Schwäbische Zeitung (Biberach)
Gemeinsam Kirche sein
Ökumenischer Abend beschäftigt sich mit der Reformation – Kirchen geben Selbstverpflichtungserklärung ab
- „Über Kreuz“– so lautet der Titel des Themenjahrs 2017, in dem die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg mit zahlreichen Veranstaltungen 500 Jahre Reformation feiern. Den Auftakt machte am Sonntag ein ökumenischer Abend in der Klosterkirche St. Georg in Ochsenhausen. Nach einer Einführung in die Bildwelt der Klosterkirche feierten evangelische und katholische Geistliche einen ökumenischen Gottesdienst, bei dem das bisher Erreichte in Sachen Ökumene gelobt, aber auch eine Weiterentwicklung und weitere Annäherung beider Konfessionen gefordert wurde.
Eingeladen hatten neben den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg die katholische Kirchengemeinde OchsenhausenErlenmoos, die evangelische Kirchengemeinde Ochsenhausen und der Arbeitskreis „Spurwechsel – junge Senioren in Ochsenhausen“. Max Herold, Bürgermeister a. D. und Mitglied von „Spurwechsel“, eröffnete den Abend, indem er Einblicke in die geschichtliche Entwicklung der ehemaligen Benediktiner-Reichsabtei und deren Stellung zu Zeiten der Reformation gab. Musikalisch unterstützt von Ulrich Werther an der Höß-Orgel. Ochsenhausen, so Herold, war bei der Reformation ein „Bollwerk“, vor allem wegen Abt Gerwig Blarer. Mit allen Kräften stemmte er sich gegen die Reformation – letztlich erfolgreich. Die Reformation im Klostergebiet wurde verhindert.
Dieser wichtige Eckpunkt in der Geschichte des Klosters Ochsenhausen wird wie viele andere, darunter die Grundsteinlegung der Kirche, in den prächtigen Deckenbildern der Klosterkirche St. Georg festgehalten. Max Herold gab eine kurze Einführung, erklärte, was die einzelnen Kunstwerke darstellen. Dies alles in der gebotenen Kürze. Er wolle, so Herold, den Zuhörern einen „Schlüssel“ geben, der es später ermögliche, sich „in Ruhe auf diesen Schatz einzulassen“. Teil dieses Schatzes ist das „zentrale Deckenfresko“, das mit dem Kreuzaltar korrespondiert und die Reformation widerspiegelt. Eine Gestalt mit Halskrause – ein Repräsentant der Reformation – wird vom Blitz getroffen, erläuterte Herold. Eine Demonstration mit malerischen Mitteln, wie der Weg der Protestanten seinerzeit in Ochsenhausen beurteilt wurde.
„Ein Plädoyer für die Ökumene“
Ulrich Werther leitete an der Orgel zum ökumenischen Gottesdienst über, der von zahlreichen evangelischen und katholischen Geistlichen zelebriert wurde. Darunter Pfarrer Jörg Schwarz, Dekan Hellger Koepff und Oberkirchenrat a. D. Heinrich Küenzlen von evangelischer sowie Dekan Sigmund F. J. Schänzle von katholischer Seite. Schänzle sagte bei der Begrüßung: „Wir wollen miteinander beten, aber auch deutlich machen, dass dieses Jubiläumsjahr nicht das persönliche Steckenpferd Einzelner von uns ist, sondern ein Plädoyer für die Ökumene sein soll.“Jörg Schwarz forderte die Teilnehmer des Gottesdienstes auf, sich auf das zu besinnen, „was die beiden Konfessionen eint“. Es gebe „vielfältige, unsichtbare ökumenische Bande“, die ein tragender Punkt für diesen Gottesdienst seien.
Dies bestätigte der ehemalige Oberkirchenrat Küenzlen, bevor er seine Predigt begann. „Ich habe das Gefühl, in Ochsenhausen und Umgebung ist die Ökumene teils weiter als in anderen Teilen des Landes“, lobte Küenzlen. In seiner Predigt blickte Küenzlen mehrmals auf Martin Luthers Wirken zurück und forderte eindringlich, den ökumenischen Gedanken weiter zu vertiefen. „Das ist unser gemeinsamer Weg, wir sind gemeinsam Kirche.“Es gebe kein „wir Katholischen“und „wir Evangelischen“: „Wir glauben gemeinsam.“Küenzlen räumte aber ein, dass auch er dies als evangelischer Christ und Theologe erst habe lernen müssen.
Eines der Schlagworte in Küenzlens Predigt war „Ökumene jetzt“. Der Oberkirchenrat a. D. betonte, dass ein Anfang gemacht sei und wiederholte sein einführendes Lob. „Wir sind hier in Ochsenhausen schon weit, machen Sie so weiter.“ 500 Jahre nach der Reformation sei es nun geboten, „die geistliche Einheit sichtbar Gestalt werden zu lassen“. Denn es sei offensichtlich, dass evangelische und katholische Christen „deutlich mehr verbindet als unterscheidet“. Küenzlen forderte konkrete Schritte „auf allen Ebenen“. Er finde es „sehr schade“, dass katholische Pfarrer nicht heiraten dürfen oder es in der katholischen Kirche keine Pfarrerinnen gibt. Aber zunächst müsse jeder auf sich selbst schauen. „Wenn jeder auf den anderen wartet, entwickelt sich gar nichts.“
Küenzlen nannte einige neue Wege, die die Konfessionen beschreiten könnten: gemeinsamer Religionsunterricht, gemeinsame Feier von Erstkommunion und Konfirmation oder eine Zusammenarbeit in Zeiten des Pfarrermangels. Es gehe ihm nicht darum, „alles zu vermischen“. Man müsse am Beispiel Religionsunterricht vielmehr sorgfältig überlegen, wie im „geschlossenen Rahmen“über den anderen gesprochen werde. Küenzlen betonte: „Es gibt vieles, was wir jetzt in Angriff nehmen sollten.“
Schwarz: „Bewegender Moment“
Diesen Worten verliehen Sigmund Schänzle und Jörg Schwarz abschließend Nachdruck. Wie Schänzle erklärte, solle dieser Gottesdienst nicht ohne Folgen bleiben. Im Wechsel mit Jörg Schwarz verlas er eine Selbstverpflichtungserklärung, nach der die Kirchengemeinden in Ochsenhausen ihr Handeln künftig ausrichten wollen. So heißt es darin unter anderem: „Wir verpflichten uns, weitere Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirche zu gehen.“Ein „bewegender Moment“(Jörg Schwarz) und ein würdiger Schlusspunkt unter einen ökumenischen Gottesdienst, der deutlich machte: Es ist bereits viel erreicht worden, auch oder gerade in Ochsenhausen. Darauf ausruhen wollen sich die Vertreter beider Konfessionen aber nicht.