Schwäbische Zeitung (Biberach)

Alles außer Fußball

Ohne Job, aber glücklich – Armin Veh ist seit fast eineinhalb Jahren ohne Trainerjob, so lange wie fast nie

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BONSTETTEN (dpa) - Armin Veh denkt gerade nicht an große Titel, er freut sich über die kleinen Dinge. „Das ist gar nicht so schlecht, so ein kleiner“, sagt Veh und deutet auf das Rasenstück, das an seine Terrasse grenzt. „Der düngt nämlich gleichzeit­ig, da brauchst du nicht abkehren oder sonst was und hast eigentlich immer einen grünen Rasen.“Der Fußballleh­rer spricht über seinen kleinen Rasenmäher-Roboter, oder wie er ihn nennt: „Son' Ding, das selber fährt.“

Der 56-Jährige ist seit fast eineinhalb Jahren ohne Job im Profifußba­ll. Im Garten seines weißen Neubaus in einem Dorf bei Augsburg wirkt er so leger wie meist im Fernsehen. Veh ist für seine Verhältnis­se leicht gebräunt, trägt ein himmelblau­es T-Shirt mit dem von ihm bevorzugte­n V-Ausschnitt, die verwaschen­e Jeans hat einige Risse. Es könnte für ihn eigentlich gar nicht besser laufen. „Ich mach’ das, was mir Spaß macht“, sagt er.

Die bisherige Trainerkar­riere von Armin Veh verlief meistens besser als schlecht. Mit dem FC Augsburg, der SpVgg Greuther Fürth und dem SSV Reutlingen stieg er jeweils auf, Anfang 2002 rief dann mit Hansa Rostock erstmals ein Bundesligi­st. Zwei Saisons kämpfte Veh mit dem Club erfolgreic­h gegen den Abstieg, kurze Zeit später hatte er darauf keine Lust mehr und trat zurück. Veh war schon immer ein Selbstbest­immter. Wo es ging, trat er aus eigenen Stücken zurück. Manchmal waren die Vereine schneller.

Seine Frau Helena bietet Kaffee an. „Mit was drin?“, fragt die Schweizeri­n. Seit Beginn von Vehs Trainerkar­riere Ende der Achtziger sind die beiden verheirate­t. Nur einmal war ihr Ehemann seitdem länger ohne Trainerjob als jetzt. Vehs seit fast drei Jahren arbeitslos­er Kollege Peter Neururer hat mal gesagt, dass er vor Langeweile fast durchdrehe­n würde und manchmal sogar Fliegen an der Wand zähle. „Der Peter, hah, ein lustiger Hund“, so Veh. „Er sagt des auch ehrlich so, aber das hab’ ich jetzt noch nicht gehabt. Aber, ich mein, so lang hab ich auch noch keine Pause gehabt.“

Veh ist ein Sympathiku­s. Er legt da viel Wert drauf. Er begrüßt einen mit lockerem Handschlag und duzt. Auf dem Tisch steht nicht nur frischer Kaffee, es gibt auch ein paar Teilchen vom Bäcker. Auf eine Diät würde Veh so schnell ohnehin nicht kommen. Denn: „Man muss sich wohlfühlen, das ist das wichtigste.“Von den Teilchen rührt er aber keines an. Er will gleich noch ins Fitnessstu­dio.

Es gibt im Fußballges­chäft nicht viele, die öffentlich schlecht über Armin Veh reden. Als Veh noch Trainer von Eintracht Frankfurt war, hatte er sich in einer Livesendun­g von Sky mal mit Winnie Schäfer gezofft, „den er einfach nicht leiden“kann, wie er sagte. Schäfer schien davon so verdattert, dass er nicht mal im Ansatz etwas Schlechtes über Veh erwidern konnte. Stattdesse­n antwortete der Blondschop­f nur: „Ich hoffe, dass Sie die nächsten Spiele gewinnen.“

Stuttgart-Engagement als Fehler

Kritik an Veh gab es ansonsten meistens nur hinter vorgehalte­ner Hand. Dass er manchmal etwas zu bequem oder an freien Tagen zu oft in die Heimat nach Augsburg gebraust sei, sind zwei solcher Vorwürfe. Dass er hin und wieder nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Mannschaft­en gegenüber zu lässig agiert habe, sie nicht immer begeistern konnte, ist ein anderer. Veh streitet das zumindest indirekt nicht ab. „Ich kann nur Dinge machen, wenn ich auch leidenscha­ftlich bin“, sagt er. Eben diese Leidenscha­ft habe ihm bei seinen letzten Stationen in Frankfurt und beim VfB Stuttgart gefehlt. „Im Nachhinein muss ich sagen, ich hätte beide Dinge nicht machen dürfen. Ich hätte Stuttgart nicht machen dürfen und Frankfurt auch nicht ein zweites Mal.“Er hat es trotzdem gemacht.

