Schwäbische Zeitung (Biberach)
Hochschulabschluss – und dann?
Praktika und gute Netzwerke öffnen die Tür zur Berufswelt – Karrierestart Messe als Kontaktbörse
er studiert, investiert viel Zeit und Geld in eine qualifizierte Ausbildung. Den ersten akademischen Titel erreichen Studierende mit dem Bachelor-Abschluss. Doch was kommt danach? Wie schaffen junge Akademiker den Sprung von der Theorie in die Berufspraxis? Neben guten Noten sind Eigeninitiative, Berufspraktika und gute Netzwerke grundlegende Voraussetzungen eines möglichst nahtlosen Übergangs vom Hörsaal in ein Unternehmen.
Studierende werden immer jünger – durch G8 an Gymnasien beginnen schon 17-Jährige mit einem Studium. „Sie können oft noch nicht abschätzen, was da auf sie zukommt“, sagt Margit Stirnweis, Leiterin des Career Service an der Hochschule Kempten. Während manche Abiturienten mit ganz klaren Zielen ihr Studium an einer Universität oder Hochschule für angewandte Wissenschaften (HS) aufnehmen, tappen andere noch völlig im Dunkeln. Bei rund 16 000 unterschiedlichen Studiengängen in ganz Deutschland ist schon allein die Studienwahl für viele wie ein Lotteriespiel. Deshalb sollten unentschlossene Abiturienten den Service der Bundesagentur für Arbeit oder von Studienberatungen an Hochschulen nutzen, sich gemeinsam mit Beratern auf Spurensuche nach den eigenen Begabungen, Fähigkeiten und Talenten begeben und herausfinden, welche konkreten Berufsfelder es dafür gibt. „Die jungen Leute sollten sich von Anfang an klar werden, woran sie Spaß haben und wofür sie sich begeistern können“, rät Margit Stirnweis.
Weniger als drei Prozent der Akademiker sind arbeitslos
Auf dem Arbeitsmarkt haben Akademiker in Deutschland sehr gute Perspektiven – laut Statistik liegt ihre Arbeitslosenquote mit unter drei Prozent deutlich niedriger als bei anderen ohne Studium. Mit der Akademisierung der Arbeitswelt wird sich der Trend voraussichtlich weiter fortsetzen, meinen Experten. Durch die demografische Entwicklung und den zunehmenden Fachkräftemangel sind jedoch manche Hochschulabsolventen stärker auf dem Arbeitsmarkt gefragt als andere. Schon seit Jahren haben es Absolventen aus den sogenannten MINT-Fächern – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – wesentlich leichter, schnell einen passenden Arbeitgeber zu finden. Viele Unternehmen suchen händeringend Ingenieure der Elektrotechnik, der Informatik und des Maschinenbaus. Auch Studierende des Sozialwesens und Betriebswirte haben gute Chancen. Selbst die Absolventen der Kommunikationsund Kulturwissenschaften, Politik, Verwaltung und Internationale Beziehungen sowie Soziologie und Politik, die etwa an der Zeppelin University (ZU) in Friedrichshafen ihren Abschluss machen, sind laut Auskunft der ZU gleichermaßen gefragt. „Absolventen der Kreativ-Studiengänge haben es etwas schwerer. Wenn sie sich aber auf die Bedürfnisse des Marktes einlassen, sind auch sie heiß begehrt: Zum Beispiel bei der Entwicklung von Anwendungen in der digitalen Welt“, meint Anja Wischer von der Hochschule Konstanz.
