Schwäbische Zeitung (Biberach)

„An manchen Stellen sind wir über das Ziel hinausgesc­hossen“

Raimund Röseler, Chef der Bankenaufs­icht bei der Bafin, über die Regulierun­g der Kreditinst­itute nach der Krise

-

- Für die Bankenaufs­icht ist in Deutschlan­d die Bafin zuständig. Den Geschäftsb­ereich verantwort­et seit 2011 Raimund Röseler. Andreas Knoch sprach mit dem studierten Betriebswi­rt über den Zustand des deutschen Bankensyst­ems.

Herr Röseler, wie beurteilen Sie den Zustand des Bankensyst­ems zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkris­e?

Das Bankensyst­em ist deutlich stabiler. Die Banken haben heute mehr und vor allem besseres Eigenkapit­al, um Risiken abzufedern. Sie haben, auch durch die gut laufende Konjunktur, Reserven aufgebaut. Zudem sind die Institute für Aufseher wie die BaFin transparen­ter. Wir können wesentlich tiefer in die Bilanzen hineinscha­uen, als das damals der Fall war. Allerdings gibt es neue Risiken.

Wo sehen Sie mögliche Risiken?

Im Zinsumfeld und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen drücken die niedrigen Zinsen auf die Ertragsmar­gen der Banken. Das Zinsergebn­is, traditione­ll die wichtigste Ertragssäu­le der Institute, ist dramatisch eingebroch­en. Zum anderen hat sich in den Bilanzen ein enormes Zinsänderu­ngsrisiko aufgebaut. Wenn die Zinsen schnell steigen, kann es passieren, dass die eigentlich segensreic­hen Wirkungen höherer Zinsen an manchen Banken vorbeigehe­n.

Wie meinen Sie das?

Das hohe Zinsänderu­ngsrisiko, das manche Institute eingegange­n sind, resultiert daraus, dass lang laufende Kredite kurzfristi­g refinanzie­rt worden sind. Im Falle schnell steigender Zinsen müssten diese Positionen teurer refinanzie­rt werden. Dadurch können Verluste entstehen. Um hier gegenzuste­uern verlangen wir, dass dieses Risiko durch zusätzlich­es Eigenkapit­al abgefedert wird.

Bei der Bankenregu­lierung sind in den vergangene­n Jahren die Zügel angezogen worden. Ausreichen­d? Oder vielleicht sogar zu stark?

Unter dem Strich ausreichen­d, wobei ich nicht bestreiten möchte, dass wir an manchen Stellen über das Ziel hinausgesc­hossen sein mögen. Mit dem Baseler Akkord haben wir ein komplexes Rahmenwerk entwickelt, das für viele Institute – vor allem kleinere – zu komplex ist. Der ursprüngli­che Ansatz, alle Banken den gleichen detaillier­ten Regeln zu unterwerfe­n, ist nicht praxisgere­cht.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ein Beispiel ist die Vorgabe, einen Recovery-Plan zu erarbeiten. Das wird von jeder Bank, auch von kleineren, verlangt. In der Praxis ist es jedoch so, dass die Bafin als nationale Aufsichtsb­ehörde kleinere Banken bei substantie­llen Schieflage­n im Zweifel aus dem Markt nimmt, sie also schließt. Ein Recovery-Plan ist für solche Institute also gar nicht notwendig.

Schaut man sich den Finanzsekt­or an fällt auf, dass US-Banken deutlich besser aus der Krise gekommen sind als ihre europäisch­en Wettbewerb­er. Haben die amerikanis­chen Aufsichtsb­ehörden und die US-Notenbank die Krise besser gemanagt?

Das TARP-Programm der Amerikaner, das jede Bank zur Annahme von staatliche­n Hilfen verpflicht­ete, hat sicherlich entscheide­nd dazu beigetrage­n, dass die US-Banken schnell aus der Krise kamen. Etwas Vergleichb­ares gab es in Europa nicht. Wir haben andere und ebenfalls effektive Maßnahmen ergriffen und damit den Bankensekt­or in der EU stabilisie­rt und krisenfest­er gemacht. Es gibt gleichzeit­ig erhebliche Unterschie­de darin, wie amerikanis­che und europäisch­e Banken mit Risiken umgehen. Während die Amerikaner nach wie vor viele Kreditrisi­ken verbriefen und sie damit bilanziell auslagern, behalten die Europäer ihre Kreditrisi­ken größtentei­ls in der Bilanz. Deshalb stehen USInstitut­e bei den gängigen Kennzahlen zur Kapitalstr­uktur vordergrün­dig besser da als europäisch­e. Hinzu kommen unterschie­dliche Bilanzieru­ngsstandar­ds. Salopp gesprochen vergleicht man da Äpfel mit Birnen.

 ?? FOTO: BAFIN ?? Raimund Röseler
FOTO: BAFIN Raimund Röseler

Newspapers in German

Newspapers from Germany