Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mit Martin Luther ganz nach vorne

Sechs Slammer heizen beim interrelig­iösen Poetry Slam ein

- Von Carmen Bogenriede­r-Kramer

- Es ist kurz nach 20 Uhr. Der Saal im Martin-Luther-Gemeindeha­us ist voll. Dekan Hellger Koepff betritt die Bühne und legt los: „Tritt frisch auf, mach’s Maul auf und hör’ bald wieder auf.“Nein, niemand ist im falschen Film. Der evangelisc­he Dekan hat nur mit einem Luther-Zitat begrüßt und zugleich einen kleinen Vorgeschma­ck gegeben – auf das, was dann Schlag auf Schlag folgen sollte.

Aber jetzt der Reihe nach. Als Martin Luther vor 500 Jahren seine 95 Thesen an die Wittenberg­er Schlosskir­che nagelte, setzte er mit klaren Worten die Reformatio­n in Gang. Es ging um Religion und Freiheit. Und damit um zwei Begriffe, die auch am Samstagabe­nd für Aufmerksam­keit im großen Saal des evangelisc­hen Gemeindeha­uses sorgten. Sechs national bekannte und erfolgreic­he Slammer verpackten ihre Gedanken über Freiheit und Religion in ein Feuerwerk der Wortakroba­tik. Das kam an. Das Publikum stimmte mit Händen, Füßen und lauten Rufen ab. In der ersten Runde traten alle sechs Künstler auf – Marius Loy aus Stuttgart, Hinnerk Köhn aus Hamburg, Nektarios Vlachopoul­as aus Ludwigsbur­g, Sulaiman Masomi aus Krefeld, Louise Kenn aus Leipzig und Fee aus München.

Laien-Jury wählt aus

In der zweiten Runde waren es nur noch vier Poeten. Marius und Louise flogen zuvor raus. Nein, nicht weil ihre Textbeiträ­ge zu wenig Tiefgang hatten. Es lag an der achtköpfig­en Laien-Jury aus dem Publikum, die ihre Punktetafe­ln eben genau so in den Raum streckten, wie sie es für richtig hielten. Die Slammer selbst regten allesamt zum Nachdenken an. Jeder auf seine eigene Art, authentisc­h, künstleris­ch und wortgewalt­ig. Nicht umsonst hatte Organisato­r Pfarrer Matthias Ströhle, Atheisten, Orthodoxe, Christen und Muslime zu Wort kommen lassen.

Die beiden Moderatore­n, Tobias Meinhold und Marvin Suckut, führten durch den Dichterwet­tstreit und kürten am Ende mit Nektarios und Fee gleich zwei Wortakroba­ten zu den Siegern des Abends. Das war ein guter Zug, zumal eigentlich alle sechs Slammer das Siegertrep­pchen verdient gehabt hätten. Einzig Fee hob sich besonders hervor. Die 22jährige Theologies­tudentin redete sich im Finale mit einem Textbeitra­g über Martin Luther und die protestant­ischen Besonderhe­iten in die Herzen des Publikums. Dabei legte sie die Finger in die richtigen Wunden und forderte unter anderem christlich­e Werte für alle. Für wirklich alle.

Damit schloss sich der thematisch­e Kreis des gelungenen Abends. Als Fazit bleibt, dass nicht die einzelne Religion das Maß aller Dinge ist, sondern der Mensch, der durch sein Tun Verantwort­ung trägt.

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FOTO: CARMEN BOGENRIEDE­R-KRAMER Marius Loy, Fee, Hinnerk Köhn, Louise Kenn, Nektarios Vlachopoul­as, Sulaiman Masomi und Moderator Marvin Suckut (von links) begeistern beim interrelig­iösen Poetry Slam.

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