Schwäbische Zeitung (Biberach)
Jeder für sich heißt die Lehre
Schuldzuweisungen und Nachdenken prägen in Berlin den Tag nach der Saarland-Wahl. Die Linken werfen nun der SPD und den Grünen vor, sie seien schuld an der Schlappe, weil sie sich im Vorfeld der Wahl nicht auf ein linkes Bündnis festgelegt haben. Die SPD überlegt genau anders herum, ob sie sich nicht schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt und deshalb verloren hat. Schließlich hat der SchulzEffekt, gekoppelt mit der Aussicht auf ein rot-rotes Bündnis, nicht nur die SPD mobilisiert, sondern auch die Wähler der Union. Das hatte die SPD nicht auf der Rechnung. Doch was tun? Keine linken Bündnisse mehr als Zukunftsvision zeichnen?
Die Grünen jedenfalls scheuen öffentliche strategische Überlegungen. Bis vor ein paar Wochen sah es so aus, als ob sie Königsmacher im Bund werden und entweder der Union oder Rot-Rot zum Sieg verhelfen könnten. Doch vielleicht wird so viel Offenheit von den eigentlich grünen Wählern auch als Beliebigkeit angesehen und abgestraft.
Fest steht bislang nur eines: Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat hat die Politikszene aufgemischt. Die hohe Wahlbeteiligung geht offensichtlich auf Kosten der AfD. Angela Merkel kann nach der Saarwahl eine Ruhepause vor ihren Kritikern genießen. All jene, die ihr ankreiden, nicht konservativ genug zu sein, widerlegt der klare Trend im Saarland, wo „Mini-Merkel“Kramp-Karrenbauer, ihre Schwester im Geiste, so viel Erfolg hat.
Sowohl Angela Merkel als auch Martin Schulz wissen, dass der Wahlkampf gerade erst beginnt. Auch die Jamaika-Koalition, Schwarz-Grün-Gelb, könnte nach der NRW-Wahl, wo der FDP gute Aussichten eingeräumt werden, wieder ins Blickfeld rücken.
Würden SPD und Grüne allein auf ein linkes Bündnis setzen, wäre dies ein Fehler: Sie könnten sich an der Seite der Union wiederfinden. So bleibt es richtig, dass jeder für sich kämpft und am Endeüber Koalitionen entschieden wird. Dasübrigens war der ursprüngliche Kurs von Martin Schulz. Gut möglich, dass es jetzt dahin zurückgeht.