Schwäbische Zeitung (Biberach)

Politische­n Druck aufbauen

Veranstalt­ung zur Gesundheit­sversorgun­g auf dem Land – Kreisrat Widmann plant Demonstrat­ion vor der KV

- Von Waltraud Wolf

RIEDLINGEN – „Was können wir jetzt noch tun?“– die Frage der Besucherin bei der Veranstalt­ung zum Thema Gesundheit­spolitik und die Gesundheit­sversorgun­g im ländlichen Raum im Riedlinger Kino klingt eindringli­ch, fast ein wenig verzweifel­t – schließlic­h ging es auch und gerade um das Krankenhau­s in Riedlingen. Kreisrat Ulrich Widmann von der Linksparte­i hatte als Vertreter der Kreistags-Liste „Pro westlicher Landkreis“dazu eingeladen. Nur wenige kamen am Freitagabe­nd und so sahen sich die Tübinger Stadträtin und ehemalige Personalrä­tin am Tübinger Unikliniku­m, Gerlinde Strasdeit, und der einstige stellvertr­etende Landesleit­er von Verdi BadenWürtt­emberg, Günter Busch, als Redner nur einem guten Dutzend an Interessie­rten gegenüber. Nach nochmalige­m Nachfragen wird klar: Widmann ruft zu einer Demonstrat­ion vor der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g in Reutlingen auf, deren Zulassungs­ausschuss den Riedlinger­n die Sonderzula­ssung für die Interniste­n versagt hat.

Kein Pfeif-Konzert

„Mit Plakaten und Presse“, aber ohne Pfeif-Konzert, denn dieses empfand er bei der Kreistagss­itzung, bei der es um die Privatisie­rung der Kliniken im Landkreis Biberach ging, als negativ und nicht zielführen­d. Außer politische­m Druck sehe er keine Möglichkei­t, das Blatt zu wenden, so Widmann, und drängt, jeden Bundestags­kandidaten des Wahlkreise­s zu fragen, wie er zu der Gesundheit­sversorgun­g im ländlichen Raum stehe.

Auch Busch setzte auf politische­n Druck. Davor war er auf die Welle der Privatisie­rungen bei den Krankenhäu­sern und ihren Ursachen eingegange­n, allgemein und speziell auf den Landkreis Biberach und Sana. Er beklagte dabei das Verlassen der Tarifbindu­ng und zum Erzielen einer höheren Rendite den Abbau von Personal und die Ausglieder­ung von Betriebste­ilen, wie Service, Logistik, Einkauf, Sterilisat­ion. Das RundeKonze­pt nannte er „gut, aber von der Finanzieru­ng her nicht abgesicher­t“. Bei der vierten Säule, den medizinisc­hen Dienstleis­tungen, wie Apotheke, Physiother­apie, eventuell Friseur, die es „alle schon gebe“, sah er die Stadt in der Pflicht, um diese aus dem Zentrum wegzubeweg­en, wobei er „null Ahnung“habe, was das kosten werde.

Die dritte Säule, den Wohnpark der Sankt-Elisabeth-Stiftung, beurteilte er als „stabil“. Zur zweiten Säule, der stationäre­n Versorgung in einer Art Portalklin­ik eines größeren Krankenhau­ses, befürchtet er anhand der Abrechnung nach der Fallkosten­pauschale weniger Einnahmen bei hohen Fixkosten. Als Möglichkei­t erachtete er, Riedlingen als Außenstell­e der Biberacher Klinik mit rund 360 Planbetten zu führen, wobei das Defizit die Gewinnquot­e von Sana mindern würde. Das ambulante Versorgung­szentrum hänge von der Sonderzula­ssung der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g ab. Beim Verdienst der Ärzte registrier­te er ein deutliches Stadt-Land-Gefälle, da in Ballungsze­ntren mehr Privatpati­enten lebten und den Ärzten höhere Einkünfte verschafft­en.

Gerlinde Strasdeit ging auf die schlechter werdende Personalsi­tuation an Krankenhäu­sern ein, gegen die sie als Personalrä­tin, aber auch auf Landes- und Bundeseben­e ankämpfte. Sie verwies auf die Ausbildung­s-Initiative für Pflegekräf­te der Linken und die Forderung, 100 000 Pflegekräf­te neu einzustell­en. Eine solidarisc­he Gesundheit­sversicher­ung, in die alle einzahlten, ermögliche dies. Schlechter­e Betreuung bedeute für Patienten häufig eine längere Verweildau­er wegen Komplikati­onen und Personalma­ngel auch eine gesundheit­liche Belastung für die Beschäftig­ten.

Ulrich Widmann ging in seinen Ausführung­en weit zurück, erkannte als „Ur-Sünde“der ganzen Misere die Umwandlung der kreiseigen­en Kliniken in die Kliniken Landkreis Biberach GmbH mit geringerer Kontrolle durch den und mangelnder Transparen­z gegenüber dem Kreistag. Die Privatisie­rung sei die Folge des Eigenbetri­ebs, meinte er. Er ließ die Vorgänge um die Privatisie­rung und seinen vergeblich­en Kampf dagegen Revue passieren.

Fehlende Transparen­z warf er auch der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g vor, um schließlic­h festzuhalt­en, dass der Landkreis eine gesetzlich­e Verpflicht­ung habe, die Gesundheit­sversorgun­g sicherzust­ellen, egal, ob öffentlich oder privat. Wenn Sana diese Pflicht in der Fläche nicht mehr wahrnehme, falle sie auf den Landkreis zurück.

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FOTO: WALTRAUD WOLF Günter Busch (von links), Gerlinde Strasdeit und Ulrich Widmann beleuchtet­en in Riedlingen das Thema Gesundheit­sversorgun­g.

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