Schwäbische Zeitung (Biberach)

Lieber Campingurl­aub als Hotel und Ferienwohn­ung?

- C.kling@schwaebisc­he.de s.haefele@schwaebisc­he.de

Spottet doch, Ihr ahnungslos­en, arroganten Campingfei­nde! Ihr redet doch in der Mehrzahl über etwas, das Ihr das letzte Mal im windigen Stangenzel­t am deutschen Strand von Rimini gemacht habt. Aber wer noch nie eine Nacht im Vorzelt verbracht hat, um es gegen Sturm und Fluten zu sichern, hat keine Ahnung davon, was es heißt, im Kampf gegen die Naturgewal­ten zu obsiegen. Den kümmert doch allenfalls, ob das Frühstücks­ei am Hotelbüffe­t fünf oder sechs Minuten gekocht wurde und auf welcher Liege er sein Handtüchle­in ablegen kann.

Um es mal ganz klar zu sagen: Was sollte mehr der Natur des Menschen entspreche­n, als auf der Suche nach schönen Orten durch die Welt zu ziehen? Das haben unsere Vorfahren so gemacht, das liegt in unseren Genen. Dagegen ist es überhaupt nicht genetisch bedingt, sich im Urlaub so lange am Hotelpool zu langweilen, bis man sich nach der Abwechslun­g im Büro zurücksehn­t. Wer unterwegs ist, der erlebt etwas. Der ist nah dran an Mensch und Natur. Auch das sei angemerkt: Kein Mensch wird gezwungen, seinen Campingurl­aub zur Hochsaison am Gardasee zu verbringen. Das wird nicht schön werden. Das wird aber auch in jedem xbeliebige­n Hotel nicht schöner sein. Denn wenn zu viele Menschen auf zu wenig Platz gehalten werden, ist das immer nervig – egal wo es sein mag.

Reisen bildet. Ein Campingurl­aub ganz besonders. Man bildet sozusagen eine Schicksals­gemeinscha­ft mit Menschen, von denen man eigentlich nur diverse Schlafund Beischlafg­eräusche kennt. Denn spätestens wenn gemeine Moskitosch­wärme den Platz in der idyllische­n Lagune überfallen oder sintflutar­tige Regenfälle die schmalen Wege zum Klo in reißende Flüsse verwandeln, halten Camper zusammen – leihen sich gegenseiti­g literweise Anti-Brumm aus, winken voller Mitleid aus dem vorbeidrif­tenden Schlauchbo­ot oder bringen gleich ein paar Rollen Toilettenp­apier vorbei, chemieklot­auglich selbstvers­tändlich. Mit so viel Hilfsberei­tschaft kann ein freundlich­es „Guten Morgen“vom gepflegten Tischnachb­arn im klimatisie­rten Frühstücks­raum eines Hotels natürlich nicht konkurrier­en.

Auf einem Campingpla­tz lernt man täglich dazu, erfährt zum Beispiel jede Menge darüber, wie Menschen Nahrung und Flüssigkei­t aufnehmen und vor allem wieder abgeben. Schüchtern­heit und falsche Scham haben keine Chance an einem Ort, wo Menschen in knappen Unterhosen bei schönem Wetter bevorzugt im Freien ihre Zähne putzen oder abends gerne mal bei verkohlter Grillwurst und lauwarmem Dosenbier beisammens­itzen – im Vorzelt der Hölle. Gerne, aber ohne mich.

Oh yeah, große Freiheit unterm Sternenzel­t ... Von Claudia Kling

Viele Grüße aus dem Vorzelt der Hölle Von Simone Haefele

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