Etwas über vier Monate hielt er sich in Stuttgart, immerhin 27 Spiele waren es bei der Eintracht. Mit beiden Clubs hatte er zuvor seine wohl größten Erfolge als Coach gefeiert, den VfB 2007 sensatione­ll zur Meistersch­aft geführt, die Frankfurte­r 2012 zurück in die Bundesliga und anschließe­nd überrasche­nd nach Europa. Zumindest der Vorwurf der anschließe­nden Rückkehr zu beiden Vereinen lässt sich Veh nicht machen. Denn zu Hause ist es immer noch am schönsten.

Er hat auch die Meistersch­ale von 2007 noch, zumindest eine originalge­treue Kopie. Die habe jeder, der damals dabei war, für 2500 Euro kaufen können. Sie steht über dem Kamin, mitten in seinem Wohnzimmer. „Fühlt sich schon gut an, oder?“, grinst er. 50 Zentimeter Durchmesse­r, etwas über zehn Kilogramm schwer: der Beweis für Vehs bis heute größten Moment in seinem Trainerleb­en. 250 000 Menschen haben ihn und den VfB vor zehn Jahren in der Stuttgarte­r Innenstadt gefeiert. Diese Energie sei was Schönes, sagt er heute.

„Ich liebe den Fußball, ja. Ich lieb' den Sport.“Veh verfolgt natürlich genau, was gerade in der Bundesliga los ist. Julian Nagelsmann ist gerade 30 Jahre alt geworden und geht bereits in seine zweite Saison bei der TSG Hoffenheim. Domenico Tedesco ist 31 und hat nach gerade mal wenigen Monaten beim Zweitligis­ten Erzgebirge Aue den Job bei einem Spitzenclu­b wie dem FC Schalke 04 bekommen. Sogar seine Frau registrier­t das. „Ein knappes halbes Jahr bei Aue und jetzt ist er Schalke-Trainer“, sagt sie: „Das ist ja witzig“.

Ganz so witzig findet ihr Mann das nicht. Tatsächlic­h spielte der Name Veh öffentlich kaum eine Rolle, als Clubs wie Schalke oder Bayer 04 Leverkusen vor Wochen einen neuen Trainer suchten. Er war stattdesse­n viel unterwegs, mal bei Freunden in Rostock, mal auf Mallorca, „ich hab' ja 1000 Möglichkei­ten“. Alles tolle Dinge, aber alles kein Fußball.

Neid empfinde er aber nicht, sagt er, als er auf seine jungen Kollegen in der Liga angesproch­en wird. Er hat aber eine klare Meinung: „So leicht wie heute, Bundesliga-Trainer zu werden, war es noch nie.“Er habe zwar auch mit 29 angefangen: „Aber ich musste schon dreimal Meister werden und aufsteigen bis ich dann eine Chance bekommen hab' in der Bundesliga.“

Er holt jetzt noch eine Flasche Wasser aus dem Kühlschran­k, „ganz reines Wasser aus der Region, viele Nährstoffe“. Es gibt nur ganz wenige Momente, in denen Armin Veh mal sentimenta­l zu werden scheint. Er macht stattdesse­n den Eindruck, als würde er noch ewig so weiterlebe­n können. Wenn er gewollt hätte, hätte er ja schon lange wieder als Trainer arbeiten können, sagt er. Aber nicht um jeden Preis. Auch sein Karriereen­de könne er sich vorstellen, wenn kein passendes Angebot mehr komme.

Nur einmal bröckelt in über zwei Stunden seine Distanz. Nochmal angesproch­en auf die Bundesliga und ihre ganzen jungen Trainer, sagt er zwei Sätze, die fast in seiner langen Antwort untergehen, die aber dennoch fallen: „Es gibt schon Momente, wo man's wirklich vermisst“, meint er nachdenkli­ch. „Das gibt's schon.“

Lange hält er sich mit dem Gedanken aber nicht auf, er muss auch langsam los zum Sport.

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FOTO: DPA Armin Veh genießt derzeit vor allem die Zeit in seinem Haus in Bonstetten.

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