Schwäbische Zeitung (Biberach)
Volle Fahrt voraus für den Ulmer Spatz
Ausflugsschiff der Lebenshilfe schippert ab heute wieder regelmäßig auf der Donau
- Mit einem satten Röhren startet der Dieselmotor. Kapitänin Julia Thanner zieht am Gashebel und kurbelt kräftig am Steuerrad. Langsam dreht sich das 13 Tonnen schwere Stahlschiff. Es entfernt sich von der Anlegestelle, gewinnt an Fahrt und tuckert mit einer Geschwindigkeit von 4,4 Knoten die Stunde flussaufwärts, das sind etwa acht Kilometer pro Stunde. Noch dreht der Ulmer Spatz am Wasserkraftwerk Böfinger Halde nur ein paar Übungsrunden. Doch heute, Samstag, startet das Ausflugsschiff der Lebenshilfe Donau-Iller wieder richtig in die Saison und ist dann an sechs Tagen in der Woche regelmäßig zwischen Metzgerturm und Friedrichsau unterwegs.
Das Inklusionsprojekt besteht nun seit zwei Jahren. Menschen mit und ohne Behinderung sind auf dem Ulmer Spatz an Bord und kümmern sich gemeinsam um das Wohl der Passagiere. „Wir haben inzwischen sieben Matrosen, davon können zwei bereits Steuermannaufgaben übernehmen“, sagt Roland Bader, Gesamtleiter der Donau-Iller-Werkstätten der Lebenshilfe. Das bedeutet, dass sie das voll besetzte Schiff sicher steuern und an Land bringen können und wissen, was zu tun ist, wenn der Notfall „Mann über Bord“eintritt – was zum Glück bislang noch nie passiert ist.
Die Matrosen machen die Leinen los und am Ziel wieder fest, sie helfen den Passagieren beim Ein- und Aussteigen, verkaufen Getränke und sagen während der Fahrt etwas über die Sehenswürdigkeiten, an denen der Ulmer Spatz vorbeischippert. Dazu ist immer einer von insgesamt zwölf Kapitänen auf dem Schiff. Diese haben alle das Schifffahrtspatent für den Bodensee und die Donau, eine staatliche Bescheinigung, die sie in einem Kurs erworben haben.
Projektleiterin ist Julia Thanner. Sie ist seit voriger Woche mit ihrer Crew auf Übungsfahrten unterwegs. Dabei geht es um die notwendigen Handgriffe beim Steuern des Schiffes, aber auch darum, das richtige Verhalten in Notfällen einzustudieren,
ULM
beispielsweise Wassereinbruch oder ein Feuer an Bord. „Wir wollen natürlich bestens gewappnet in die Saison starten“, sagt Julia Thanner.
Zuvor mussten die Beschäftigten der Lebenshilfe einiges an Arbeit investieren, um den Spatz wieder auf Vordermann zu bringen. „Das Schiff ist ein Oldtimer, das haben wir gemerkt“, sagt Roland Bader. Die lange Zeit im eisigen Wasser hat in den Wintermonaten ihre Spuren hinterlassen. Deshalb hat das mehr als 80 Jahre alte Schiff einen komplett neuen Rumpfanstrich verpasst bekommen. Der Eichenfußboden wurde abgeschliffen und erneuert. Die Sitzbänke wurden lackiert. Die Hydraulik musste neu abgedichtet werden. Jetzt fehlen nur noch Kleinigkeiten. Unter anderem muss das Deck gründlich geschrubbt werden. „Bis zum Wochenende ist das Schiff tipptopp und erstrahlt wieder“, ist sich Bader sicher.
Die Lebenshilfe hat den Spatz vor vier Jahren gekauft und für etwa 300 000 Euro runderneuert und barrierefrei umgebaut, mit tatkräftiger Unterstützung ehrenamtlicher Experten. Im Jahr 2015 ist das Inklusionsprojekt dann gestartet – mit positiver Resonanz. „In der vorigen Saison lagen wir leicht über dem Soll“, sagt der Leiter der Donau-Iller-Werkstätten. Mehrere Tausend Passagiere fuhren mit. „Wir waren schon recht zufrieden, aber wir wollen uns noch steigern“, so Bader.
Neben dem „Kultur-Spatz“, der regelmäßig die Donau hoch und runter fährt, gibt es bislang auch den „Event-Spatz“. Das bedeutet, dass Gäste das Schiff mit 32 Plätzen komplett mieten können, etwa für Geburtstagsoder Hochzeitsfeiern.
„Schlauer Spatz“erklärt die Natur
In diesem Jahr soll noch ein weiteres Angebot dazukommen, der „schlaue Spatz“. Es richtet sich an Schulen und Kindergärten. Zusammen mit dem Naturkundlichen Bildungszentrum hat die Lebenshilfe einen Lehrfilm erstellt, der die Tier- und Pflanzenwelt der Donau, aber auch die Geschichte des Flusses darstellt und während der Fahrt auf dem Spatz gezeigt wird. Dieses Angebot soll vor allem vormittags für zusätzliche Auslastung sorgen. Von der schwarzen Null ist der Bootsbetrieb zwar noch ein gutes Stück entfernt. Doch Bader ist zuversichtlich, dass dieses Ziel in den nächsten Jahren erreicht werden kann.