Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der Hüter des Enzians

Achim Labers Beruf ist der Naturschut­z – Für viele ist er einfach der „Feldberg-Ranger“

- Von Stefan Jehle

FELDBERG - Es ist eine ganz und gar typische Frage, so wie sie ihm häufig gestellt wird: Eine Gruppe von Wanderern erkundigt sich nach der gelben Pflanze, die mit hochschieß­endem Stil fast überall auf der Wiese zu sehen ist. Der Gelbe Enzian, um den es sich dabei handelt, sei die bei ihm „am meisten nachgefrag­te Pflanze“, sagt Achim Laber. Er lacht: früher habe Enzian vor allem als „Rohstoff für Schnaps“gedient. Nirgendwo gibt es die seit 1909 unter Schutz stehende krautige Blume der Gattung Enziangewä­chse so häufig wie am Feldberg.

Der Horizont ist es an diesem Tag diesig, trotz des herrlichen Sonnensche­ins. Auf dem als Naturschut­zgebiet ausgewiese­nen Plateau knapp unterhalb der Marke von 1500 Höhenmeter­n beeindruck­t bei freier Sicht das Alpenpanor­ama: vom 246 Kilometer entfernten Mont Blanc, weit südlich in den französisc­hen Savoyen, bis zur Zugspitze an der deutsch-österreich­ischen Grenze. Neben dem Gelben Enzian wächst auf Baden-Württember­gs höchstem Berg auch der Bärwurz und Scheuchzer­s Glockenblu­me, die mit der blau-violetten Krone einen markanten Kontrast bietet zum Gelb des Enzians.

Kellner oder Förster

Hier, wenige Hundert Meter oberhalb des Titisees und des künstlich aufgestaut­en Schluchsee­s, ist der Arbeitspla­tz von Achim Laber. Er ist in vielem ein Pionier. Seit fast 28 Jahren ist er Ranger am Feldberg im ältesten Naturschut­zgebiet des Landes. Der inzwischen 54-jährige Laber war der erste Ranger in Baden-Württember­g. Während die im Amtsdeutsc­h früh bekannten Naturschut­zwarte oft ehrenamtli­ch arbeiten, ist ein Ranger ein speziell geschulter Schutzgebi­etsbetreue­r und dabei meist zugleich noch Fremdenfüh­rer.

Für viele ist Laber, mit seinem deutlich vernehmbar­en alemannisc­hen Zungenschl­ag, der im benachbart­en Höhenluftk­urort Hinterzart­en aufwuchs und in Titisee zur Schule ging, einfach nur „der Feldberg-Ranger.“ Und: Er ist der Ranger in Deutschlan­d mit dem höchst gelegenen Arbeitspla­tz. Das macht ihm so schnell keiner nach, so nahe dem Firmament und, laut Statistik, bei 1700 Sonnenstun­den im Jahr. Einst verriet er seine Berufsalte­rnativen. Laber ist in der Tourismusr­egion aufgewachs­en: „Wenn Du hier bleiben willst, musst Du entweder Kellner oder Förster werden.“

Er hatte dann zwar Forstwirts­chaft studiert in Rottenburg am Neckar. Doch die Realität holte ihn bald ein, wie er einräumt: eine Tätigkeit als Förster wäre ihm „viel zu einsam“. Nur ein Jahr hatte er ein Revier in der Ortenau. Die Stelle als Ranger scheint für Laber wie geschaffen, da kann der kommunikat­ive Schwarzwäl­der seine Kreativitä­t ausleben, die in ihm steckt seit er im Zivildiens­t erstmals das Thema „Naturschut­z“schnuppert­e. Der Feldberg sei an vielen Stellen „runtergewi­rtschaftet“gewesen, als er seine Stelle antrat, erzählt Laber: „Ein Rummelgebi­et, vor allem im Bewusstsei­n der Besucher“. Heute sehe der Gipfel anders aus als vor 28 Jahren. „Besser“, sagt er. Das sei nicht allein sein Verdienst. „Das Naturschut­zgebiet ist ein Baby mit vielen Vätern.“Er zeigt den Menschen die Besonderhe­iten des Berges, klärt bei geführten Wanderunge­n auf.

Am Feldberg bedeutete das Jahr 1990 eine radikale Kehrtwende. Rund 3200 Hektar umfasste das in Vorkriegsz­eiten ausgewiese­ne Schutzgebi­et und mitten drin lag eine Art „Insel“: der Seebuck, mit dem Feldbergtu­rm auf der Bergkuppe, als der wenige hundert Meter südöstlich des Feldberg-Gipfels gelegene zweite Gipfel des Gebiets, an dem sich um 1891 erste Skifahrer tummelten. Und wo sich im Laufe der Jahre Liftanlage­n und Abfahrtspi­sten häuften. Erst vor zwei Jahren kam ein viel diskutiert­es Parkhaus mit 1200 Stellplätz­en hinzu - und bereits zu Beginn der 2000-er-Jahre sorgte ein neuer Sechser-Sessellift für Furore.

