Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Ich kann doch noch die Kurve kriegen“
Heggbacher Werkstattverbund unterstützt suchtkranke Langzeitarbeitslose – Kooperation mit Caritas in Biberach
- Das Berufliche Bildungszentrum (BBZ) des Heggbacher Werkstattverbunds unterstützt seit einem Jahr Langzeitarbeitslose mit Suchterkrankung in einem Projekt zur beruflichen Wiedereingliederung. „NaWiSu“(nachhaltige Wiedereingliederung suchtkranker Menschen) wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes BadenWürttemberg gefördert.
Das BBZ mit Sitz in Laupheim arbeitet bei NaWiSu mit der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas Biberach-Saulgau zusammen. Ziel ist es, dass die derzeit zwölf Teilnehmer trotz einer bestehenden Abhängigkeit wieder eine Arbeit aufnehmen können.
Menschen wie Elvira K. (Name von der Redaktion geändert) zum Beispiel. Die gepflegte, zierliche Frau hat eine lange Drogenkarriere hinter sich. Groß geworden ist sie in einer Adoptivfamilie in Ulm, ihre leibliche Mutter will bis heute keinen Kontakt mit ihr. Mit 13 begann sie zu rauchen, mit 14 Alkohol zu trinken, mit 16 kamen weitere Drogen dazu. „Heroin, Kokain, Ecstasy – ich habe so gut wie alles durch“, erzählt die 40-Jährige, während sie auf die anderen Teilnehmer wartet. NaWiSu findet wochentags von 8.30 bis 14.30 Uhr statt, ein halber Tag in der Woche ist während der acht Monate im Kurs für Freizeitaktivitäten reserviert.
Elvira K. sieht in NaWiSu eine echte Chance. Sie lebte monatelang auf der Straße, kam ins Gefängnis und stand bei der Entlassung vor der Frage „Wo geht’s hin?“Seit Januar hat sie eine eigene Wohnung in Biberach: „Das ist das erste Mal, dass ich wirklich selbstständig lebe. Ein unglaubliches Gefühl.“Sie kommt gerne zum Kurs: „Die Dozenten motivieren uns sehr. Wir lernen, am Computer zu arbeiten, schauen, wo unsere Stärken liegen. Für mich ist dieser Kurs wahnsinnig wichtig. Ich weiß, ich kann jetzt doch noch die Kurve kriegen.“
Eine der Dozentinnen ist Petra Jung, Sozial-, Job- und Bildungscoach des Heggbacher Werkstattverbunds. „Die Männer und Frauen hier bringen alle ihre eigene Geschichte mit, die erklärt, warum sie in dieser Gesellschaft eher Außenseiter sind“, sagt Jung. „Sie dabei zu unterstützen, sich wieder ihrer Stärken, Kenntnisse und Fertigkeiten bewusst zu werden und sich weiterzuentwickeln, ist unser Ansporn.“
Die Kursteilnehmer lernen wieder aktiv zu sein, durch Werkunterricht und das Reparieren von Fahrrädern mit engagierter Unterstützung der Firma Rad-Zipfel-Service in Biberach. Sie trainieren ihre sozialen Kompetenzen. Sie gestalten eine Bewerbungsmappe. Bei Gruppenaktivitäten geht es zudem um das Sozialverhalten. Ein Einzel-Jobcoaching ist zentraler Bestandteil der Maßnahme.
Abstinenz ist keine Voraussetzung
Das Besondere an diesem Projekt: Abstinenz ist keine Voraussetzung. Die Probleme sind vielfältig: Drogen und nicht stoffgebundenes Suchtverhalten wie Spielsucht erschweren die Kursteilnahme. Es gibt Krankheitsphasen, manche brechen ab – aber die Maßnahme kann eben auch in einer Übernahme in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung enden.
Darauf hofft auch Elvira K. Sie würde gerne in der Altenpflege arbeiten und möchte dafür ein Praktikum machen. Ein weiteres großes Ziel ist es, dass ihre Kinder mit Zustimmung des Jugendamts zu Besuch kommen und bei ihr übernachten dürfen. Dafür richtet sie ihre Zweizimmerwohnung liebevoll her und arbeitet hart an sich. Sie hat gelernt zu sagen: „Bitte hilf mir.“