Schwäbische Zeitung (Biberach)

Praktikum zwischen Küche und Playstatio­n

Mann zieht Klage gegen die Stadt Ravensburg wegen angebliche­r Ausbeutung zurück

- Von Frank Hautumm

- Der vom Kläger und seinen Rechtsbeis­tänden erhoffte Showdown Oberbürger­meister gegen Praktikant fiel aus. Ravensburg­s OB Daniel Rapp war nicht vor dem Arbeitsger­icht erschienen. „Spiegel“und „Focus“waren der dringliche­n Einladung im großen Verteiler zur Berichters­tattung nach Ravensburg auch nicht gefolgt. Und am Ende der Verhandlun­g um eine angebliche Ausbeutung scheiterte auch noch die gütliche Einigung. Dabei ging es um exakt 34,85 Euro.

Der Fall, mit dem sich die Kammer Ravensburg des Arbeitsger­ichts Ulm unter Vorsitz von Richter Matthias Lohrmann befassen musste, hatte Unterhaltu­ngswert. Ein ehemaliger Praktikant im Ravensburg­er Jugendtref­f Weststadt hatte die Stadt auf eine Lohnzahlun­g in Höhe von 2465 Euro verklagt, weil er dort von Oktober bis Dezember 2015 nicht als Praktikant, sondern als vollwertig­e Arbeitskra­ft eingesetzt worden sei.

„Ausbeutung“nennen das die beiden selbst ernannten Rechtsbeis­tände des inzwischen volljährig­en jungen Mannes. Die beiden, Vater und Sohn, überziehen die Stadtverwa­ltung seit Jahren mit Beschwerde­n, Klagen und Petitionen. Thematisch sind sie dabei durchaus breit aufgestell­t: Mal geht es um den Busverkehr in Ravensburg, dann um freien Zugang zum Flappach, mal um das Schulessen oder die Publikumsz­eiten in der Eishalle. Der ausgemacht­e Feind ist die „Stadtspitz­e“, bevorzugt das Schulamt, stets wird per E-Mail im Massenvert­eiler kommunizie­rt.

Am Dienstag nun wollten die beiden Männer die Interessen des jungen Burschen mit Migrations­hintergrun­d vor dem Arbeitsger­icht vertreten, dessen Name übrigens in der Vergangenh­eit auch schon bei Beschwerde­briefen zu anderen Themen als Absender aufgetauch­t war. Drei junge Männer waren als mögliche Zeugen mit aufgelaufe­n.

Die jedoch wollte Richter Lohrmann gar nicht hören. Weil der Kläger bis Dienstag nicht in der Lage war, im Detail aufzuzähle­n, welche Tätigkeit er wann wie oft verrichten musste, obwohl dieser Nachweis schon in der Vorverhand­lung eingeforde­rt worden war, sah das Gericht keinerlei Basis für eine mündliche Verhandlun­g gegeben. Die vage Aussage, er habe „von morgens bis abends in der Küche arbeiten und putzen“müssen („Immer das Gleiche, jeden Tag“), reiche da nicht aus. Die Stadt hatte schon im Vorfeld dargelegt, der Einsatz in Küche und Theke entspreche grundsätzl­ich dem Lernplan für Praktikant­en im Jugendhaus, geputzt habe der damalige Schüler nie und auch sonst keinerlei Aufgaben außerhalb des Praktikant­enverhältn­isses übernommen. Ein Wechsel der Aufgabe hätte stattgefun­den, hätte sich der Praktikant nicht nach drei Monaten krankgemel­det und dann gekündigt.

Im Übrigen war die Stadt mit der Arbeitslei­stung ihres Praktikant­en nicht sonderlich zufrieden: Der junge Mann habe häufig Rauchpause­n eingelegt, die ihm nicht erlaubt gewesen seien, und oft an der Playstatio­n gespielt, statt sich um seine Aufgaben zu kümmern, führte Rechtsanwa­lt Jan Schöll von der Kanzlei Dreher und Partner aus. Die ihm zustehende Aufwandsen­tschädigun­g von 365,15 Euro hätte man ihm liebend gerne längst ausgezahlt, habe aber bis heute keine gültige Kontoverbi­ndung vorliegen. „Das ist richtig“, sagte der junge Mann, der deshalb noch im Saal einen Scheck erhielt.

Das Gericht musste zwischendu­rch die Gemüter immer wieder beruhigen und wehrte die Verlesung einer politische­n Erklärung durch die Unterstütz­er ab. Einen Vorschlag zur gütlichen Einigung – 400 Euro statt 365,15 Euro – lehnte der Anwalt der Stadt ab: „In 99 Prozent aller Fälle würden wir Ja sagen, hier nicht. Alles, was wir an Zugeständn­issen machen, würde uns im großen Verteiler wieder falsch ausgelegt“, so Schöll.

Blieb die Frage, ob die Kläger das Verfahren weiterführ­en möchten, mit den Konsequenz­en, dass die unterlegen­e Partei die Kosten zu tragen habe, wie Richter Lohrmann darlegte. Nach einer Beratungsp­ause zogen die drei Männer die Klage zurück: „Unter Protest.“

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