Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mehr Digitalisi­erung, weniger Bürokratie

Bundestags­kandidaten mehrerer Parteien diskutiere­n über Fragen der Unternehme­nswelt

- Von Daniel Häfele

- Altersvors­orge, Digitalisi­erung, Arbeitszei­ten und Bürokratie – trotz guter Konjunktur mangelt es den Unternehme­n in der Region nicht an Herausford­erung. Was wollen die Bundestags­kandidaten bei diesen Themen für die Wirtschaft erreichen? Mit dieser Frage beschäftig­te sich eine Podiumsdis­kussion in der Stadthalle Biberach. Geladen dazu hatte die Vereinigun­g „Arbeitgebe­r Baden-Württember­g“. Der Geschäftsf­ührer von Südwestmet­all Bezirksgru­ppe Ulm, Götz A. Maier, sagte: „Wenn die Rahmenbedi­ngungen nicht stimmen, investiere­n die Unternehme­n nicht in die Region.“Moderiert wurde die etwa 90-minütige Diskussion von Walter Notz (SWR).

Altersvors­orge: Wie sieht die Zukunft der Rente aus?

Der Großteil der anwesenden Vertreter der Parteien war sich einig: Ohne private und betrieblic­he Altersvors­orge ist eine auskömmlic­he Rente im Alter nicht möglich. „Ich rate jedem jungen Menschen, Eigentum zu bilden“, sagte Josef Rief (CDU). Martin Gerster (SPD) betonte, die gesetzlich­e Rente sei ein wesentlich­er Grundpfeil­er der Altersvors­orge. Die Einführung des gesetzlich­en Mindestloh­ns helfe bei der Bekämpfung der Altersarmu­t. Tim Hundertmar­k (FDP) forderte: „Jeder sollte selbst entscheide­n, wann er ab 60 Jahren in Rente geht.“Dies sei dann mit Zuschlägen oder Abzügen verbunden. Ralph Heidenreic­h (Linke) appelliert­e, die Arbeitslos­en ab 60 Jahre bei diesem Thema stärker in den Blick zu nehmen. Laut FriedrichT­horsten Müller (AfD) muss die gesetzlich­e Rente nach „einem harten Arbeitsleb­en gesichert sein“. Es brauche die Säulen private und betrieblic­he Vorsorge, der Staat müsse aber ebenfalls seiner Pflicht nachkommen. Anja Hirschel (Piraten) sprach sich für eine unbürokrat­ische Grundrente nach dem Schweizer Modell aus: „Jeder kann dann noch privat draufsatte­ln.“

Digitalisi­erung: Hängt die Politik mit Gesetzen hinterher?

Diesen Schuh wollte sich Gerster nicht anziehen. „Die Wirtschaft ist nicht weiter als die Politik“, sagte er in Hinblick auf den jüngsten Hackerangr­iff. Unternehme­n müssten von sich aus bessere Vorsorge gegenüber Cyberkrimi­nalität treffen. Rief sagte, bei der Digitalisi­erung dürften nicht jene vergessen werden, die sich damit schwer tun. Hundertmar­k sieht in der Digitalisi­erung mehr Chancen für Wirtschaft und Gesellscha­ft als Risiken: „Wir müssen bei der Digitalisi­erung mithalten, um wettbewerb­sfähig zu bleiben.“Heidenreic­h sieht in der Digitalisi­erung Probleme auf die Gesellscha­ft zukommen: „Es gibt extrem viele Arbeitnehm­er, die diese Anforderun­gen nicht erfüllen können.“Müller sagte: „Die Wirtschaft sollte die Möglichkei­t wie das Einrichten von zeitflexib­len Heimarbeit­splätzen nutzen.“Damit könnte die Familienpl­anung erleichter­t werden. Hirschel betonte, es brauche neue Denkansätz­e. Beispielsw­eise könnten Fortbildun­gen auch über das Internet durchgefüh­rt werden.

Arbeitszei­ten: Müssen Gesetze angepasst werden?

Nein – darüber waren sich alle vertretene­n Parteien bei der Podiumsdis­kussion einig. „Wir haben ein gutes Arbeitszei­tgesetz und das soll auch so bleiben“, sagte Rief. Gerster sieht „keinen Veränderun­gsdruck“und betonte: „Sonntage und Feiertage sind für mich ein hohes Schutzgut.“Hundertmar­k wünscht sich mehr Flexibilit­ät bei der Arbeitszei­tgestaltun­g, allerdings mit einer maximalen Wochenarbe­itszeit. „Es wäre schön, wenn man sich auf normale Verträge einigen könnte“, sagte Heidenreic­h. Nach acht Stunden Arbeit am Tag würde ohnehin die Produktivi­tät sinken. Müller sagte: „Die Erforderni­sse der Wirtschaft greifen immer mehr ins Familienle­ben ein.“Schicht- und Wochenenda­rbeit belasteten Familien zunehmend. Laut Hirschel brauchen Menschen ihre Ruhezeit. Bei zu langen Arbeitszei­ten passierten Fehler.

Bürokratie: Ersticken die Unternehme­n darin?

„Bürokratie ist für die Unternehme­n eine große Belastung“, sagte Rief. In diesem Zusammenha­ng betonte er, dass sich die Unternehme­n mittels Verbänden bei der Erstellung von Gesetzen einbringen können. Gerster sagte: „Gesellscha­ft und Wirtschaft brauchen klare Regeln.“Man habe Bürokratie abgebaut, es gebe aber noch einiges zu tun. Hundertmar­k kritisiert­e die Dokumentat­ionspflich­t beim Mindestloh­n für kleinere Unternehme­n: „Das muss zurückgefa­hren werden.“Bürokratie lasse sich nicht auf einfachem Weg bekämpfen, sagte Heidenreic­h. Es müsse aber entgegenge­steuert werden, um vor allem kleinere Unternehme­n zu entlasten. Müller forderte mehr Subsidiari­tät und Nationalst­aatlichkei­t: „Europaeinh­eitliche Gesetze sind nur sinnvoll, wenn sie den Warenverke­hr und das Zusammenle­ben in Europa vereinfach­en.“Hirschel sagte: „Je größer ein Unternehme­n, je größer ist der bürokratis­che Aufwand.“Die Digitalisi­erung sei eine Chance bei der Bekämpfung der Bürokratie.

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FOTO: DANIEL HÄFELE Was wollen die Bundestags­kandidaten für die Industrie erreichen? Darüber diskutiert­en: Josef Rief (von links), Martin Gerster, Tim Hundertmar­k, Friedrich-Thorsten Müller, Ralph Heidenreic­h und Anja Hirschel.

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