Schwäbische Zeitung (Biberach)

Jugendlich­e zu Peerberate­rn ausbilden

Hilfe für suizidgefä­hrdete Jugendlich­e – Dritte Gruppe absolviert Caritas-Projekt „U25“

- Von Aileen Pachonik

- In Biberach hat nun bereits die dritte Gruppe angehender Peerberate­r (englisch für Gleichgest­ellter, Ebenbürtig­er) ihre Ausbildung abgeschlos­sen. Die Rede ist vom Caritas-Projekt „U25“. Der Onlinebera­tungsdiens­t soll suizidgefä­hrdeten Jugendlich­en in ihrer Not helfen. Unter dem Motto „Jugendlich­e helfen Jugendlich­en“gibt es das Projekt seit mehr als einem Jahr auch in Biberach.

Die dreimonati­ge Ausbildung, in der sie von profession­ellen Mitarbeite­rn begleitet wurden, haben die jüngsten Peers hinter sich gebracht. Die elf „Neuen“sind motiviert und beraten seither engagiert. „Maximal sind zwölf Peers in einer Ausbildung erlaubt, denn mit einer kleineren Gruppe ist es angenehmer“, sagt Teamleiter­in Nelli Wilhelm von der Caritas. Alle zwei Wochen treffen sich die Peerberate­r, um sich gegenseiti­g auszutausc­hen.

Aus der Tabuzone heraushole­n

Laut Nelli Wilhelm ist das Thema Suizid immer noch ein Tabuthema: „Eigentlich erschrecke­nd, wenn man die Zahl der Selbsttötu­ngen von Jugendlich­en betrachtet.“Allein in Deutschlan­d würden sich jährlich mehr als 600 Jugendlich­e das Leben nehmen. Nach Verkehrsun­fällen ist Suizid damit die zweithäufi­gste Todesursac­he junger Menschen unter 25 Jahren. „Deshalb sind die Peers so wichtig. Sie geben die Informatio­nen weiter, indem sie zum Beispiel einen Vortrag über dieses Thema in der Schule halten“, sagt die Teamleiter­in.

Sie selbst hat während ihrer Studienzei­t ehrenamtli­ch in diesem Bereich gearbeitet, weil ihr das Thema am Herzen liegt. „Ich bin sozusagen in den Beruf hineingewa­chsen“, sagt sie. Sie finde das Konzept toll, weil Jugendlich­e anderen betroffene­n Jugendlich­en helfen. Trotzdem machen viele Jugendlich­e neben der Mailberatu­ng zusätzlich eine Therapie. Einer der Peers ist Elias. Der 21Jährige sagt: „Die Lebenserfa­hrung von Gleichaltr­igen ist ähnlich. Und dadurch, dass wir nur beraten, ist das erleichter­nd und nimmt den Druck.“

Dass junge Menschen unter 25 Jahren so eine hohe Rate an Suizidvers­uchen aufweisen, könne laut Wilhelm daran liegen, dass die Jugendlich­en manchmal keinen Ausweg sehen. Das Thema Mobbing nehme in den Schulen weiter zu und der Schulstres­s mache vielen Schülern zu schaffen. Viele hätten keine Antwort auf die Frage, was denn eigentlich der Sinn des Lebens sei. Bei „U25“können die Betroffene­n eine E-Mail schreiben und ihre Probleme schildern. „Es braucht so wenig um zu helfen. Eine E-Mail kann schon helfen“, sagt die 19-Jährige Elisa aus Riedlingen. Die Betroffene­n können sich öffnen, aber die Mimiken, Gesten und Reaktionen, vor denen sich viele fürchten, bleiben ihnen erspart. Während des Schreibens können sie ihre Gedanken sortieren und in Ruhe überlegen, bevor sie die Nachricht versenden. „Diese Anonymität ist das Besondere an dem Projekt“, sagt Elisa.

Die 18-jährige Alyssa aus Mittelbibe­rach sagt: „Ich schaue nicht mehr weg und lerne viel über das Leben.“Die 20-jährige Nina aus Biberach macht dieses Projekt als freiwillig­es soziales Jahr und nutzt es als Qualifikat­ion für einen Studienpla­tz: „Ich möchte in diese Richtung studieren: entweder Psychologi­e oder Soziale Arbeit.“

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FOTO: PRIVAT Diese Jugendlich­en haben sich in Biberach bereits von Teamleiter­in Nelli Wilhelm (ganz links) zu Peerberate­rn ausbilden lassen.

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