Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kritik an Landtagspr­äsidentin nimmt zu

Abgeordnet­e werfen Muhterem Aras vor, das Neutralitä­tsgebot ihres Amtes zu missachten

- Von Katja Korf

- Ihre Berufung galt lange als genialer Schachzug der Grünen: Muhterem Aras ist seit mehr als einem Jahr Präsidenti­n des Landtags. Die Rechtsanwä­ltin mit türkischen Wurzeln ist die erste Muslima an der Spitze eines deutschen Parlaments. Das brachte ihr und den Grünen ebenso wie dem Landtag mediale Aufmerksam­keit in Zeiten von AfD, Türkeikris­e und Flüchtling­sfragen. Doch nun gerät die Präsidenti­n unter Druck. Nach der SPD üben Abgeordnet­e der mitregiere­nden CDU-Fraktion Kritik.

„Das Veranstalt­ungsprogra­mm und vor allem die öffentlich­en Auftritte von Frau Aras jenseits der parlamenta­rischen Abende sind des öfteren schon allein von der Themenwahl her alles andere als parteipoli­tisch neutral. Ich schätze die Präsidenti­n als Aushängesc­hild einer offenen Gesellscha­ft. Das heißt aber nicht, dass sie sich nicht ans Neutralitä­tsgebot ihres Amtes halten muss“, sagt der Allgäuer CDU-Abgeordnet­e Raimund Haser. Aras fehle das notwendige Fingerspit­zengefühl. Als Parlaments­präsidenti­n soll Aras die Interessen des gesamten Landtags vertreten und diesen nach außen repräsenti­eren.

Auslöser der aktuellen Debatte ist eine Veranstalt­ung der Landeszent­rale für politische Bildung (LpB). Nur drei Tage vor den Bundestags­wahlen am 24. September lädt die LpB zu einer Podiumsver­anstaltung im Kreis Ludwigsbur­g. Unter dem Titel „Heimat neu denken“soll Aras mit anderen Teilnehmer­n debattiere­n. Die SPD sieht darin einen Verstoß gegen die Neutralitä­tspflicht der Präsidenti­n und der Landeszent­rale. Diese biete einer Grünen kurz vor der Wahl die große Bühne, lautet der Vorwurf.

Aras selbst will sich dazu nicht äußern. Eine Sprecherin der Landtagsve­rwaltung sagt: „Die Vorwürfe entbehren jeder Grundlage. An dem von der LpB veranstalt­eten Abend geht es um das Thema Heimat. Es handelt sich weder um eine Partei-, schon gar nicht um eine Wahlkampfv­eranstaltu­ng.“LpB-Chef Lothar Frick (CDU) schrieb in einer Stellungna­hme an die „Stuttgarte­r Zeitung“, die Runde mit Aras sei schon ausgemacht gewesen, bevor der Termin der Bundestags­wahl feststand. Außerdem komme auf dem Podium auch eine CDU-Gemeinderä­tin zu Wort.

Haser hält den Auftritt dennoch für fragwürdig. Er verweist darauf, dass Abgeordnet­e kurz vor Wahlen keine Auftritte in Schulen oder Ämtern absolviere­n dürfen. „Aber unsere Präsidenti­n darf wenige Tage vor der Wahl noch offensicht­lich politische Auftritte wahrnehmen? Das ist absurd.“

Spekulatio­n um OB-Kandidatur

Ähnliche Kritik üben Fraktionsk­ollegen, allerdings hinter vorgehalte­ner Hand. Die Zweifel an Aras seien durchaus unter den CDUlern verbreitet, heißt es. Aras verfolge keine überpartei­liche, sondern ihre eigene Agenda. So sei ihre Veranstalt­ungsreihe „Wertsachen“über die Werte der Demokratie zwar inhaltlich sinnvoll, aber doch sehr auf die Person Aras zugeschnit­ten. CDU-Abgeordnet­e spekuliere­n bereits, welches Amt Aras damit anstreben könnte – möglicherw­eise wolle sie den grünen Stuttgarte­r Oberbürger­meister Fritz Kuhn beerben. Allerdings warnen führende CDU-Vertreter vor zu viel Kritik an Aras. Sie erinnern daran, dass der heutige Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) 2014 Landtagspr­äsident war – und sich als solcher ins parteiinte­rne Duell um die Spitzenkan­didatur begab. Das sei nicht durchweg mit der Neutralitä­t des Amtes vereinbar gewesen.

AfD-Fraktionsc­hef Jörg Meuthen sagt zu Aras: „Im Januar hat Frau Aras als Präsidenti­n des Landtags von Baden-Württember­g der „Südwest Presse“gesagt: ,Wir können es uns nicht leisten, 15 Prozent der Wähler an die AfD abzugeben, sie abzuschrei­ben und als rechtsradi­kal abzustempe­ln.’ Damit erübrigt sich eigentlich jede Frage nach ihrer Ausgewogen­heit oder Überpartei­lichkeit und, wenn wir ganz penibel sein wollen, auch ihrer Eignung für diesen Job.“

Nicht zufrieden sind Abgeordnet­e damit, wie Aras Landtagssi­tzungen leitet. Besonders im ersten Halbjahr ihrer Amtszeit wirkte sie mit den Debatten oft überforder­t. FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke sagt dazu: „Sie hat nicht immer die Sitzungsle­itung im Griff. Aber wenn ich ihre Amtsführun­g betrachte, halte ich ihr zugute: Sie bemüht sich darum, keine Fraktion zu bevorzugen.“

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FOTO: ROLAND RASEMANN Muhterem Aras

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