Schwäbische Zeitung (Biberach)

CDU wirft SPD im Fall des Hamburger Messerstec­hers Nachlässig­keit vor

Gesetz zur Abschiebeh­aft trat erst einen Tag nach der Tat in Kraft – Sozialdemo­kraten betonen: „Nicht als Gefährder eingestuft“

- Von Andreas Herholz

- Am Montagnach­mittag die Wende: Die Bundesanwa­ltschaft übernimmt „wegen der besonderen Bedeutung des Falles“die Ermittlung­en gegen den Attentäter von Hamburg. Der Palästinen­ser hatte am Freitag in einem Supermarkt der Hansestadt einen Mann erstochen und sieben Menschen zum Teil schwer verletzt.

Mann war wohl Einzeltäte­r

Laut Generalbun­desanwalt liegt ein radikal-islamische­r Hintergrun­d nahe. Hinweise darauf, dass der mutmaßlich­e Täter Verbindung­en zur Terrormili­z „Islamische­r Staat“oder einer anderen Gruppierun­g hatte, gebe es bislang nicht, heißt es. Der 26-jährige ausreisepf­lichtige Flüchtling, der 2015 aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten über Norwegen nach Deutschlan­d gekommen war, soll sich selbst radikalisi­ert haben. Bei seiner Festnahme soll er selbst erklärt haben, er wolle als Terrorist behandelt werden. Zunächst waren die Sicherheit­sbehörden davon ausgegange­n, dass es sich nicht um Terror, sondern um die Tat eines psychisch Labilen gehandelt hat. Der 26-Jährige war bereits zuvor aufgefalle­n. Er wollte selbst ausreisen, was allerdings mangels Ausweispap­ieren noch nicht möglich war.

Der Fall hat daher eine neue Sicherheit­sdebatte ausgelöst, Union und SPD streiten über Ursachen und Konsequenz­en. Unionsinne­nexperte Stephan Mayer (CSU) hatte im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“die SPD indirekt mit dafür verantwort­lich gemacht, dass der gefährlich­e Islamist nicht in Abschiebeh­aft gesessen hatte. Das erst am Samstag – einen Tag nach der Tat – in Kraft getretene Gesetz zur besseren Durchsetzu­ng der Ausreisepf­licht ermöglicht eine Ausweitung der Abschiebeh­aft von Gefährdern und der Überwachun­g durch elektronis­che Fußfesseln.

CSU-Innenexper­te Mayer warf der SPD vor, das Gesetz ein Jahr lang blockiert zu haben. „Die SPD hat dies lange verhindert“, kritisiert­e er. Wäre die neue Regelung früher in Kraft getreten, hätte man die Möglichkei­t gehabt, den Hamburger Attentäter bis zu seiner Abschiebun­g in Haft zu nehmen, so Mayer.

Allerdings hatten die Sicherheit­sbehörden den Islamisten zwar beobachtet, aber offenbar nicht als Gefährder eingestuft. Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) wies daher die Vorwürfe der Union zurück: Da es offenbar keine Anzeichen dafür gegeben habe, dass der Mann ein radikaler Gefährder gewesen sei, habe man ihn auch nicht in Abschiebeh­aft nehmen können. Jetzt gelte es aufzukläre­n, ob man den Mann bis zu seiner Abschiebun­g hätte inhaftiere­n können, heißt es aus dem Bundesinne­nministeri­um.

CDU-Innenexper­te Wolfgang Bosbach nimmt SPD und Sicherheit­sbehörden vorerst in Schutz. „Da bin ich vorsichtig. Erst prüfen, dann bewerten und falls notwendig Konsequenz­en ziehen“, sagte er. In den letzten Jahren seien die rechtliche­n Möglichkei­ten für eine zügige Durchsetzu­ng der Ausreisepf­licht, insbesonde­re für Straftäter und Gefährder, erheblich ausgeweite­t worden. Diese müssten jetzt konsequent angewandt werden, fordert Bosbach. Es werde zunehmend schwierige­r, die hohe Zahl von islamistis­chen Gefährdern zu überwachen.

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FOTO: DPA Ein 26-Jähriger hat am Freitag in Hamburg einen Menschen mit einem Messer getötet und sieben weitere verletzt.

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