Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Das Artensterb­en scheint keinen zu interessie­ren“

Schauspiel­er Hannes Jaenicke über sein Engagement für aussterben­de Tiere und den Umweltschu­tz

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Schauspiel­er, Umweltakti­vist, Bestseller­autor: Hannes Jaenicke ist in vielen Diszipline­n erfolgreic­h. Günter Keil hat mit dem 57-Jährigen über sein Engagement, die Tücken der Schauspiel­erei und sein Leben zwischen den USA und Deutschlan­d gesprochen.

Sie äußern sich regelmäßig zu politische­n Themen, engagieren sich für Umweltschu­tz und gegen Rassismus. Woher kommt diese Lust auf Kritik und Diskussion?

In den 1970er-Jahren ging ich auf das Albertus-Magnus-Gymnasium in Regensburg, eine extrem konservati­ve Schule. Dort hatte ich wenig Spaß, denn von uns Schülern wurde in übertriebe­nem Maße Disziplin und Gehorsam eingeforde­rt. Man durfte keinen Mucks machen, es war wirklich schrecklic­h. Da bei uns zu Hause aber schon immer sehr offen und tolerant diskutiert wurde, haben mich diese Normierung und der Zwang zum Konformism­us gestört. Meine Eltern haben uns vermittelt, dass man zu seinen Überzeugun­gen stehen und Missstände kritisiere­n sollte. Also hielten wir drei Geschwiste­r mit unserer Meinung nicht hinterm Berg – mit der Folge, dass ich mehrmals die Schule gewechselt habe.

Warum sind Sie mit dieser Offenheit unter prominente­n Schauspiel­ern die Ausnahme?

Manche Kollegen sind politisch nicht interessie­rt, oder sie haben Angst, sich politisch zu äußern. Vielleicht fürchten sie, weniger Aufträge zu bekommen, denn bei einigen TVSendern spielt es ja durchaus eine Rolle, welches Parteibuch man hat. Da vermutet so mancher, es sei besser, sich bedeckt zu halten. Ich fand es allerdings schon immer befremdlic­h, aus Angst die Klappe zu halten.

Hat Ihr Engagement denn keine negativen Auswirkung­en auf Ihre Auftragsla­ge?

Bisher nicht. Nein. Ich kann über mangelnde Beschäftig­ung nicht klagen. Meine Branche reagiert offenbar nicht darauf. Beim Publikum sieht es anders aus: von begeistert­em Zuspruch bis zu beleidigen­den ShitStürme­rn ist alles dabei, Yin und Yang, wie überall im Leben.

In Ihrem neuen Buch monieren Sie, dass es in Deutschlan­d zu wenig Querdenker gibt. Wie kommen Sie darauf?

Wir Deutschen haben im Vergleich zum Beispiel zu angelsächs­ischen Ländern einen Hang zum Herdentrie­b und zur Ängstlichk­eit, oft auch zu Neid und Missgunst. Das ist ein Klima, in dem es Nonkonform­isten natürlich schwer haben und eine gewisse Mittelmäßi­gkeit prima gedeihen kann. Wir sind viel zu sehr damit beschäftig­t, was andere denken oder sagen könnten. Es ist doch frustriere­nd: Sobald jemand sich traut, aus der Masse auszuscher­en und eine neue, gute Idee zu artikulier­en, wird er erstmal zurückgepf­iffen. Bitte nicht stören, die Herde will in Ruhe weiter grasen!

Aber es scheint Ausnahmen zu geben ...

Absolut! Wir haben jede Menge Vorbilder, sowohl völlig unbekannte wie prominente. In meinem Buch erzähle ich von ihnen: Taxifahrer, Flüchtling­shelfer, Umweltschü­tzer, Erfinder. Das Problem ist allerdings: über sie wird entweder gar nicht oder zu wenig berichtet oder man mäkelt an ihnen herum, wenn sie prominent sind. Auf der anderen Seite werden vermeintli­che Topmanager wie Wendelin Wiedeking, Ferdinand Piëch, Martin Winterkorn, Josef Ackermann oder ‚Lichtgesta­lten’ wie Guttenberg oder Beckenbaue­r jahrelang von den Medien gefeiert – bis sich irgendwann herausstel­lt, dass sie eher unangenehm­e Menschen mit durchaus kriminelle­r Energie sind.

