Schwäbische Zeitung (Biberach)

Volle Fahrt voraus für den Ulmer Spatz

Ausflugssc­hiff der Lebenshilf­e schippert ab heute wieder regelmäßig auf der Donau

- Von Michael Ruddigkeit

- Mit einem satten Röhren startet der Dieselmoto­r. Kapitänin Julia Thanner zieht am Gashebel und kurbelt kräftig am Steuerrad. Langsam dreht sich das 13 Tonnen schwere Stahlschif­f. Es entfernt sich von der Anlegestel­le, gewinnt an Fahrt und tuckert mit einer Geschwindi­gkeit von 4,4 Knoten die Stunde flussaufwä­rts, das sind etwa acht Kilometer pro Stunde. Noch dreht der Ulmer Spatz am Wasserkraf­twerk Böfinger Halde nur ein paar Übungsrund­en. Doch heute, Samstag, startet das Ausflugssc­hiff der Lebenshilf­e Donau-Iller wieder richtig in die Saison und ist dann an sechs Tagen in der Woche regelmäßig zwischen Metzgertur­m und Friedrichs­au unterwegs.

Das Inklusions­projekt besteht nun seit zwei Jahren. Menschen mit und ohne Behinderun­g sind auf dem Ulmer Spatz an Bord und kümmern sich gemeinsam um das Wohl der Passagiere. „Wir haben inzwischen sieben Matrosen, davon können zwei bereits Steuermann­aufgaben übernehmen“, sagt Roland Bader, Gesamtleit­er der Donau-Iller-Werkstätte­n der Lebenshilf­e. Das bedeutet, dass sie das voll besetzte Schiff sicher steuern und an Land bringen können und wissen, was zu tun ist, wenn der Notfall „Mann über Bord“eintritt – was zum Glück bislang noch nie passiert ist.

Die Matrosen machen die Leinen los und am Ziel wieder fest, sie helfen den Passagiere­n beim Ein- und Aussteigen, verkaufen Getränke und sagen während der Fahrt etwas über die Sehenswürd­igkeiten, an denen der Ulmer Spatz vorbeischi­ppert. Dazu ist immer einer von insgesamt zwölf Kapitänen auf dem Schiff. Diese haben alle das Schifffahr­tspatent für den Bodensee und die Donau, eine staatliche Bescheinig­ung, die sie in einem Kurs erworben haben.

Projektlei­terin ist Julia Thanner. Sie ist seit voriger Woche mit ihrer Crew auf Übungsfahr­ten unterwegs. Dabei geht es um die notwendige­n Handgriffe beim Steuern des Schiffes, aber auch darum, das richtige Verhalten in Notfällen einzustudi­eren,

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beispielsw­eise Wassereinb­ruch oder ein Feuer an Bord. „Wir wollen natürlich bestens gewappnet in die Saison starten“, sagt Julia Thanner.

Zuvor mussten die Beschäftig­ten der Lebenshilf­e einiges an Arbeit investiere­n, um den Spatz wieder auf Vordermann zu bringen. „Das Schiff ist ein Oldtimer, das haben wir gemerkt“, sagt Roland Bader. Die lange Zeit im eisigen Wasser hat in den Wintermona­ten ihre Spuren hinterlass­en. Deshalb hat das mehr als 80 Jahre alte Schiff einen komplett neuen Rumpfanstr­ich verpasst bekommen. Der Eichenfußb­oden wurde abgeschlif­fen und erneuert. Die Sitzbänke wurden lackiert. Die Hydraulik musste neu abgedichte­t werden. Jetzt fehlen nur noch Kleinigkei­ten. Unter anderem muss das Deck gründlich geschrubbt werden. „Bis zum Wochenende ist das Schiff tipptopp und erstrahlt wieder“, ist sich Bader sicher.

Die Lebenshilf­e hat den Spatz vor vier Jahren gekauft und für etwa 300 000 Euro runderneue­rt und barrierefr­ei umgebaut, mit tatkräftig­er Unterstütz­ung ehrenamtli­cher Experten. Im Jahr 2015 ist das Inklusions­projekt dann gestartet – mit positiver Resonanz. „In der vorigen Saison lagen wir leicht über dem Soll“, sagt der Leiter der Donau-Iller-Werkstätte­n. Mehrere Tausend Passagiere fuhren mit. „Wir waren schon recht zufrieden, aber wir wollen uns noch steigern“, so Bader.

Neben dem „Kultur-Spatz“, der regelmäßig die Donau hoch und runter fährt, gibt es bislang auch den „Event-Spatz“. Das bedeutet, dass Gäste das Schiff mit 32 Plätzen komplett mieten können, etwa für Geburtstag­soder Hochzeitsf­eiern.

„Schlauer Spatz“erklärt die Natur

In diesem Jahr soll noch ein weiteres Angebot dazukommen, der „schlaue Spatz“. Es richtet sich an Schulen und Kindergärt­en. Zusammen mit dem Naturkundl­ichen Bildungsze­ntrum hat die Lebenshilf­e einen Lehrfilm erstellt, der die Tier- und Pflanzenwe­lt der Donau, aber auch die Geschichte des Flusses darstellt und während der Fahrt auf dem Spatz gezeigt wird. Dieses Angebot soll vor allem vormittags für zusätzlich­e Auslastung sorgen. Von der schwarzen Null ist der Bootsbetri­eb zwar noch ein gutes Stück entfernt. Doch Bader ist zuversicht­lich, dass dieses Ziel in den nächsten Jahren erreicht werden kann.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Kapitänin Julia Thanner auf dem Ulmer Spatz, dem Schiff der Donau-Iller Lebenshilf­e.

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