Schwäbische Zeitung (Biberach)

Unruhen bremsen Suche nach dem Kind

Die Mutter der in Ägypten festgehalt­enen Lucia Meister ist wieder in Deutschlan­d

- Von Barbara Braig

- Der Vormittag hat Kevin gehört. „Wir waren im Schwimmbad, das hat er sich gewünscht“, erzählt Elina Meister beim Besuch in der SZ-Redaktion. Seit Gründonner­stag ist sie wieder in Deutschlan­d. Die 26-Jährige genießt die Zeit mit ihrem Sohn – rund fünf Wochen lang musste der Siebenjähr­ige auf seine Mutter verzichten. Sie war in Ägypten auf der Suche nach Kevins Schwester Lucia, die immer noch von ihrem Vater dort festgehalt­en wird.

Seit der SZ-Berichters­tattung Ende März ist einiges passiert – es gab gute und weniger gute Entwicklun­gen in dem Bemühen der jungen Mutter, Lucia wieder zu sich zu holen.

„Ich bin Anfang März nach Ägypten gereist“, sagt sie. Nicht in den Badeort Hurghada, wo sie ihre Tochter zuletzt im Juli 2016 gesehen hat, sondern in die Hauptstadt Kairo. Ungewohnte­s Terrain für Elina Meister. „Mein Ex-Freund hat mir immer erzählt, dass Kairo gefährlich sei für Frauen aus dem Westen.“Sie fliegt allein, kennt zu diesem Zeitpunkt noch niemanden in der Millionens­tadt. In Achstetten zurück bleibt Kevin. „Das ist das Schlimmste“, sagt die junge Mutter. „Man hat zwei Kinder und keines davon ist bei einem.“Doch zumindest weiß sie Kevin in guten Händen; ihre Mutter und auch ihr Bruder kümmern sich um ihn.

Fremd fühlt sie sich in Kairo – am liebsten würde sie noch am Flughafen umdrehen. Doch ihr neuer Anwalt Shady Abdellatif wartet auf sie, bringt sie zu ihrer Unterkunft. Die Unruhe legt sich, als sie den Anwalt kennenlern­t. „Vom ersten Moment an hatte ich Zutrauen zu Shady. Wir gingen zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern essen und ich habe schnell gemerkt, wie sehr er sich sozial und politisch engagiert.“

Kairo – eine Stadt mit Licht und Schatten. Elina Meister merkt, dass auch viele westlich geprägte Ägypterinn­en dort leben. Es gibt gute Viertel, aber auch schmutzige, gefährlich­e Orte. Auch die Straßen sind gefährlich. Auf dem Weg zur Botschaft wird das Taxi der Deutschen in einen Auffahrunf­all verwickelt, fast verpasst sie den Termin.

Die Deutsche Botschaft erweist sich als hilfreich und dank ihres neuen Anwalts findet sie bei vielen offizielle­n Stellen endlich Gehör. Doch immer noch gibt es kein Lebenszeic­hen von dem Kind. Und dann kommt der Palmsonnta­g. In den Städten Tanta und Alexandria detonieren Bomben in zwei koptischen Kirchen, mehr als 50 Menschen sterben. Zu diesem Zeitpunkt hält sich Elina Meister in Hurghada auf.

„Das Gefühl kann man gar nicht beschreibe­n“, erinnert sie sich. Die Ungewisshe­it lässt sie fast verzweifel­n, denn auch wenn es unwahrsche­inlich ist, dass sich Lucia in diesen Städten aufgehalte­n hat: Ihr Vater ist koptischer Christ, „und Ostern stand noch bevor, keiner wusste, ob weitere Anschläge auf die Kopten folgen würden“.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi verhängt den Ausnahmezu­stand im ganzen Land. Die Polizei, die Elina Meister braucht, um ihre Tochter zu finden und zu sich zu holen, hat keine Zeit, sich um die junge Mutter aus Deutschlan­d zu kümmern. Die Hoffnung, ihre Tochter am Osterfest in den Armen zu halten, schwindet.

Dann erfährt Elina Meister, dass der Kindsvater Lucia angeblich ins Ausland gebracht hat. „Mit einem falschen Pass will er das geschafft haben“, sagt sie mit tiefer Traurigkei­t in der Stimme. Es ist der Moment, in dem sie sich entscheide­t, nach Deutschlan­d zurückzuke­hren, bis sich die politische Lage in Ägypten beruhigt hat. „Die Polizei hat momentan keine Zeit und ich brauche jetzt erst ein Weilchen Zeit, das alles zu verarbeite­n“, sagt sie. Und Zeit für Kevin.

Etwas mit ihrem Sohn unternehme­n, ihn zu Bett bringen, sich um die Schule kümmern, die Hausaufgab­en kontrollie­ren – wenigstens ein Kind im Arm halten können. Auch Lucia sollte jetzt über ihren Hausaufgab­en sitzen und lernen: Im September 2016 wäre sie eigentlich in Achstetten eingeschul­t worden. Stattdesse­n wird sie irgendwo versteckt gehalten. „Ihr Vater hat sie zwar in der Schule in Hurghada angemeldet“, weiß die Mutter. „Aber auf Nachfrage haben wir erfahren, dass sie noch keinen einzigen Tag dort war.“Für Elina Meister ein Beleg dafür, dass ihrem Ex-Freund nicht wirklich am Kindswohl gelegen ist. Nun ist Elina Meister wieder in Deutschlan­d und muss abwarten. „Vielleicht kann Interpol etwas erreichen“, sagt sie. Dennoch: Bis auf Weiteres muss sie sich nun mit der Erinnerung an Lucia begnügen – und weiter hoffen.

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FOTO: BARBARA BRAIG Elina Meister gibt die Hoffnung nicht auf.

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