Schwäbische Zeitung (Biberach)
Galgenfrist für Air Berlin
Etihad-Ausstieg lässt Fluglinie in die Pleite rutschen – Bund hält sie vorläufig in der Luft
BERLIN (dpa) - Am Ende kommt es doch überraschend. Air Berlin schreibt zwar seit Jahren tiefrote Zahlen. Doch der starke Partner Etihad hielt die deutsche Airline in der Luft. Jetzt steigt Etihad aus, Air Berlin muss Insolvenz anmelden. Noch haben Fluggäste, Mitarbeiter und betroffene Flughäfen eine Galgenfrist.
Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) geht davon aus, dass der Flugbetrieb durch einen 150-Millionen-Euro-Kredit der Bundesregierung für ungefähr drei Monate gesichert ist. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach von einem gesicherten Flugbetrieb bis Ende November. Allein sieht sich Air Berlin nicht überlebensfähig.
Die Passagiere bekamen das richtig seit dem Frühjahr zu spüren: Ausfälle und Verspätungen häuften sich, in Berlin gab es auch Probleme mit dem Gepäck. Die Krise verschreckte immer mehr Kunden. Im Urlaubsmonat Juli sank die Zahl der Fluggäste verglichen mit dem Vorjahreswert um fast ein Viertel. Von Januar bis Juli gab es einen Rückgang um 16 Prozent – nicht nur, weil Air Berlin Flotte und Streckennetz verkleinert hat.
Neue Kredittranche gestoppt
Jahrelang hat der arabische Großaktionär Etihad Air Berlin mit Finanzspritzen geholfen. Jetzt aber hat Etihad mitgeteilt, „dass sie nicht mehr beabsichtigt, Air Berlin finanziell zu unterstützen“. Am vergangenen Mittwoch habe der Partner eine vereinbarte Kredittranche in Höhe von 50 Millionen Euro nicht überwiesen, hieß es aus Unternehmenskreisen. Das Geschäft Air Berlins habe sich rapide verschlechtert, teilte Etihad als Bergründung mit. Dadurch könnten „entscheidende Herausforderungen nicht bewältigt und alternative strategische Optionen nicht umgesetzt werden“. Etihad könne die eigenen Verbindlichkeiten nicht erhöhen.
Eine Insolvenz in Eigenverwaltung zielt darauf, das Unternehmen weiter am Leben zu erhalten. Es soll nicht abgewickelt werden, stattdessen soll der Flugbetrieb weitergehen. Der Umbau soll fortgeführt werden. Erster Anwärter auf die Übernahme von Teilen Air Berlins ist die Lufthansa, aber nur wenn die Schulden getilgt sind. Der vorläufige Sachwalter, der dem Management an die Seite gestellt wird, muss nun in Verhandlungen mit den Gläubigern eine Lösung finden. Die müssen auf viel Geld verzichten. Letztlich kommt es darauf an, was die Gläubigerversammlung entscheidet.
Dass die Bundesregierung einem Unternehmen so beispringt, hat sicherlich auch mit der Bundestagswahl zu tun. Bilder von Urlaubern, die von ihrem Ferienort nicht mehr zurückkommen, hätten niemandem in der Bundesregierung gefallen. Air Berlin hat trotz Krise bei vielen Deutschen noch einen guten Namen. Die Regierung sichert mit ihrem Kredit einen Übergang – in der Hoffnung, dass Lufthansa Teile übernimmt.
Sie würde dadurch ihre wichtigste Rivalin im Inland schlucken – und könnte ihre eigene Billigtochter Eurowings stärken. Der Kranich-Konzern hat gute Erfahrungen bei der über Leasing organisierten Teil-Übernahme von 38 Flugzeugen für ihre Töchter Austrian und Eurowings gemacht. Die Airbus-Maschinen der Air Berlin seien in einem guten Zustand, die Crews operativ bestens unterwegs, ist aus dem Konzern zu hören. Vor allem die 17 Langstreckenjets wären für die Tochter Eurowings interessant. Der Vorteil: Lufthansa bekäme Flieger und Personal, aber nicht die Verwaltung und Tarifverträge von Air Berlin. Denn bei Eurowings verdienen vor allem die Piloten deutlich weniger.
Für die Beschäftigten der Air Berlin bedeutet der Schnitt wohl nichts Gutes. Denn bei einer Zerschlagung drohen nicht nur Entlassungen während des Insolvenzverfahrens. Zwar kann sich das fliegende Personal relativ sicher sein, auch künftig gebraucht zu werden. Es fragt sich nur, zu welchen Arbeitsbedingungen.