Schwäbische Zeitung (Biberach)
Zeit des Empörens
Der Mai ist der Monat der Liebe, der Frühlingsgefühle, der Romantik und der Harmonie. Wie gut, dass es davor noch den April gibt, in dem man nochmal richtig Dampf ablassen kann, herumnörgeln, stänkern, kritisieren und sich empören über alles, was einem gerade überhaupt nicht in den Kram passt. Und wie gut, dass das alle in den vergangenen Tagen nochmal richtig auszunutzen scheinen. Kleine Kostprobe: In Biberach empört man sich wechselweise über hässliche Brunnen, unästhetische Innenstadtgestaltung, zum Abriss stehende scheinbar erhaltenswerte Gebäude, den architektonischen Geschmack des Baubürgermeisters oder über alles zusammen. Um Biberach herum wiederum stehen ganz oben in den Empörungscharts: der Bauplan für ein großes Industriegebiet sowie der Zeitplan für noch zu bauende Umgehungsstraßen in viel zu ferner Zukunft. Bei letzterem gibt es zudem noch Empörungsunterstützung aus dem politischen Berlin. In Riedlingen ist nach Sozialminister Manne Lucha diese Woche die Kassenärztliche Vereinigung, die sich erdreistet, im Städtle an der Donau keine weiteren Internisten zuzulassen ins Empörungsvisier gerückt. Und wer in diesem bunten Sammelsurium partout nichts findet, was den Blutdruck in Wallung bringt, der empört sich einfach über das bescheidene Aprilwetter. Aber bitte nur noch bis morgen, denn am Montag beginnt der Mai. Und da möchte ich dann bitte unter mir auf dem Marktplatz nur noch zufriedene Mienen sehen, von Menschen, die mit sich und der Welt im Reinen sind. Falls das nicht klappt, so hat die Volkshochschule bestimmt noch ein paar Plätze in diversen Entspannungskursen frei. Schönes Wochenende!
Euer Marktplatz-Esel