Den Grundstein für einen qualifizierten Job nach dem Hochschulabschluss müssen Studierende jedoch selbst aktiv während ihres Studiums legen, indem sie „Erfahrungen im Berufsleben sammeln und Kontakte knüpfen“, rät Rainer Böhme, Leiter der Universitätskommunikation der ZU. Fachbezogene Praktika vor Beginn des Studiums sowie Praktikumssemester in Unternehmen sind in vielen Hochschulen verpflichtend. Vor allem die Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben mit ihrem starken Praxisbezug den Anspruch, für die Berufstätigkeit auszubilden. Deshalb pflegen sie enge Kooperationen mit Unternehmen in der Region. Projektarbeiten in Zusammenarbeit mit Firmen oder Exkursionen ergänzen die Nähe zu den Betrieben. Nicht zuletzt unterrichten an den Hochschulen viele Lehrbeauftragte aus der Praxis, die ihr aktuelles Know-how in die Hörsäle tragen.
Auf der Suche nach qualifizierten Fachkräften präsentieren sich Unternehmen gerne bei Jobmessen – wie am 4. Mai bei der Karrierestart in Ravensburg – und Karrieretagen direkt an den Hochschulen, um so mit angehenden Akademikern Kontakte zu knüpfen. Solche Chancen, ebenso wie Praxistage und Praktika in den Semesterferien, sollten nach Auffassung von Margit Stirnweis die Studierenden nutzen. „Netzwerken ist das A und O“, meint die Karriere-Expertin der HS Kempten. Praktika hält sie für extrem wichtig. Denn so können ihrer Meinung nach Studierende unterschiedliche Branchen und Berufsfelder kennenlernen und herausfinden, was ihnen liegt. Zudem hätten sie damit bereits „einen Fuß in der Wirtschaft“.
Zugang zur Wirtschaft über Bachelor- oder Masterarbeit
Den Zugang zur Wirtschaft verschafft vielen angehenden Absolventen auch ihre Bachelor- oder MasterAbschlussarbeit, die sie in Unternehmen schreiben. Darin bearbeiten sie in der Regel Fragestellungen, die aus der Industrie kommen. Für diese Absolventen ist das häufig die Brücke in den Berufseinstieg.
Nutzen sollten Studierende auch Angebote des „Studium Generale“. Dort bieten Hochschulen u. a. Seminare, die sich mit Bewerbungen und dem Arbeitsalltag beschäftigen – von der Vorbereitung aufs AssessmentCenter bis hin zur Erarbeitung von Softskills.
Wer die Chance auf ein theoretisches oder praktisches Semester im Ausland hat, sammelt Pluspunkte. „Die Berufswelt ist interessiert an internationaler bzw. inkerkultureller Erfahrung“, konstatiert Professor Dr.-Ing. Norbert Büchter, Prorektor für Lehre, Studium und Internationalisierung an der HS Biberach. Die Hochschule in Biberach bietet beispielsweise mit dem Programm „Bachelor International“insgesamt zwei Semester im Ausland: ein Studienund ein Praxissemester. „Ein Auslandsaufenthalt ist Ausdruck für Flexibilität und Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem und ist für viele eine wichtige Erfahrung in ihrer persönlichen Weiterentwicklung“, meint Anja Wischer von der HS Konstanz.
Nicht für jeden Bachelor-Absolventen ist der direkte Einstieg in den Beruf das Richtige. Für viele Karrieren ist es wichtig, sein Wissen zu vertiefen oder etwa ein Ingenieurs-Studium durch Managementwissen zu verbreitern. „Wer eine Führungsposition anstrebt oder sich wissenschaftlich vertiefen möchte, für den ist ein Masterstudium sicher sinnvoll. Der Masterabschluss ist auch Voraussetzung für eine Promotion an einer Universität“, sagt Professorin Dr. Theresia Simon, Prorektorin für Studium, Didaktik und Qualitätsmanagement an der HS RavensburgWeingarten. An vielen Hochschulen können berufstätige Jungakademiker sich durch berufsbegleitende Masterstudiengänge weiterqualifizieren.
Wenn es nach dem Hochschulabschluss nicht wie gewünscht mit der Stellensuche klappt, dann bleibt immer noch die Möglichkeit, über einen Personaldienstleister den Einstieg in ein Unternehmen zu schaffen. Für manchen ist auch der Schritt in die Selbständigkeit eine spannende Alternative.