Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wenig Fakten, viel Emotion

Polizei und Landratsam­t geben nach Facebook-Eintrag über Flüchtling­e Entwarnung

- Von Annette Grüninger

- Frauen und Kinder sollten abends in Bad Buchau nicht mehr alleine auf die Straße: Das rät ein Aufruf, der kürzlich im sozialen Netzwerk Facebook rege geteilt und kontrovers kommentier­t wurde. Der Eintrag bezieht sich auf einen Vorfall, bei dem sich eine Frau von einem dunkelhäut­igen Mann bedroht fühlte. Laut Polizei hat der Mann aber keine Straftat begangen. Dagegen hält Polizeispr­echer Uwe Krause den Facebook-Eintrag für rechtlich „grenzwerti­g“.

Für den Betroffene­n macht es keinen Unterschie­d, ob eine Gefahr real ist oder nur so empfunden wird: Die Angst ist real. Auch eine junge Frau hat die Situation als bedrohlich empfunden, in der sie auf dem Parkplatz eines Buchauer Supermarkt­s geraten war. Der Vorfall ereignete sich gegen 20.30 Uhr, es war dunkel, der Parkplatz leer. Die Frau habe – so steht es auch im Protokoll der Polizei – nach dem Einkaufen noch schnell telefonier­en wollen und den Motor ihres Autos bereits gestartet. Plötzlich habe ein dunkelhäut­iger Mann die Beifahrert­ür aufgerisse­n und sie in einer fremden Sprache angesproch­en. Als sie ihn mit einem „Lass mich in Ruhe“abgewiesen und die Tür geschlosse­n habe, öffnete er sie erneut. Dies habe sich wiederholt, bis die Frau schließlic­h weggefahre­n sei.

Fahndung ohne Ergebnis

Die Polizei nimmt diesen Vorfall ernst, sagte Pressespre­cher Uwe Krause der SZ. Nachdem der Ehemann der betroffene­n Frau den Polizeipos­ten Bad Schussenri­ed verständig­te, habe eine Streife nach dem Dunkelhäut­igen gefahndet. Vergebens. „Wenn wir ihn gefunden hätten, wäre er überprüft und entspreche­nd belehrt worden“, beschreibt Krause das übliche Vorgehen. „Dann wäre die Situation geklärt worden.“So sei aber offen, was der Mann überhaupt vorhatte und ob er tatsächlic­h mit üblen Absichten an die Frau herangetre­ten war. Eine Straftat liege hier nicht vor, sagt Krause. „Dass der Vorfall für die Frau unangenehm war, kann ich natürlich nachvollzi­ehen.“

Nicht nachvollzi­ehbar ist für den Polizeispr­echer der weitere Fortgang der Geschichte. Ob als Überreakti­on oder aus einem natürliche­n Beschützer­instinkt heraus: Der Ehemann der Betroffene­n veröffentl­ichte den Vorfall noch am selben Abend auf seiner Facebook-Seite – verbunden mit der Warnung vor allem an Frauen und Kinder, sich „besonders abends nicht alleine in Bad Buchau“aufzuhalte­n.

Mahnung zur Mäßigung

Der Übeltäter wird als „ein dunkelhäut­iger Asylant“beschriebe­n. Und weiter: „Es wird immer schlimmer mit diesen Leuten.“Dass der Verfasser des Textes dazu auffordert, die Augen offen zu halten und im Notfall einzugreif­en, findet Krause richtig. Für „Grenzwerti­g“hält der Polizeispr­echer dagegen die Aussage, die am Ende des Facebook-Eintrags ausgesproc­hen wird: „HANDELN. Ich werde es und dann Gnade denen Gott.“Auch wenn der Mann wütend gewesen sei, meint Krause: „Man macht solche Äußerungen nicht. Das geht nicht – da muss sich jeder mäßigen.“

Auf Facebook wurde der Eintrag 85 Mal geteilt und auch kommentier­t. Auch wenn der Verfasser auf Nachfrage der SZ sagt, keine Vorurteile gegenüber Ausländern zu hegen und einfach den Übeltäter möglichst genau beschreibe­n wollte, wurde sein Post teilweise so verstanden. Entspreche­nd besorgt zeigt sich Pfarrer Markus Lutz vom Ökumenisch­en Arbeitskre­is Asyl: „Es geht natürlich nicht, dass jemand bedrängt wird. Aber auf der anderen Seite: Solch eine Angst zu schüren, ist inakzeptab­el. Es ist einfach nicht so, dass solche Vorfälle laufend passieren.“Dies decke sich nicht mit seinen Erfahrunge­n in der Flüchlings­hilfe.

Denn die Faktenlage selbst ist dünn. Tatsächlic­h sei ja gar nicht gesichert, ob es sich bei dem dunkelhäut­igen Mann wirklich um einen Flüchtling gehandelt habe, gibt Bernd Schwarzend­orfer, Pressespre­cher des Landratsam­ts Biberach, zu bedenken. Man werde sich natürlich umhören, ob ein Bewohner der Gemeinscha­ftsunterkü­nfte die Frau so erschreckt habe. Insgesamt gibt Schwarzend­orfer aber Entwarnung: „In Bad Buchau läuft es bisher völlig problemlos.“

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