war ungefähr so, als würde eine Mutter ihr Kind im Schlafanzug zur Schule schicken, weil es keine Lust hat sich anzuziehen. „Da meinen Anweisungen nicht Folge geleistet wurde, blieb mir keine andere Wahl“, meinte Zwayer und erklärte, „weisungsgemäß gehandelt“zu haben. Neun Minuten ruhte der Ball. Alle anderen drehten am Rad.
Als die Leverkusener Heimniederlage besiegelt war, schlug die Stunde des einzig wahren Wüterichs:
Während sich Schmidt nach dem Abpfiff teileinsichtig zeigte („Ich bin zu stur gewesen, aber der Schiedsrichter muss mehr Gespür haben“), drehte Leverkusens Sportdirektor wieder einmal richtig auf – am Mikrofon beim TV-Sender Sky. „Das Spiel zu unterbrechen und eine solche Hektik hineinzubringen, ist völlig unnötig. Ich verlange von Herrn Zwayer, dass er unserem Trainer das erklärt, egal, ob das in der Regel steht oder nicht. Wenn es anders im Regelwerk steht, dann haben wir wieder etwas dazugelernt. Die Spieler in die Kabine zu schicken, solch eine Nummer daraus zu machen, als sei etwas ganz Furchtbares passiert, ist völlig übertrieben.“Der Zorn blubberte nur so aus ihm heraus. Völler warf Zwayer sogar vor, er habe Bayer nach der Spielfortsetzung gezielt benachteiligt. „Er hat sich ja revanchiert! Deshalb hat er den Elfmeter nicht gepfiffen“, brüllte er ins Mi-
Völler.
Rudi
Hellmann. mann mar Hopp
Sebastian
krofon von Moderator
„Es war nämlich ein tausendprozentiger Elfmeter.“Damit meinte er eine Szene aus Minute 71, als Dortmunds den Ball mit der Hand gespielt hatte.
Sokaratis
Über den trotzigen Schmidt wollte sich Völler nicht aufregen. Zu Hellmann sagte er: „Was haben Sie eigentlich mit dem Roger Schmidt? Es ist doch viel wichtiger, dass er keinen Elfmeter gepfiffen hat! Oder finden Sie nicht? Was meinen Sie? Wer hat uns denn mehr geschadet, der Roger Schmidt oder der Schiedsrichter? Vielleicht hat er den Fehler gemacht, nicht hochzugehen. Aber das muss man jetzt doch nicht so aufpumpen, die Nummer. Man muss die Mannschaften doch nicht reinschicken. Geh doch hin und sag: Herr Schmidt, Sie müssen auf die Tribüne, weil Sie zu laut waren beim vierten Offiziellen. Warum hat er das nicht gemacht?“Das sind Fragen, die nun das DFB-Sportgericht klären muss.
Eigentlich sollten hier auch noch der junge Trainer samt seines Förderers
gelobt werden. Aber allzu viele Zeilen bleiben für Hoffenheim nicht mehr. Der TSG hat der 28-Jährige eine erfrischend offensive Grundordnung verordnet. Und nach dem am Ende erzitterten 3:2 gegen Mainz (Nagelsmann: „Ich habe 7000mal auf die Uhr geschaut“) gratulierte sogar Hopp in der Kabine. Das war auch emotional, aber im Vergleich zu Bayer? Ein netter Kindergeburtstag.
Julian Nagels
Diet-