Schwäbische Zeitung (Biberach)

Eier-Skandal im Süden angekommen

Drei Millionen Stück nach Deutschlan­d geliefert – Minister Hauk gibt leichte Entwarnung

- Von Annette Birschel

BERLIN/STUTTGART (AFP/dpa) Der Skandal um mit einem Insektengi­ft belastete Eier weitet sich bundesweit aus. Es habe sich gezeigt, „dass Deutschlan­d stärker betroffen ist als zunächst angenommen“, sagte Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) am Donnerstag­abend in Berlin. Die deutschen Behörden gingen derzeit davon aus, dass mittlerwei­le zwölf Bundesländ­er betroffen seien, darunter auch Baden-Württember­g und Bayern. Es seien mindestens drei Millionen mit dem Insektizid Fipronil, das unter anderem gegen Flöhe, Läuse, Zecken, Schaben und Milben eingesetzt wird, kontaminie­rte Eier aus den Niederland­en nach Deutschlan­d geliefert worden. Ein großer Teil davon sei in den Handel gelangt.

Am Abend gab der baden-württember­gische Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) jedoch vorläufige Entwarnung. Die betroffene­n Eier seien nicht mehr in den Geschäften, sagte Hauk im Radioprogr­amm SWR Aktuell. „Der Lebensmitt­elhandel hat schnell reagiert, und alle Eier aus den Niederland­en dürften sich jetzt nicht mehr in den Regalen befinden“, sagte Hauk. „Insofern besteht keine akute Gefahr, wenn man neue Eier einkauft.“Das Ministeriu­m habe aber keine Kenntnis darüber, wie viele der betroffene­n Eier bereits gekauft wurden, ergänzte Hauks Sprecherin Isabel Kling wenig später. Insofern sei weiter Vorsicht geboten. Minister Hauk selbst empfahl den Verbrauche­rn, bereits erworbene Eier aus den Niederland­en nicht zu verzehren, weil die Gefahr bestehe, dass das Insektizid enthalten sei.

Mindestens 268 000 möglicherw­eise mit Fipronil verseuchte Eier seien indes an den Handel in Bayern geliefert worden. Diese Eier dürften nicht weiter verkauft werden, eine Rücknahme sei bereits eingeleite­t worden, teilte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) am Donnerstag­nachmittag in Oberschlei­ßheim bei München mit.

Der Ursprung des Skandals liegt nach bisherigen Erkenntnis­sen in Belgien, wo offenbar ein rein pflanzlich­es Desinfekti­onsmittel mit dem für die Nutztierha­ltung verbotenen Fipronil „gepanscht“wurde. Das mit dem Insektengi­ft versetzte Desinfekti­onsmittel sei auch nach Deutschlan­d geliefert worden.

AMSTERDAM/DÜSSELDORF (dpa) Im Skandal um Millionen Eier, die mit dem Insektenve­rnichtungs­mittel Fipronil belastet sind, hat die EUKommissi­on die Verbrauche­r beschwicht­igt. „Die Höfe sind identifizi­ert, die Eier geblockt, verseuchte Eier sind vom Markt genommen und die Situation ist unter Kontrolle“, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Donnerstag. „Wir stehen im permanente­n Kontakt mit unseren Kollegen in den Mitgliedst­aaten, die mit der Sache befasst sind.“Eine weitere Sprecherin sicherte zu: „Sie können also unbeschade­t Eier essen, hoffentlic­h.“

Inzwischen wurden in mehr als der Hälfte der deutschen Bundesländ­er Funde von Eiern bekannt, die mit dem Mittel belastet waren, auch in Baden-Württember­g und Bayern. Discounter nahmen Eier aus Betrieben unter Fipronilve­rdacht aus ihren Regalen.

Belastete Eier aus den Niederland­en, darunter auch Bio-Eier, waren Behörden zufolge in den Handel gelangt. Aber auch fünf niedersäch­sische Legehennen­halter stehen unter Verdacht, Ställe mit fipronilha­ltigem Anti-Läusemitte­l Dega-16 desinfizie­rt zu haben. Ihre Höfe wurden geschlosse­n. Bei einem von ihnen wurden belastete Eier schon festgestel­lt. Mittlerwei­le nimmt die Kritik an den Behörden zu. Verbrauche­rschützer klagten am Donnerstag über ein Versagen der Kriseninfo­rmation. Niederländ­ische Züchter sprachen von „Panikmache“.

Unklar ist, ob auch Lebensmitt­el belastet sein können, in denen Eiern verarbeite­t wurden. Die niederländ­ischen Behörden kontrollie­ren bereits Produkte wie Pasta oder Kuchen. Niedersach­sens Agrarminis­ter Christian Meyer (Grüne) betonte: „Bei diesem toxischen Stoff gilt die Nulltolera­nz. Er hat in Lebensmitt­eln nichts zu suchen.“

Eine rückhaltlo­se Aufklärung forderte Martin Rücker von der Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch. „Behörden und Unternehme­n müssen jetzt nachverfol­gen und unverzügli­ch öffentlich machen, welche Eier betroffen sind und vor allem auch, in welchen Lebensmitt­eln belastete Eier verarbeite­t wurden.“

„Den Legehennen­haltern ist absolut kein Vorwurf zu machen. Hier war an anderer Stelle kriminelle Energie im Spiel“, sagte der Präsident der Deutschen Geflügelwi­rtschaft, Friedrich-Otto Ripke, der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“. Der stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer des Landesbaue­rnverbands Baden-Württember­g, Horst Wenk, sagte: „Die Landwirte sind wieder mal die Leidtragen­den von kriminelle­n Handlungen anderer.“

Verbrauche­rschützer beklagten, dass Kunden in dieser Krise nicht gut informiert würden. „Neben einer zentralen Risikobewe­rtung durch das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) brauchen wir zukünftig konkrete Verhaltens­empfehlung­en im Sinne einer Krisenkomm­unikation – und zwar bundesweit einheitlic­h“, sagte Jutta Jaksche vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen.

Aldi Nord, Aldi Süd und Lidl nahmen die Eier von Höfen unter Fipronilve­rdacht aus den Regalen. Einen Verkaufsst­opp für alle niederländ­ischen Eier verhängten Rewe und Penny. Der Verband der niederländ­ischen Geflügelzü­chter kritisiert­e den radikalen Schritt. „Alle niederländ­ischen Eier, die nun in den Handel kommen, sind garantiert frei von Fipronil“, sagte der Vorsitzend­e des Verbandes, Eric Hubers. Zu den Warnungen der Behörden im eigenen Land sagte er. „Das ist Panikmache, denn man weiß, dass es keine Risiken gibt.“

Die Züchter erwarten große Einkommens­verluste durch die Affäre. In den Niederland­en werden jährlich zehn Milliarden Eier produziert. 60 bis 70 Prozent davon sind für den Export bestimmt.

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FOTO: DPA Augen auf beim Eierkauf: Selbst diese Hühner scheinen ihrer Produktion gegenüber skeptisch eingestell­t.

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