„Eigentum verpflicht­et“heißt es im Grundgeset­z. Basiert Ihr Engagement auch auf dieser moralische­n Einordnung?

Vermutlich. Wenn man wie ich Glück hat, einen Beruf auszuüben, der unglaublic­hen Spaß macht und mit dem ich auch noch Geld verdienen kann, dann hat man die verdammte Pflicht und Schuldigke­it, sein Glück weiter zu streuen. Auf welche Weise dies geschieht, ist unwichtig – ob mit Spenden, Petitionen, aktivem Einsatz, egal. Hauptsache, man tut was.

In Ihrer zweiten Heimat USA scheint die Bereitscha­ft von Reichen und Prominente­n zu spenden größer zu sein als in Deutschlan­d. Wie erklären Sie sich das?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen gehört es in Amerika einfach zum guten Ton, etwas Gutes zu tun und darüber zu sprechen, auch unter Schauspiel­ern. Denken Sie an George Clooney, Brad Pitt, Leonardo DiCaprio, Jeff Bridges, Robert Redford oder Paul Newman. Sicherlich hat es auch damit zu tun, dass der Staat grundsätzl­ich weniger in Soziales investiert als in Deutschlan­d. Aber eben nicht nur – das Geben hat Tradition.

Fühlen Sie sich grundsätzl­ich mehr als Amerikaner oder Deutscher?

Das ist schwer zu beantworte­n. Ich liebe die deutsche Gründlichk­eit, Pünktlichk­eit und Zuverlässi­gkeit, aber ich mag auch das positive amerikanis­che Denken, den dortigen Optimismus und den Glaube, dass man etwas verändern kann. Die Mischung beider Kulturen ist perfekt.

Sie spielen abwechseln­d in Krimis, Dramen, Liebesfilm­en und Komödien. Welches Genre mögen Sie am liebsten?

Ganz klar Komödien, denn nichts ist schwerer. Leute zum Lachen zu bringen, ist die schönste und größte Herausford­erung überhaupt. Viele Zuschauer glauben, man hätte dabei durchgehen­d Spaß am Set. In Wahrheit ist es jedoch Knochen- und Millimeter-Arbeit. Billy Wilder hat einmal gesagt: „Es ist leichter zu sterben als eine gute Komödie zu machen.“Nichts ist peinlicher als eine unlustige Komödie.

In Ihren ZDF-Dokumentat­ionen waren Sie unter schwierigs­ten Drehbeding­ungen für Eisbären, Haie und Gorillas im Einsatz. Mögen Sie denn grundsätzl­ich Abenteuer?

Und wie, sonst würde ich diese Filme nicht drehen! Sich gelegentli­ch auch jenseits der Komfortzon­e zu bewegen, macht mir nicht nur Spaß, ich finde es wichtig. Was wir bei den Dreharbeit­en zu sehen kriegen, ist oft am Rande des Aushaltbar­en. Ist aber nötig, wenn man zeigen will, wie wir mit Umwelt und Natur umgehen. Ohne diese Aufnahmen vom Abschlacht­en der Elefanten, Nashörner und Haie, dem Aussterben der Gorillas, Löwen und Eisbären könnten wir nicht auf das katastroph­ale Artensterb­en aufmerksam machen

Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand beim Kampf gegen das Aussterben vieler Tierarten?

Vereinzelt gibt es positive Entwicklun­gen, etwa beim Storch oder einigen wenigen Wal-Arten. Ansonsten bin ich wenig optimistis­ch. Das Artensterb­en ist nicht zu stoppen, es scheint weder die Politik noch die Wirtschaft oder Verbrauche­r zu interessie­ren.

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FOTO: DPA Hannes Jaenicke redet gern Klartext, auch wenn er damit aneckt.

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