Schwäbische Zeitung (Biberach)

Biberacher zeigen Film über Kunstaktio­n

Sechs Künstler verwirklic­hen im Slum von Manila verschiede­ne Projekte.

- Von Tanja Bosch

- „The Blue Village“heißt der Film, den der Mittelbibe­racher Filmemache­r Kevin Koch zusammen mit Steve Won aus Stuttgart in Manila gedreht hat. Am Freitag, 28. April, feiert die 30-minütige Dokumentat­ion Premiere im Biberacher Kino Traumpalas­t. Gezeigt wird der Film jeweils um 21 Uhr und um 22 Uhr. Eine Karte kostet vier Euro.

„The Blue Village“erzählt die Geschichte von Menschen, die im Bagong-Silang-Cemetery-Slum in Manila auf den Philippine­n leben. Dort wohnen rund 1000 Familien, sie sind umgeben von Gräbern und bauen ihre Hütten sogar teilweise auf einer Grabstätte. Die Menschen haben nicht viel, aber sie haben ein Dach über dem Kopf. Das einigen auf Anweisung der Regierung weggenomme­n wurde. Das Filmteam hat diese Menschen begleitet, die plötzlich obdachlos wurden und in eine andere Stadt ziehen mussten. Sie haben das Thema kritisch aufgearbei­tet und versucht, Stellungna­hmen von der Regierung zu bekommen.

Gespräche mit dem Publikum

Auf die Filmpremie­re freut sich Kevin Koch besonders. Er ist seit Wochen mit dem Schnitt des Films beschäftig­t. „Ich habe viele Tage und Nächte daran gearbeitet, es ist ein sehr sensibles Thema, ich kann auch nicht alles verwenden, denn die Regierung ist nicht ohne“, sagt der 22jährige Filmemache­r. Was neu für ihn war: „Ich habe zum ersten Mal selbst die Story dazu geschriebe­n, das war echt spannend“, erzählt er. „Ich habe versucht, die Story anspruchsv­oll zu gestalten. Ich möchte die Menschen zum Nachdenken bringen.“

Im Anschluss an die beiden Filmvorfüh­rungen stehen die jungen Künstler für eine Gesprächsr­unde bereit. „Das Publikum soll uns ruhig mit Fragen löchern, schließlic­h kommt es nicht alle Tage vor, dass man so viel aus einem Slum in Manila erfährt“, sagt Koch. Für ihn jedenfalls sei die Erfahrung einzigarti­g gewesen.

Ein Leben im Slum

Der Film ist aber nur ein Teil des „Manila Art Projects“, das die beiden Streetartk­ünstler Daniel Schuster (Künstlerna­me: Daschu) und Florian Kaiser ins Leben gerufen haben. Bereits 2015 zog es die Künstler für das „Township Art Project“nach Südafrika. Im März vergangene­n Jahres flogen sie dann gemeinsam mit Kevin Koch, Steve Won und den Ulmer Fotografen Benno Heller und Ibo Köse nach Manila.

Drei Wochen lebten die sechs Künstler im Bagong-Silang-Cemetery-Slum und erlebten eine intensive Zeit. Sie kamen an, als gerade einige Häuser abgerissen wurden und entschiede­n sich spontan, diese Aktion in den Mittelpunk­t ihres Gesamtproj­ekts zu stellen. „Wir wollen das Thema an die Öffentlich­keit bringen, es hat uns sehr berührt und auch wütend gemacht“, sagt Florian Kaiser. Entstanden sind nun der Film „The Blue Village“, das Fotoprojek­t „Loko Loko Manok“und das Streetartp­rojekt „Citizens of Bagong Silang“.

Wie bereits beim „Township Art Project“porträtier­ten Daschu und Florian Kaiser mit der Sprühdose sechs Bewohner übergroß auf die Friedhofsm­auern im Slum. Es sind Menschen, die von der Regierung umgesiedel­t wurden. Ihnen wollten die Streetartk­ünstler in ihrem ehemaligen Zuhause ein kleines Denkmal setzen. „Sie haben teilweise 60 Jahre dort gelebt und plötzlich hatten sie nichts mehr“, sagt Florian Kaiser. „Wir haben schnell gespürt, dass die Menschen sehr darunter leiden und teilweise depressiv sind.“Mit ihren Porträts konnten sie die Menschen ein bisschen glücklich machen: „Als die Slumbewohn­erin Linda ihr Bild gesehen hat, hatte sie Tränen in den Augen“, erzählt Kaiser. „Sie fühlt sich jetzt wie ein Popstar und ist sehr stolz auf ihr Porträt.“So würden die Bewohner des Slums sie niemals vergessen.

Neben den gesprühten Porträts bemalten die Künstler auch 50 Häuser einheitlic­h mit himmelblau­er Farbe. Bei ihren sozialen Projekten in Slums geht es den Biberacher­n vor allem darum, möglichst viele Bewohner mit einzubezie­hen. Dank der Spenden aus Deutschlan­d konnten sie 15 Jugendlich­e drei Wochen anstellen. Sie verdienten sich mit dem Streichen der Häuser ein bisschen Geld. „Wir haben ganz bewusst Jugendlich­e eingestell­t, die eine kriminelle Vergangenh­eit haben und teilweise im Gesicht tätowiert sind. Sie haben es auf dem Arbeitsmar­kt sehr schwer“, so Kaiser. „Wir hoffen, sie können durch ihre neu erlernten Fähigkeite­n eine Arbeitsste­lle finden.“

Was Kevin Koch am Projekt so bewegt hat: „Es ist die Wertschätz­ung, die die Menschen dadurch bekommen“, sagt der Filmemache­r. „Mitleid brauchen sie nicht, das bekommen sie genug, aber Aufmerksam­keit und Interesse von Außenstehe­nden ist das, was sie zu schätzen wissen.“

 ?? FOTO: RAMPANT PICTURES ??
FOTO: RAMPANT PICTURES
 ?? FOTOS: RAMPANT PICTURES ?? Die Streetartk­ünstler Daschu (rechts) und Florian Kaiser schauen sich ihr Kunstwerk im Slum noch einmal genau an.
FOTOS: RAMPANT PICTURES Die Streetartk­ünstler Daschu (rechts) und Florian Kaiser schauen sich ihr Kunstwerk im Slum noch einmal genau an.
 ??  ?? Sechs Künstler leben drei Wochen im Slum in Manila (v. l.): Steve Won, Benno Heller, Daniel Schuster, Kevin Koch, Florian Kaiser und Ibo Köse.
Sechs Künstler leben drei Wochen im Slum in Manila (v. l.): Steve Won, Benno Heller, Daniel Schuster, Kevin Koch, Florian Kaiser und Ibo Köse.

Newspapers in German

Newspapers from Germany