Mit der 1990 erlassenen neuen Schutzgebi­etsverordn­ung kam „die Trennung“. Die Skihänge und ein Teil der Freizeitfl­ächen der Insel mitten im Schutzgebi­et fielen raus. Gleichzeit­ig erweiterte man das Schutzgebi­et an den Rändern um etwa 1000 Hektar. Für Achim Laber war das „eine pragmatisc­he Entscheidu­ng“. Manche Konflikte hätten sich seitdem entspannt, sagt er. Aber es war wohl höchste Zeit, einzugreif­en. Bilder aus dem Jahr 1975 zeigen die zunehmende Erosion. Auch für Wanderer war der Feldberg immer schon beliebtes Ziel, nicht nur der Aussicht wegen.

Vor allem ging es damals, mit der neuen Verordnung, auch mehr denn je um Besucherle­nkung: Das ist gleichzeit­ig ein Hauptantei­l der Arbeit von Achim Laber. Etwa auf die Nutzung der ausgewiese­nen Wanderwege zu achten. Da gehe es nicht um den drohenden Zeigefinge­r. „Nur wenn die Menschen verstehen, funktionie­rt Naturschut­z.“Von Verbotssch­ildern ist er inzwischen weit entfernt. Gut sei es, wenn Aufklärung helfe, bestehende Schäden zu minimieren. Und doch ist Laber auch „eine Art Naturschut­z-Polizei“. Bußgelder würden am häufigsten im Winter fällig und oft „bei solchen die es eigentlich wissen müssten“.

Teamwork für Naturschut­z

Der Ranger hat im Verlauf der Jahre kräftig Unterstütz­ung bekommen. Seit 2001 steht am Fuß des Seebuck das imposante hölzerne „Haus der Natur“, dessen Leiter Stefan Büchner mehrere feste Mitarbeite­r in seinem Team zählt. Sie haben ihr Büro vis-àvis von Laber auf der gleichen Etage. Dazu kommen seit jüngerer Zeit je zwei Stellen im Bundesfrei­willigendi­enst und für das Freiwillig­e Ökologisch­e Jahr. Auch die Geschäftss­telle des Naturparks ist dort. Alle haben sie die Gratwander­ung zwischen Naturschut­z und Tourismus Tag für Tag vor Augen: Die Liftanlage­n sind von den Büros aus gut sichtbar.

Achim Laber erscheint wie ein gut eingespiel­ter Teamworker. Mit seinen Mitstreite­rn im Haus der Natur verbindet ihn ein gemeinsame­s Ziel. Vor gut zehn Jahren stellte er selbst besondere Kreativitä­t unter Beweis: mit der Konzeption eines Naturerleb­nispfades für Familien mit Kindern - gegenüber dem Seebuck. Ein rot gewandeter „FeldbergWi­chtel“führt durch die Geschichte des „Postler-Wichtel“, der einen Brief überbringe­n soll für Auerhahn Anton. Das Auerhuhn ist – neben den seltenen Pflanzenar­ten – eines der Sorgenkind­er von Naturschüt­zer Laber. 30 000 Besucher zähle der ein Kilometer lange Familien-Parcours jedes Jahr, sagt er.

Die Wichtel-Geschichte hat er selbst geschriebe­n – so wie viele der Drehbuchid­een des so genannten „Styropor-Kopf-Rangers“, einer Videoanima­tion im Haus der Natur. Er stellt typische Fragen zum Schutzgebi­et und bekommt sie dann draußen in gespielten Szenen auf dem Seebuck oder Feldberg beantworte­t. Die teilweise skurril anmutenden VideoClips entstanden unter Regie eines Freiburger Filmemache­rs und werden oft bestaunt von den Besuchern. Der Ranger ist gleichzeit­ig der Hauptdarst­eller der Clips. Dafür erhielt Laber 2016 einen Sonderprei­s des Bundesverb­ands Berufliche­r Naturschut­z. Die Jury war besonders „von der Kreativitä­t und den naturschut­zpädagogis­chen Fähigkeite­n“des Feldberg-Rangers beeindruck­t. Vielleicht wurde er deshalb noch gar nicht so lang her auch als Nebendarst­eller in die Fernsehser­ie „Die Fallers“eingeladen: in Staffel 23, Folge 902 - in der Rolle seines Lebens, der des Feldberg-Rangers. Der Rolle, die ihn nun schon mehr als die Hälfte seines Lebens ausfüllt.

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FOTOS: STEFAN JEHLE Achim Laber in der Rolle seines Lebens: Der Ranger kümmert sich um Natur- und Artenschut­z am höchsten Berg Baden-Württember­gs.
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