Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kleine Männchen bevölkern die Stadt
Die Figuren des spanischen Künstlers Isaac Cordal erobern Ulm
(sz) - Ein kleiner Mann im grauen Anzug steht am Abgrund. Ängstlich geht der Blick hinab, die Krawatte sitzt schief, der Blick ist skeptischängstlich. Der kleine Mann ist etwa 20 Zentimeter groß und Teil einer freundlichen „Invasion“in Ulm, hinter der die Griesbadgalerie und die Kulturbar „Stiege“stecken.
Kleine Männer im Anzug aus Zementguss sind die Protagonisten des Kunstprojekts „Cement Eclipses“. An rund einem Dutzend Stellen in der Ulmer Innenstadt sind die Figuren verteilt. Teilweise gut versteckt, teilweise schnell zu entdecken.
Der Künstler, der diese Männchen ersonnen hat, ist der Galizier Isaac Cordal. Der Spanier, der in Pontevedra und in London Kunst studierte, ist ein stiller, bescheidener Künstler. Seit einigen Jahren lebt er in Brüssel, ist allerdings oft in der ganzen Welt unterwegs, wo seine geistreichen Miniatur-Installationen gefragt sind.
Dabei ist seine Kunst oftmals eine Aneignung des öffentlichen Raumes – denn Cordal geht als Street-ArtKünstler oftmals nicht den Weg über öffentliche Ämter. Seine Figuren werden ganz offensichtlich am helllichten Tag platziert, sie sind so dezent, dass sie in der Regel nicht in einen Topf geworfen werden mit Graffiti. Was schnell als Vandalismus gesehen wird. So darf auch wie selbstverständlich ein Cordal-Figürchen am Ordnungsamt ins Gewimmel gucken.
„Cement Eclipses“ist Teil des Kooperationsprojektes von „Stiege“und „Griesbadgalerie“, wobei die Galerie und der öffentliche Raum die eigentliche Ausstellung präsentieren, während die „Stiege „quasi das Vergangene dokumentiert und mit zwei Videofilmen auch den Aufbau der Ulmer Cordal-Invasion zeigt.
Seine Männchen sind in Arbeitskleidung, Anzug oder Frack gekleidet. Dem öffentlichen Raum ausgesetzt, hat das eine humorvolle Wirkung. Witzig allerdings in einem mit viel Nachdenklichkeit, ja auch Traurigkeit gepaarten Sinne. Es sind die Heerscharen der anonymen „leidenden Angestellten“, der grauen Niemande, die das Kapitalsystem am Laufen halten, ohne selbst davon etwas abzuhaben. Sehr bewusst zeigt Cordal seine Figuren als Einsame, Ausgesetzte – als Figuren, die sich fragen, wie sie in diese Situation geraten konnten.
In der Griesbadgalerie sieht man dann diese Männchen auch in einem Berg von geschreddertem Papier, ein Totenkopfmann inklusive. Und Geflüchtete sieht man auf Schuttbergen, ein ebenso anrührender wie drastischer Fingerzeig auf das Leid, das vor den Toren Europas zum Alltag geworden ist. Schaut nicht weg, sagt Cordals Kunst. Sie fängt den Betrachter mit einem Lächeln ein. Entlässt ihn aber mit dem Besten, was Kunst auszulösen vermag: ein Staunen, ein Nachdenken, ein geklärter Blick auf die Realität. Cordal schenkt der Stadt die installierten Figuren im öffentlichen Raum. Zu sehen sind beide Ausstellungen bis 13. August. Öffnungszeiten: Am Freitag von 17 bis 21 Uhr, Samstag und Sonntag von 13 bis 18 Uhr. Täglich kann man die Figuren bei schönem Wetter ab 18 Uhr an der „Stiege“betrachten.