Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mehr Digitalisierung, weniger Bürokratie
Bundestagskandidaten mehrerer Parteien diskutieren über Fragen der Unternehmenswelt
- Altersvorsorge, Digitalisierung, Arbeitszeiten und Bürokratie – trotz guter Konjunktur mangelt es den Unternehmen in der Region nicht an Herausforderung. Was wollen die Bundestagskandidaten bei diesen Themen für die Wirtschaft erreichen? Mit dieser Frage beschäftigte sich eine Podiumsdiskussion in der Stadthalle Biberach. Geladen dazu hatte die Vereinigung „Arbeitgeber Baden-Württemberg“. Der Geschäftsführer von Südwestmetall Bezirksgruppe Ulm, Götz A. Maier, sagte: „Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, investieren die Unternehmen nicht in die Region.“Moderiert wurde die etwa 90-minütige Diskussion von Walter Notz (SWR).
Altersvorsorge: Wie sieht die Zukunft der Rente aus?
Der Großteil der anwesenden Vertreter der Parteien war sich einig: Ohne private und betriebliche Altersvorsorge ist eine auskömmliche Rente im Alter nicht möglich. „Ich rate jedem jungen Menschen, Eigentum zu bilden“, sagte Josef Rief (CDU). Martin Gerster (SPD) betonte, die gesetzliche Rente sei ein wesentlicher Grundpfeiler der Altersvorsorge. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns helfe bei der Bekämpfung der Altersarmut. Tim Hundertmark (FDP) forderte: „Jeder sollte selbst entscheiden, wann er ab 60 Jahren in Rente geht.“Dies sei dann mit Zuschlägen oder Abzügen verbunden. Ralph Heidenreich (Linke) appellierte, die Arbeitslosen ab 60 Jahre bei diesem Thema stärker in den Blick zu nehmen. Laut FriedrichThorsten Müller (AfD) muss die gesetzliche Rente nach „einem harten Arbeitsleben gesichert sein“. Es brauche die Säulen private und betriebliche Vorsorge, der Staat müsse aber ebenfalls seiner Pflicht nachkommen. Anja Hirschel (Piraten) sprach sich für eine unbürokratische Grundrente nach dem Schweizer Modell aus: „Jeder kann dann noch privat draufsatteln.“
Digitalisierung: Hängt die Politik mit Gesetzen hinterher?
Diesen Schuh wollte sich Gerster nicht anziehen. „Die Wirtschaft ist nicht weiter als die Politik“, sagte er in Hinblick auf den jüngsten Hackerangriff. Unternehmen müssten von sich aus bessere Vorsorge gegenüber Cyberkriminalität treffen. Rief sagte, bei der Digitalisierung dürften nicht jene vergessen werden, die sich damit schwer tun. Hundertmark sieht in der Digitalisierung mehr Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft als Risiken: „Wir müssen bei der Digitalisierung mithalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“Heidenreich sieht in der Digitalisierung Probleme auf die Gesellschaft zukommen: „Es gibt extrem viele Arbeitnehmer, die diese Anforderungen nicht erfüllen können.“Müller sagte: „Die Wirtschaft sollte die Möglichkeit wie das Einrichten von zeitflexiblen Heimarbeitsplätzen nutzen.“Damit könnte die Familienplanung erleichtert werden. Hirschel betonte, es brauche neue Denkansätze. Beispielsweise könnten Fortbildungen auch über das Internet durchgeführt werden.
Arbeitszeiten: Müssen Gesetze angepasst werden?
Nein – darüber waren sich alle vertretenen Parteien bei der Podiumsdiskussion einig. „Wir haben ein gutes Arbeitszeitgesetz und das soll auch so bleiben“, sagte Rief. Gerster sieht „keinen Veränderungsdruck“und betonte: „Sonntage und Feiertage sind für mich ein hohes Schutzgut.“Hundertmark wünscht sich mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung, allerdings mit einer maximalen Wochenarbeitszeit. „Es wäre schön, wenn man sich auf normale Verträge einigen könnte“, sagte Heidenreich. Nach acht Stunden Arbeit am Tag würde ohnehin die Produktivität sinken. Müller sagte: „Die Erfordernisse der Wirtschaft greifen immer mehr ins Familienleben ein.“Schicht- und Wochenendarbeit belasteten Familien zunehmend. Laut Hirschel brauchen Menschen ihre Ruhezeit. Bei zu langen Arbeitszeiten passierten Fehler.
Bürokratie: Ersticken die Unternehmen darin?
„Bürokratie ist für die Unternehmen eine große Belastung“, sagte Rief. In diesem Zusammenhang betonte er, dass sich die Unternehmen mittels Verbänden bei der Erstellung von Gesetzen einbringen können. Gerster sagte: „Gesellschaft und Wirtschaft brauchen klare Regeln.“Man habe Bürokratie abgebaut, es gebe aber noch einiges zu tun. Hundertmark kritisierte die Dokumentationspflicht beim Mindestlohn für kleinere Unternehmen: „Das muss zurückgefahren werden.“Bürokratie lasse sich nicht auf einfachem Weg bekämpfen, sagte Heidenreich. Es müsse aber entgegengesteuert werden, um vor allem kleinere Unternehmen zu entlasten. Müller forderte mehr Subsidiarität und Nationalstaatlichkeit: „Europaeinheitliche Gesetze sind nur sinnvoll, wenn sie den Warenverkehr und das Zusammenleben in Europa vereinfachen.“Hirschel sagte: „Je größer ein Unternehmen, je größer ist der bürokratische Aufwand.“Die Digitalisierung sei eine Chance bei der Bekämpfung der Bürokratie.