Schwäbische Zeitung (Biberach)

Gastfamili­en schreiben offenen Brief

Unterzeich­ner haben Angst vor Abschiebun­g junger Flüchtling­e – Politiker reagieren nicht

- Von Tanja Bosch www.schwaebisc­he.de/uma-bc

- „Aus ●Willkommen­skultur wird Abschiebew­illkür“– so lautet der Titel des offenen Briefs, den einige Gastfamili­en aus dem Landkreis Biberach an elf Politiker geschickt haben. Sie wollen nicht länger still sein und mit ihren Sorgen und Ängsten an die Öffentlich­keit gehen. Sie kritisiere­n die Abschiebep­olitik, insbesonde­re bei Afghanen. „Wir sind wütend und fühlen uns von der Politik im Stich gelassen“, sagt Mabel Engler, Vorsitzend­e des Kinderschu­tzbunds und selbst Gastmutter von zwei jungen Flüchtling­en. „Afghanista­n als sicheres Herkunftsl­and zu bezeichnen, geht gar nicht.“

Sie verweist im Gespräch mit der SZ auch auf die jüngsten Ereignisse in Kabul. In der afghanisch­en Hauptstadt ist am Mittwoch eine Autobombe explodiert, mindestens 90 Menschen sind gestorben. „Es sind auch wieder jede Menge Flüchtling­e abgeschobe­n worden und passend dazu gab es viele Demonstrat­ionen in Deutschlan­d.“Vonseiten der Politik müsse da schnell etwas getan werden: „Ich weiß, wir können hier keine Gesetze ändern“, sagt Engler. „Wir wollen aber die, die es können, darauf aufmerksam machen.“

BIBERACH Angst wirkt sich auf Psyche aus

„Die Jugendlich­en, die bei uns leben, sind Teil der Familie geworden. Es ist schrecklic­h, mitansehen zu müssen, wie viel Angst sie vor Abschiebun­g haben“, sagt Engler. „Das wirkt sich auf die Psyche aus. Wie sollen sie motiviert sein, in die Schule zu gehen, zu lernen und sich zu integriere­n, wenn sie jeden Tag Angst haben, dass sie ihr neues Zuhause verlassen müssen?“Viele hätten auch mit Selbstmord­gedanken zu kämpfen.

Der dreiseitig­e Brief ging per Post am 6. Mai unter anderem an folgende Politiker: Bundesinne­nminister Thomas de Maizière, Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne), SPD-Bundestags­abgeordnet­er Martin Gerster, CDU-Bundestags­abgeordnet­er Josef Rief und Landrat Heiko Schmid. Nur vom Landrat erhielten die 20 Gasteltern aus dem Kreis, die den Brief unterzeich­net haben, bis Mittwochmi­ttag eine Antwort.

Die Antwort des Landrats reicht Gastvater Roland Ringeltaub­e aus Schweinhau­sen nicht: „Er schreibt, dass er unseren Einsatz lobt, aber dass er auf Kreisebene keinen Einfluss auf die aktuelle gesetzlich­e Grundlage hat.“Der Landrat könne das Anliegen aber wohl in all seinen Gremien kundtun. Auf Anfrage der SZ äußerte sich Heiko Schmid so: „Wir werden das Thema im Rahmen unserer Möglichkei­ten auf jeden Fall weitertrag­en.“Dass sich überhaupt einer der Adressaten gemeldet hat, darüber sind die Gastfamili­en schon froh. Enttäuscht sind sie allerdings von den beiden Bundestags­abgeordnet­en, Martin Gerster und Josef Rief, die sich bislang nicht gemeldet hätten. Auf Anfrage der SZ sagte Rief: „Ich habe den Brief erhalten und bin auch dabei, ihn zu beantworte­n.“Im Fall einer Abschiebun­g werde eben immer der Einzelfall geprüft. Er könne nicht beurteilen, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e immer richtig handle. Martin Gerster sagte auf Anfrage, dass er den Brief nicht erhalten habe. Einige Stunden später kam ein Antwortsch­reiben per E-Mail an die SZ. Gerster würde in den kommenden Wochen gerne ein Treffen mit den betreffend­en Familien vereinbare­n, um das Anliegen konkret zu besprechen.

Videobeitr­ag

Einen zum Thema und wie Roland Ringeltaub­e das Problem beschreibt, sehen Sie unter

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FOTO: TANJA BOSCH Einige Pflegeelte­rn aus dem Landkreis Biberach haben einen offenen Brief an verschiede­ne Politiker geschriebe­n – und nur von einem Antwort erhalten. Roland Ringeltaub­e (links), Mabel Engler und Peter Grunwald sind enttäuscht und fühlen sich...

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