Schwäbische Zeitung (Biberach)
Bund schiebt nur noch Islamisten und Straftäter nach Afghanistan ab
Regierung legt Neubewertung der Sicherheitslage am Hindukusch vor – Opposition fordert kompletten Stopp der Rückführungen
BERLIN - Abschiebungen nach Afghanistan ja, aber nur noch in begrenzter Zahl. Die Bundesregierung hält an ihrem Kurs der Rückführungen an den Hindukusch fest. Islamistische Gefährder, Straftäter und Flüchtlinge, die die Klärung ihrer Identität behindern, sollen auch weiterhin in ihre Heimat gebracht werden. Darauf haben sich das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium im Zuge der Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan verständigt.
Nach dem Attentat auf die Deutsche Botschaft Ende Mai in Kabul war in der Regierung Streit darüber ausgebrochen, ob man unter diesen Umständen noch weiter Afghanen aus Deutschland ohne Bleiberecht in ihre Heimat abschieben kann.
Jetzt liegt ein Zwischenbericht der Bundesregierung mit einer aktuellen Neubewertung der Gefährdung vor. Diplomaten und Innenexperten empfehlen, auch weiterhin abzuschieben, allerdings nur in wenigen Ausnahmefällen. Es gebe keine Erkenntnisse, dass die bisherige Praxis verändert werden müsse, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin. Die Entscheidung liegt letztlich bei den für Abschiebungen zuständigen Ländern. Zuletzt hatte es ein Moratorium gegeben und die Rückführungen waren unterbrochen worden.
Derzeit halten sich rund 10 000 ausreisepflichtige Afghanen in Deutschland auf und damit 5000 weniger als noch 2016. Bis Ende Juni hatten die Länderbehörden 282 Afghanen zurückgeführt. Im Vorjahr waren es 145. Zurzeit lebt eine Viertelmillion Afghanen in Deutschland.
Opposition, Teile der SPD und Menschenrechtsorganisationen fordern ein Ende der Abschiebungen in das Land. Innenexperten der Union begrüßten dagegen die Entscheidung, Straftäter und Gefährder auch weiterhin nach Afghanistan zurückzuschicken. „Dass der Zwischenbericht keinen Anlass für eine Korrektur unserer derzeitigen Rückführungspraxis sieht, ist eine gute Nachricht“, erklärte Unionsfraktionsvizechef Stephan Harbarth (CDU). So gebe es durchaus Provinzen, in denen die Lage vergleichsweise sicher sei. Auch die Tatsache, dass inzwischen mehrere Tausend Afghanen freiwillig aus Deutschland nach Afghanistan zurückgekehrt seien, zeige, dass Afghanistan nicht in allen Teilen ein unsicheres Land sei. Deutschland beschreite auch keinen nationalen Sonderweg. „Eine ganze Reihe europäischer Staaten führen Migranten sehr regelmäßig und in weit größerem Umfang nach Afghanistan zurück“, sagte der CDU-Innenexperte.
CSU-Innenexperte Stephan Mayer sprach sich dafür aus, „insbesondere Straftäter, islamistische Gefährder und ausreisepflichtige Afghanen, die sich renitent verhalten und beispielsweise ihre Identität verschleiern oder an ihrer Identitätsfeststellung nicht mitwirken“konsequent abzuschieben.