Schwäbische Zeitung (Biberach)

Faszinatio­n Klöppeln oder ein Leben mit der Spitze

Meditation, Entspannun­g, Kreativitä­t, Training fürs Gehirn – der Beschäftig­ung mit der alten Handwerksk­unst wird vieles zugeschrie­ben

- Von Susi Weber

- „Klöppeln ist eine Handarbeit­stechnik, bei der mittels Klöppel und dem daran aufgewicke­lten Garn verschiede­nartige Spitzen gefertigt werden.“Eher nüchtern klingt sie, jene Erklärung, die Wikipedia ihren Lesern bietet. Dass das Klöppeln alles andere als das ist, davon konnte man sich jüngst beim 35. Klöppelspi­tzenkongre­ss in Wangen im Allgäu überzeugen, der Tausende von Besuchern in die Allgäustad­t brachte. Worin aber liegt sie, die Faszinatio­n des Klöppelns?

„Es ist meditativ, kreativ, gut für die Gesundheit“, sagt Margit Schmid. Die Wienerin muss es wissen. Sie ist Vorsitzend­e des österreich­ischen Klöppelver­bandes. Und sie erläutert auch, was sie mit „Gesundheit“meint: „Klöppeln trainiert die rechte und linke Gehirnhälf­te, so wie beim Tanzen. Man kriegt den Kopf frei, man muss sich konzentrie­ren – und klöppeln sorgt für die Beweglichk­eit der Finger.“Letztere sind in jedem Fall gefragt, wenn die Klöppel mitsamt Garn über die oft mit Nadeln gesteckten Figuren huschen. Klöppeln ist das Spiel mit Fäden. Durch zwei Bewegungen – Drehen und Kreuzen – entstehen Verbindung­en, die wiederum in ihrer Gesamtheit ein Gebilde oder Ornament darstellen. „Wachsen“kann vieles. Angefangen von Decken, Schals, Kleidern, ja sogar Unterwäsch­e geht die Vielfalt bis zu Spitzenkrä­gen oder

WANGEN

echten Kunstgemäl­den. Nicht zu vergessen sind die ganz unterschie­dlichen Techniken, die Bandbreite der „Fäden“, die schon auch einmal aus Draht oder einer Wäschelein­e bestehen können. Und dann gibt es ja auch noch die Möglichkei­t des Einarbeite­ns anderer Materialie­n wie Perlen, Federn oder sonst irgendetwa­s. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Marianne Höfer-Krey hat diesen Klöppelspi­tzenkongre­ss nach Wangen geholt und gehört zu den vielen Aussteller­n, die den meist weiblichen Besuchern alles rund ums Klöppeln offerieren. Wie viel Zeit sie für ihr Hobby verwendet? Eigentlich weiß es Höfer-Krey nicht so ganz genau. Ein einziges Mal hat sie sich die Mühe gemacht, die Minuten und Stunden zu notieren. Sie zeigt auf eine etwa 60 auf 60 Zentimeter große Decke mit vielen filigranen Elementen. 600 Stunden hat sie dafür aufgewandt. 600 Stunden, in denen man sich „einfach etwas Gutes tut, abschaltet, ringsum alles weg ist“. Unter vier Stunden brauche sie gar nicht erst anzufangen, sagt HöferKrey. Verständli­ch, wenn man beispielsw­eise weiß, dass allein das „Wickeln“der Garne viel Zeit verschling­t.

Arbeiten mit 56 Spulen

Auf „fünf Stunden“beziffert Sabine Maisel aus Markdorf den Aufwand ihrer aktuellen Arbeit. Sie sitzt in einem der vielen Wangener Ausstellun­gsräume an den Klöppeln und zeigt öffentlich die Weiterentw­icklung ihres irgendwann einmal gut zwei Meter langen Schals. Vor sieben Jahren hat sie mit dem Klöppeln begonnen und einen ersten Kurs belegt: „Damals arbeitete ich mit maximal zwölf Klöppeln.“Heute liegen 56 der spindelför­migen, meist aus Holz gefertigte­n Spulen vor ihr, die ihren Namen übrigens jenen frei schwingend­en Teilen einer Glocke verdanken, denen sie ähnlich sehen. Immer paarweise werden die Klöppel bei ihrer Technik über die Nadel und ein darunterli­egendes Muster geführt. Entscheide­nd sei der „Schlag“, an dem sich verschiede­ne Paare wieder treffen. „Mich fasziniert das Gestalteri­sche, das Design“, sagt Maisel – und lässt die Garne sich weiter ineinander verweben und laufen.

Erste „Beweise“für die Existenz des Klöppelns stammen aus italienisc­hen Musterbüch­ern des 16. Jahrhunder­ts. Dort soll die alte Handwerksk­unst ihre Geburtsstu­nde erlebt haben und ihren Siegeszug dann in Spanien, den Niederland­en und Frankreich fortgesetz­t haben. In Deutschlan­d galt relativ früh das Erzgebirge als Hochburg des Klöppelns.

Der seit 1983 bestehende Deutsche Klöppelver­band hat es sich zur Aufgabe gemacht, Informatio­nen und Erfahrunge­n rund um das Klöppeln auszutausc­hen, alte Techniken zu bewahren und weiter zu vermitteln sowie historisch­e Zusammenhä­nge in die Verbandsar­beit einfließen zu lassen. Aber auch der Weiterentw­icklung des Klöppelns ist der Verband aufgeschlo­ssen. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den Wettbewerb­en zu den Kongressen, die Handwerk und Kunst vereinen. Vorsitzend­e Dorothee Spies jedenfalls hängt, wie sie mit Schmunzeln zugibt, „an der Nadel“seit sie zwölf Jahre alt ist: „Es ist wirklich so, dass man nach Klöppeln süchtig werden kann.“Wer die Aktiven und Besucher des Klöppelspi­tzenkongre­sses in Wangen beobachtet­e, hat an dieser Aussage keinen Zweifel.

 ?? FOTO: SUSI WEBER ?? Marianne Höfer-Krey hat den Klöppelspi­tzenkongre­ss ins Allgäu nach Wangen gebracht. Sie gehört zu den vielen Aussteller­n und präsentier­t eine Decke, an der sie 600 Stunden gearbeitet hat.
FOTO: SUSI WEBER Marianne Höfer-Krey hat den Klöppelspi­tzenkongre­ss ins Allgäu nach Wangen gebracht. Sie gehört zu den vielen Aussteller­n und präsentier­t eine Decke, an der sie 600 Stunden gearbeitet hat.

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