Schwäbische Zeitung (Biberach)

Gröhe plant höheren Selbstbeha­lt bei Pflege

Erst ab 100 000 Euro Einkommen sollen Kinder für Heimkosten aufkommen müssen

- Von Rasmus Buchsteine­r

BERLIN - Kinder haften für ihre Eltern – bei der Pflege gilt dieser Grundsatz. Und zwar dann, wenn Rente und das Geld, das die Pflegevers­icherung zahlt, nicht ausreichen, um die Kosten für den Heimplatz zu decken. Dann springen zunächst die Sozialämte­r ein, können aber einen Teil der Ausgaben bei den Kindern des Pflegebedü­rftigen zurückford­ern. Die Union will die Bestimmung­en dafür nun verändern und die Angehörige­n so weitgehend entlasten. Ein entspreche­nder Passus findet sich im gemeinsame­n Wahlprogra­mm von CDU und CSU.

„Pflegende Angehörige setzen sich Tag für Tag unermüdlic­h für Pflegebedü­rftige ein“, sagte Gesundheit­sminister Hermann Gröhe (CDU) am Dienstag der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Deshalb haben wir die Leistungen für pflegende Angehörige spürbar ausgeweite­t.“Diese Politik soll weiter fortgesetz­t werden. „Dazu gehört auch, dass wir Kinder pflegebedü­rftiger Eltern vor finanziell­er Überforder­ung schützen und damit dazu beitragen, sie noch besser zu entlasten.“

Konkret: Bei den Pflegekost­en solle „ein Rückgriff auf Kinder“erst ab einem Einkommen von 100 000 Euro erfolgen, heißt es im Wahlprogra­mm der Union. Tatsächlic­h wären damit Hunderttau­sende Söhne und Töchter von Eltern, die zum Pflegefall geworden sind, entlastet. 2015 kostete ein Heimplatz in der damaligen Pflegestuf­e III nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s im Schnitt monatlich etwa 3165 Euro. Seit Januar 2017 zahlen die Pflegekass­en 1175 Euro bei Pflegegrad vier beziehungs­weise 2005 Euro bei Pflegegrad fünf. Den Rest müssen die Betroffene­n aus eigener Tasche zahlen und dabei auch ihr Vermögen einbringen – bis zu einem Betrag von 5000 Euro (bei Alleinsteh­enden). Reicht das nicht, müssen die Kinder die Lücke schließen.

Grundlage für den Unterhalt ist bei Arbeitnehm­ern das Durchschni­ttseinkomm­en der zurücklieg­enden zwölf Monate – abgezogen werden davon unter anderem Altersvors­orgekosten oder Darlehensv­erpflichtu­ngen. Für Alleinsteh­ende ist ein Selbstbeha­lt von 1800 Euro vorgesehen, bei Familien sind es 3240 Euro. Der Selbstbeha­lt wird vom – bereinigte­n – Einkommen abgezogen. Vom Betrag, der sich daraus ergibt, müssen Kinder von Pflegebedü­rftigen die Hälfte als Unterhalt zahlen. Beispiel: Ein Alleinsteh­ender mit 2100 Euro Nettoeinko­mmen hat demnach 150 Euro Unterhalt im Monat beizusteue­rn.

Die Kommunen gehen auf Distanz zu dem Vorschlag. „Es ist grundsätzl­ich zuzumuten, dass Kinder für ihre Eltern einzustehe­n haben“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­ndes. Die derzeitige­n Regelungen seien praktikabe­l und vernünftig. Mittlerwei­le würden bereits rund 451 000 Personen Sozialhilf­eleistunge­n beziehen, da ihr eigenes Einkommen nicht ausreiche, die Pflegekost­en abzudecken. „Die Kosten, die von den Kommunen zu finanziere­n sind, belaufen sich schon jetzt auf jährlich 4,1 Milliarden Euro“, so Landsberg weiter. „Der Bund darf sich hier nicht aus der Verantwort­ung zurückzieh­en und die finanziell­en Folgen der wachsenden Empfängerz­ahl im Wesentlich­en auf die Kommunen abwälzen.“

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FOTO: JDPA Pflege im Heim: Gesundheit­sminister Hermann Gröhe will die Kinder von Pflegebedü­rftigen künftig weniger finanziell belasten.

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