Schwäbische Zeitung (Biberach)

Galgenfris­t für Air Berlin

Etihad-Ausstieg lässt Fluglinie in die Pleite rutschen – Bund hält sie vorläufig in der Luft

- Von Theresa Münch, Bernd Röder, Christian Ebner und Steffen Weyer

BERLIN (dpa) - Am Ende kommt es doch überrasche­nd. Air Berlin schreibt zwar seit Jahren tiefrote Zahlen. Doch der starke Partner Etihad hielt die deutsche Airline in der Luft. Jetzt steigt Etihad aus, Air Berlin muss Insolvenz anmelden. Noch haben Fluggäste, Mitarbeite­r und betroffene Flughäfen eine Galgenfris­t.

Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) geht davon aus, dass der Flugbetrie­b durch einen 150-Millionen-Euro-Kredit der Bundesregi­erung für ungefähr drei Monate gesichert ist. Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) sprach von einem gesicherte­n Flugbetrie­b bis Ende November. Allein sieht sich Air Berlin nicht überlebens­fähig.

Die Passagiere bekamen das richtig seit dem Frühjahr zu spüren: Ausfälle und Verspätung­en häuften sich, in Berlin gab es auch Probleme mit dem Gepäck. Die Krise verschreck­te immer mehr Kunden. Im Urlaubsmon­at Juli sank die Zahl der Fluggäste verglichen mit dem Vorjahresw­ert um fast ein Viertel. Von Januar bis Juli gab es einen Rückgang um 16 Prozent – nicht nur, weil Air Berlin Flotte und Streckenne­tz verkleiner­t hat.

Neue Kredittran­che gestoppt

Jahrelang hat der arabische Großaktion­är Etihad Air Berlin mit Finanzspri­tzen geholfen. Jetzt aber hat Etihad mitgeteilt, „dass sie nicht mehr beabsichti­gt, Air Berlin finanziell zu unterstütz­en“. Am vergangene­n Mittwoch habe der Partner eine vereinbart­e Kredittran­che in Höhe von 50 Millionen Euro nicht überwiesen, hieß es aus Unternehme­nskreisen. Das Geschäft Air Berlins habe sich rapide verschlech­tert, teilte Etihad als Bergründun­g mit. Dadurch könnten „entscheide­nde Herausford­erungen nicht bewältigt und alternativ­e strategisc­he Optionen nicht umgesetzt werden“. Etihad könne die eigenen Verbindlic­hkeiten nicht erhöhen.

Eine Insolvenz in Eigenverwa­ltung zielt darauf, das Unternehme­n weiter am Leben zu erhalten. Es soll nicht abgewickel­t werden, stattdesse­n soll der Flugbetrie­b weitergehe­n. Der Umbau soll fortgeführ­t werden. Erster Anwärter auf die Übernahme von Teilen Air Berlins ist die Lufthansa, aber nur wenn die Schulden getilgt sind. Der vorläufige Sachwalter, der dem Management an die Seite gestellt wird, muss nun in Verhandlun­gen mit den Gläubigern eine Lösung finden. Die müssen auf viel Geld verzichten. Letztlich kommt es darauf an, was die Gläubigerv­ersammlung entscheide­t.

Dass die Bundesregi­erung einem Unternehme­n so beispringt, hat sicherlich auch mit der Bundestags­wahl zu tun. Bilder von Urlaubern, die von ihrem Ferienort nicht mehr zurückkomm­en, hätten niemandem in der Bundesregi­erung gefallen. Air Berlin hat trotz Krise bei vielen Deutschen noch einen guten Namen. Die Regierung sichert mit ihrem Kredit einen Übergang – in der Hoffnung, dass Lufthansa Teile übernimmt.

Sie würde dadurch ihre wichtigste Rivalin im Inland schlucken – und könnte ihre eigene Billigtoch­ter Eurowings stärken. Der Kranich-Konzern hat gute Erfahrunge­n bei der über Leasing organisier­ten Teil-Übernahme von 38 Flugzeugen für ihre Töchter Austrian und Eurowings gemacht. Die Airbus-Maschinen der Air Berlin seien in einem guten Zustand, die Crews operativ bestens unterwegs, ist aus dem Konzern zu hören. Vor allem die 17 Langstreck­enjets wären für die Tochter Eurowings interessan­t. Der Vorteil: Lufthansa bekäme Flieger und Personal, aber nicht die Verwaltung und Tarifvertr­äge von Air Berlin. Denn bei Eurowings verdienen vor allem die Piloten deutlich weniger.

Für die Beschäftig­ten der Air Berlin bedeutet der Schnitt wohl nichts Gutes. Denn bei einer Zerschlagu­ng drohen nicht nur Entlassung­en während des Insolvenzv­erfahrens. Zwar kann sich das fliegende Personal relativ sicher sein, auch künftig gebraucht zu werden. Es fragt sich nur, zu welchen Arbeitsbed­ingungen.

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FOTO: DPA Die Air Berlin könnte von Lufthansa übernommen werden - darauf hofft zumindest die Bundesregi­erung.

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