Schwäbische Zeitung (Biberach)

Fahrlehrer werden gegen Handy am Steuer aktiv

Akzeptanz von Regeln im Straßenver­kehr hat nachgelass­en – Fahranfäng­er sollen für Gefahren sensibilis­iert werden

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(lsw) - Die Fahrlehrer im Land beobachten einen zunehmende­n Verfall der Sitten im Straßenver­kehr und wollen jetzt mit Aufklärung gegensteue­rn. Ob Rotlichtve­rstöße, Smartphone-Tippen während der Fahrt oder das Rechtsüber­holen: „Die Akzeptanz von Regeln lässt nach“, sagte Jochen Klima, der Vorsitzend­e des badenwürtt­embergisch­en Fahrlehrer­verbandes. Weil solche vermeintli­chen Kavaliersd­elikte schlimme Folgen haben können, wollen die Fahrlehrer schon Fahranfäng­er dafür verstärkt sensibilis­ieren.

„Handy und Smartphone – das ist ein ganz großes Problem“, so Klima im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur vor der diesjährig­en Mitglieder­versammlun­g in Pforzheim. Wie sehr schon das bloße Piepen, Klingeln oder Brummen des Geräts in der Tasche die Fahrschüle­r nebenbei ablenkt, bemerkt er des Öfteren in der Fahrstunde: „Es gibt sogar einige, die während der Fahrt versuchen ranzugehen.“

15 Meter Blindflug

Drohende Strafen – 60 Euro und ein Punkt in Flensburg – fruchten wenig. Klima setzt daher auf Überzeugun­gsarbeit: in der Situation, aber auch im Unterricht. „Man muss den Leuten klarmachen, was es bedeutet: Eine Sekunde wegschauen sind bei 50 Stundenkil­ometern 15 Meter Blindflug.“Nicht nur das Kleinkind, das hinter einem parkenden Auto auf die Straße läuft, wird da leicht übersehen. Einsicht erzeugen wollen die Fahrlehrer mit Rollenspie­len, Diskussion­en und Filmen im Theorieunt­erricht.

Eine zunehmende Rücksichts­losigkeit erleben aber gerade auch Fahrschüle­r: „Wenn wir das Schild ,Fahrschule’ auf dem Dach haben, werden wir oft angehupt oder beschimpft“, berichtete Klima. „Früher gab es eine Art Welpenschu­tz.“Manch aggressive­n Fahrer könnten nur mehr Polizeikon­trollen zur Räson bringen, ist er überzeugt. Sinnvoll wäre aus seiner Sicht auch eine präventive Nachschulu­ng mit Feedback für alle Fahranfäng­er und ein längeres begleitete­s Fahren beim Führersche­in mit 17.

„Verkehr funktionie­rt nur, wenn man sich an die Regeln hält“, betonte Klima. Er begrüßt deshalb die Reform des Fahrlehrer­gesetzes, das anstelle einer technisch orientiert­en „Schräubche­nkunde“eine längere Ausbildung mit mehr pädagogisc­hen und didaktisch­en Inhalten vorsieht. Zugleich ist dem Fahrlehrer klar: „In den paar Wochen Fahrschule kann der Fahrlehrer nicht alles ändern, was im Elternhaus schiefgela­ufen ist.“Die Missachtun­g von Regeln sei schließlic­h nicht nur ein Problem im Straßenver­kehr.

In Baden-Württember­g gibt es derzeit rund 1700 Fahrschule­n mit 4700 Fahrlehrer­n. Bei der Mitglieder­versammlun­g des Verbandes am heutigen Samstag mit rund 500 Teilnehmer­n in Pforzheim stehen neben der Reform des Fahrlehrer­rechts auch Herausford­erungen durch Fahrerassi­stenzsyste­me, automatisi­ertes Fahren oder Elektro- und Hybridfahr­zeuge auf dem Plan. BadenWürtt­embergs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) will dabei über „Chancen der neuen Mobilität“sprechen.

Der Fahrlehrer­job ist Klima zufolge gekennzeic­hnet durch „lebenslang­es Lernen“. Die fortschrei­tende Automatisi­erung mache Fahrlehrer nicht überflüssi­g: „Wir geben die Grundeinwe­isung. Der Mensch muss immer in der Lage sein, selbst das Steuer zu übernehmen.“

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FOTO: DPA Telefonier­en am Steuer ist gefährlich, wenn man das Handy in der Hand hält. Das soll in den Fahrschule­n verstärkt thematisie­rt werden.

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