Schwäbische Zeitung (Biberach)
Praktikum zwischen Küche und Playstation
Mann zieht Klage gegen die Stadt Ravensburg wegen angeblicher Ausbeutung zurück
- Der vom Kläger und seinen Rechtsbeiständen erhoffte Showdown Oberbürgermeister gegen Praktikant fiel aus. Ravensburgs OB Daniel Rapp war nicht vor dem Arbeitsgericht erschienen. „Spiegel“und „Focus“waren der dringlichen Einladung im großen Verteiler zur Berichterstattung nach Ravensburg auch nicht gefolgt. Und am Ende der Verhandlung um eine angebliche Ausbeutung scheiterte auch noch die gütliche Einigung. Dabei ging es um exakt 34,85 Euro.
Der Fall, mit dem sich die Kammer Ravensburg des Arbeitsgerichts Ulm unter Vorsitz von Richter Matthias Lohrmann befassen musste, hatte Unterhaltungswert. Ein ehemaliger Praktikant im Ravensburger Jugendtreff Weststadt hatte die Stadt auf eine Lohnzahlung in Höhe von 2465 Euro verklagt, weil er dort von Oktober bis Dezember 2015 nicht als Praktikant, sondern als vollwertige Arbeitskraft eingesetzt worden sei.
„Ausbeutung“nennen das die beiden selbst ernannten Rechtsbeistände des inzwischen volljährigen jungen Mannes. Die beiden, Vater und Sohn, überziehen die Stadtverwaltung seit Jahren mit Beschwerden, Klagen und Petitionen. Thematisch sind sie dabei durchaus breit aufgestellt: Mal geht es um den Busverkehr in Ravensburg, dann um freien Zugang zum Flappach, mal um das Schulessen oder die Publikumszeiten in der Eishalle. Der ausgemachte Feind ist die „Stadtspitze“, bevorzugt das Schulamt, stets wird per E-Mail im Massenverteiler kommuniziert.
Am Dienstag nun wollten die beiden Männer die Interessen des jungen Burschen mit Migrationshintergrund vor dem Arbeitsgericht vertreten, dessen Name übrigens in der Vergangenheit auch schon bei Beschwerdebriefen zu anderen Themen als Absender aufgetaucht war. Drei junge Männer waren als mögliche Zeugen mit aufgelaufen.
Die jedoch wollte Richter Lohrmann gar nicht hören. Weil der Kläger bis Dienstag nicht in der Lage war, im Detail aufzuzählen, welche Tätigkeit er wann wie oft verrichten musste, obwohl dieser Nachweis schon in der Vorverhandlung eingefordert worden war, sah das Gericht keinerlei Basis für eine mündliche Verhandlung gegeben. Die vage Aussage, er habe „von morgens bis abends in der Küche arbeiten und putzen“müssen („Immer das Gleiche, jeden Tag“), reiche da nicht aus. Die Stadt hatte schon im Vorfeld dargelegt, der Einsatz in Küche und Theke entspreche grundsätzlich dem Lernplan für Praktikanten im Jugendhaus, geputzt habe der damalige Schüler nie und auch sonst keinerlei Aufgaben außerhalb des Praktikantenverhältnisses übernommen. Ein Wechsel der Aufgabe hätte stattgefunden, hätte sich der Praktikant nicht nach drei Monaten krankgemeldet und dann gekündigt.
Im Übrigen war die Stadt mit der Arbeitsleistung ihres Praktikanten nicht sonderlich zufrieden: Der junge Mann habe häufig Rauchpausen eingelegt, die ihm nicht erlaubt gewesen seien, und oft an der Playstation gespielt, statt sich um seine Aufgaben zu kümmern, führte Rechtsanwalt Jan Schöll von der Kanzlei Dreher und Partner aus. Die ihm zustehende Aufwandsentschädigung von 365,15 Euro hätte man ihm liebend gerne längst ausgezahlt, habe aber bis heute keine gültige Kontoverbindung vorliegen. „Das ist richtig“, sagte der junge Mann, der deshalb noch im Saal einen Scheck erhielt.
Das Gericht musste zwischendurch die Gemüter immer wieder beruhigen und wehrte die Verlesung einer politischen Erklärung durch die Unterstützer ab. Einen Vorschlag zur gütlichen Einigung – 400 Euro statt 365,15 Euro – lehnte der Anwalt der Stadt ab: „In 99 Prozent aller Fälle würden wir Ja sagen, hier nicht. Alles, was wir an Zugeständnissen machen, würde uns im großen Verteiler wieder falsch ausgelegt“, so Schöll.
Blieb die Frage, ob die Kläger das Verfahren weiterführen möchten, mit den Konsequenzen, dass die unterlegene Partei die Kosten zu tragen habe, wie Richter Lohrmann darlegte. Nach einer Beratungspause zogen die drei Männer die Klage zurück: „Unter Protest.“