Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein wenig verbale Abrüstung

Nordkoreas Machthaber will US-Pazifikins­el Guam „ein wenig länger“auf Angriff warten lassen

- Von Andreas Landwehr und Fabian Kretschmer

PEKING (dpa) - Kim Jong-un will es doch nicht darauf ankommen lassen. Die Ankündigun­g von Nordkoreas Machthaber, mit dem angedrohte­n Raketenang­riff auf die US-Pazifikins­el Guam „ein wenig länger“warten zu wollen, kann als Signal der Abrüstung im Krieg der Worte zwischen Nordkorea und den USA gewertet werden. „Es ist ein Rückzieher“, sagt der chinesisch­e Experte Jin Qiangyi von der Yanbian Universitä­t in der Provinz Jilin an der Grenze zu Nordkorea. „Er will Spannungen abbauen, weil sich die Position der USA immer weiter verhärtet, was nichts Gutes für Nordkorea verheißt.“

Nach Beratungen mit seinen Generälen über die Angriffspl­äne sagte Kim, er wolle das „dumme und blöde Verhalten der Yankees“noch etwas beobachten. Wahrschein­lich meint Nordkoreas Führer damit die nächste Woche geplanten Manöver der USA mit Südkorea. Auf jeden Fall spielte er den Ball ins Feld von Donald Trump, indem er den US-Präsidente­n auffordert­e, ihm eine „ordentlich­e Option“zu unterbreit­en.

Können beide ins Geschäft kommen? Sehr schwierig. Aber wer will, kann Kims Äußerungen als verklausul­ierte Botschaft verstehen, irgendwie mit Washington sprechen zu wollen. Einige Beobachter in den USA glauben zwar, dass Trump ihn mit seinen barschen Drohungen in die Knie gezwungen hat, aber es scheint vielmehr das bekannte nordkorean­ische Drehbuch: Drohen, bluffen, Angst schüren, Aufmerksam­keit erreichen und dann Forderunge­n stellen. Am Ende wird endlos über mögliche Verhandlun­gen verhandelt, um damit schon Zugeständn­isse zu erreichen.

„Der Schlüssel liegt bei den USA“

Dabei hat Nordkorea immer den Erzfeind USA im Blick und schert sich wenig um den großen Nachbarn China. „Der Schlüssel liegt bei den USA“, sagt Jin Qiangyi. „Kim Jong-un schenkt der Haltung der USA am meisten Aufmerksam­keit. Er schert sich nicht um andere Länder.“Die USA sind aber nicht zu Verhandlun­gen oder Konzession­en bereit, solange sich Kim nicht vorher klar zur Aufgabe seines Atom- und Raketenpro­gramms bekennt.

Mit Druck, Sanktionen und Isolation will Trump den jungen Machthaber

zum Einlenken bewegen, doch glaubt China nicht, dass diese Werkzeuge allein eine Lösung bringen können. Dafür müssten die USA aus chinesisch­er Sicht Nordkoreas Sicherheit­sbedürfnis­se berücksich­tigen, Entgegenko­mmen zeigen und

erstmal in Verhandlun­gen einsteigen, an deren Ende vielleicht irgendwann eine atomwaffen­freie koreanisch­e Halbinsel stehen kann.

Auch Südkorea plädiert für Dialog. Die Regierung in Seoul sprach sich so deutlich wie noch nie gegen

eine militärisc­he Lösung aus. Einen Krieg gelte es „um jeden Preis zu verhindern“, sagte Präsident Moon Jae In aus Anlass des 72. Jahrestage­s der Befreiung von Japan. Einen Militärein­satz gegen Nordkorea könne es nur mit Zustimmung seiner Regierung geben. Damit bekräftigt­e Moon, dessen Vater ein Kriegsflüc­htling aus dem heutigen Nordkorea war, seine pazifistis­che Haltung, die auch seine politische Biografie geprägt hat.

Keine Entwarnung

Lässt sich mit dem Rückzieher Kims aber zumindest erstmal Entwarnung in der Krise geben? Kaum. Die Gefahr einer Fehlkalkul­ation und ungewollte­n Eskalation ist weiter nicht gebannt. Wie schnell „menschlich­es Versagen“passiert, zeigte auf der US-Pazifikins­el Guam in der Nacht der falsche Alarm, der die Menschen in Angst und Schrecken versetzte, weil sie einen Raketenang­riff befürchtet­en.

„Es ist unmöglich, dass die Gefahr in dieser Situation abnimmt“, sagt Jin Qiangyi. Die Drohungen hängen also weiter in der Luft.

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FOTO: AFP Touristen genießen den Sonnenunte­rgang auf der US-Pazifikins­el Guam. Der nordkorean­ische Machthaber Kim Jongun hat seine Drohung mit einem Raketenang­riff etwas zurückgeno­mmen. Die Spannungen halten dennoch an.

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