Schwäbische Zeitung (Biberach)
Drei Großprojekte treffen aufeinander
Am Ulmer Hauptbahnhof gehen nun die Arbeiten für die Tiefgarage los
- Der Vorplatz des Ulmer Hauptbahnhofs ist nicht wiederzuerkennen: Bagger buddeln, Fußgänger werden an Bauzäunen vorbei auf ständig neuen Wegen geleitet, während sich die Autos auf verengten Fahrbahnen meist nur schleppend durch die Friedrich-Ebert-Straße quälen. Was für die einen nur ein tägliches Ärgernis ist, entscheidet für die anderen über die Zukunftsfähigkeit der Stadt: „Wir bauen an den Perspektiven“, sagte Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch beim „Baggerbiss“, dem offiziellen Baubeginn für die neue Tiefgarage.
Derzeit erlebe Ulm eine Zeit des Umbruchs und der Investitionen, wie es sie seit der Nachkriegszeit nicht mehr gegeben habe. Weit über 500 Millionen Euro würden allein die drei Großprojekte Sedelhöfe, Straßenbahnlinie 2 und die neue Tiefgarage verschlingen. Letztere ist mit 52 Millionen Euro da eher noch ein kleiner Fisch. Zusammengenommen seien die Projekte alle bedeutsam für die Zukunftsfähigkeit: Die Sedelhöfe, so Czisch, rüsten Ulm für einen veränderten Einzelhandel und die Linie 2 sowie die neue „Mobilitätsdrehscheibe“inklusive Parkhaus für die unterschiedlichen Transport-Bedürfnisse. Die gleichberechtigte Vernetzung unterschiedlichster Verkehrsmittel werde, so Czisch, in Zukunft eine große Rolle spielen. „Wir wollen Vorreiter sein.“Durch die Verknüpfung mit der Neubaustrecke 2021 werde der Standort zusätzlich an Attraktivität gewinnen: „Wer in Stuttgart arbeitet, will künftig in Ulm wohnen.“„Ein „ambitioniertes Unterfangen“nannte Ulms Baubürgermeister Tim von Winning das neue Parkhaus mit 540 Stellplätzen, das mit vier Geschossen 18 Meter tief in die Erde reichen wird. Bauherr ist die stadteigene Parkbetriebsgesellschaft PBG, deren bisher größte Einzelinvestition dies ist. Das Parkhaus mit vermutlich 144 Ladestationen für Elektroautos wird per Unterführung direkt mit dem Einkaufsquartier Sedelhöfe verbunden sein. Parken an dieser Stelle sei auch Teil einer „Willkommenskultur“, so von Winning.
Das Parkhaus und die Passage würden in Zukunft so etwas wie eine „Visitenkarte der Stadt“sein. Der künftige Tunnel unter der FriedrichEbert-Straße soll etwa doppelt so
ULM
breit und deutlich höher ausfallen als die bestehende, wenig einladende Passage. Auf der einen Seite dieses Verbindungsstücks von Bahnhof und Ulmer Innenstadt werden die Ausgänge des Parkhauses sein und auf der anderen Seite Geschäfte, die dann möglichst nahtlos in die Sedelhöfe übergehen sollen.
Per Deckelbauweise wird das Parkhaus erstellt. Das heißt: Erst wird die Oberkante, also das Dach des Bauwerks betoniert und dann in die Tiefe gebuddelt. Das habe den Vorteil, so von Winning, dass so relativ schnell mit dem Bau der Straßenbahnlinien am Bahnhofsvorplatz begonnen werden kann. Im Herbst 2020 soll das Parkhaus inklusive unterirdischem Kreisverkehr fertig sein.
Eine entscheidende Weichenstellung, wie es einmal darüber aussieht, müsse der Gemeinderat noch dieses Jahr treffen, so von Winning. Im Zentrum steht die Frage, ob auf dem Bahnhofsvorplatz neben dem Intercity-Hotel noch ein Bauwerk entsteht oder nicht. Von Winning würde städtebaulich ein weiteres Gebäude favorisieren, um den Platzcharakter zu stärken und das Thema Verkehr nicht zu dominant werden zu lassen. Klar ist schon jetzt, dass der Zentrale Omnibusbahnhof durch die Verengung der Friedrich-Ebert-Straße kleiner wird als bisher. Ob auch mit zusätzlichem Gebäude noch ein verkehrlich effizienter Betrieb möglich ist, werde noch geprüft.
Übrigens gibt es seit Mittwoch wieder eine direkte Ost-West-Gehverbindung zwischen Innenstadt und Hauptbahnhof sowie eine durchgängige Nord-Süd-Achse für Fußgänger Ulms Bürgermeister Gunter Czisch zwischen Wendeschleife und Busbahnhof. Dieser neu geöffnete Weg geht vom Hauptbahnhof kommend durch das bisherige Baufeld an den roten Baucontainern vorbei und verläuft dann parallel zur Straßenbahntrasse. Bei der Fußgängerampel gelangt man zur Bahnhofstraße und den Taxiständen.
Durch die Sperrung des ehemaligen Steigs 2 für den Fußverkehr sei es in den vergangenen Wochen immer wieder zu kritischen Situationen beim Queren der Straßenbahntrasse durch Fußgänger gekommen. Busse und Straßenbahnen befuhren diesen Bereich zuletzt nur noch im Schritttempo, um Passanten nicht zu gefährden. Beinahe-Zusammenstöße habe es aber auch in anderer Hinsicht gegeben: Wie Czisch beklagte, liegen bei vielen Pendlern offenbar die Nerven blank: In bisher nicht bekannter Weise wurde das eingesetzte Sicherheitspersonal angepöbelt und verbal beleidigt. „Das ist nicht hinnehmbar.“
„Wer in Stuttgart arbeitet, will künftig in Ulm wohnen.“