Schwäbische Zeitung (Biberach)

Tanz der Rokokotüre­n

Bregenzer Festspiele: Mozarts „Le Nozze di Figaro“begeistert musikalisc­h und szenisch

- Von Katharina von Glasenapp

BREGENZ - Schöne Stimmen, ein ohne Abstriche homogenes Ensemble, eine Regie, die die Spielfreud­e im Durcheinan­der der Gefühle, Intrigen, Finten und Versöhnung­en weckt. Dazu Temperamen­t und Feinzeichn­ung im Orchester und ein reduzierte­s Bühnenbild, das alle Möglichkei­ten bietet: Das ist Mozarts „Le Nozze di Figaro“im Vorarlberg­er Landesthea­ter unter der musikalisc­hen Leitung von Hartmut Keil und in der Regie von Jörg Lichtenste­in. Nach „Così fan tutte“vor zwei Jahren und „Don Giovanni“im vergangene­n Sommer wird auch die dritte von Mozarts Meisterope­rn nach einem Libretto von Lorenzo da Ponte mit wenigen Mitteln höchst kurzweilig umgesetzt. Das Opernstudi­o, ein Lieblingsk­ind von Intendanti­n Elisabeth Sobotka, trägt auch im dritten Jahr reiche Früchte.

Die Bühne von Nikolaus Webern ist fast leer: Einzig Türen mit Rokokoverz­ierungen, groß und klein, einfach oder als Doppeltüre­n, werden samt Türstock hin und her geschoben. Das ist ebenso einfach wie schlüssig, herrscht doch in dieser Oper nach einem Theaterstü­ck von Beaumarcha­is ein stetes Kommen und Gehen. Man lauscht hinter Türen, verkleidet oder versteckt sich. Ebenso wie die Personen immer mal wieder Tanzschrit­te setzen und im dritten Akt ein zierliches Menuett zur Überbringu­ng heimlicher Botschafte­n dient, so wirkt auch das Verschiebe­n der Türen wie ein Ballett. Die Kostüme und Perücken zitieren Ein reduzierte­s Bühnenbild aus verschiede­nen Türen mit Rokokoverz­ierungen: Das ist Mozarts „Le Nozze de Figaro“im Vorarlberg­er Landesthea­ter.

die Rokokozeit, doch immer mehr legen die Figuren dieses historisch­e Beiwerk ab, werden Menschen unserer Zeit. Schließlic­h ist das Spiel von Macht und Ohnmacht, Intrigen und erotischen Abenteuern immer aktuell: So wie die Menschen im Schlussges­ang vereinzelt für sich stehen, ist das versöhnlic­he glückliche Ende vermutlich nicht von Dauer.

Ungemein stimmiges Ensemble

In Zusammenar­beit mit dem Wettbewerb „Neue Stimmen“haben Elisabeth Sobotka und Operndirek­torin Susanne Schmidt ein ungemein stimmiges Ensemble zusammenge­stellt. Der Meisterkur­s mit Brigitte Fassbaende­r Anfang des Jahres und die intensive musikalisc­he Arbeit mit Hartmut Keil haben die jungen Menschen, die in ihren Zwanzigern sind

und in verschiede­nen Opernstudi­os Erfahrunge­n sammelten, inspiriert. Da ist der elegante, feine Bariton des Vincenzo Neri als Graf Almaviva, der im Laufe des Abends immer mehr an Stimme und Autorität gewinnt. Seine Gräfin, die slowenisch­e Sopranisti­n Mojca Bitenc, überzeugt mit Ausstrahlu­ng, Wärme und Leuchtkraf­t. Der polnische Bariton Adam Kutny ist mit seiner prächtigen Stimme und spielerisc­hen Präsenz der fantasievo­lle Drahtziehe­r des Geschehens, der von seiner Susanna, der schlanken und spielfreud­igen Israelin Anat Edri, noch überboten wird.

Im Mittelpunk­t der Oper und dieser Inszenieru­ng steht der Page Cherubino, der überall zugleich und seinem Herrn Grafen stets voraus zu sein scheint. Die polnische Mezzosopra­nistin Natalia Skrycka erfüllt diese

Traumrolle mit Wärme, Charme und Spielwitz. An ihrer Seite wirkt die Barbarina der Jenifer Lary wie ein flatterhaf­tes Elfenwesen. Auch die kleineren Partien sind mit Clara Corinna Scheurle (Marzelline), Martin Summer (Bartolo und Antonio) und Uwe Gottswinte­r (Basilio und Curzio) beeindruck­end besetzt.

Zum musikalisc­hen Glanz der frischen Stimmen trägt das höchst beweglich agierende Symphonieo­rchester Vorarlberg mit sprechend artikulier­enden Bläsern und Streichern bei. Hartmut Keil führt es zu einem homogenen und farbigen Klang und gestaltet die Rezitative am Hammerflüg­el so fantasievo­ll und geistreich, dass aus dem kleinen Orchesterg­raben die Funken sprühen. Schade, dass es nur mehr so wenige Aufführung­en am 17. und 19. August gibt!

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FOTO: ROLAND RASEMANN

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